„Dann gehen die Lichter aus“Leverkusener Karnevalsvereine sind in großer Sorge

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symbol karnevalsvereine lev

Auch in dieser Session mussten fast alle Karnevalssitzungen abgesagt werden (Symbolbild).

Leverkusen – „Dat jitt et nur mit uns“ prangt auf dem kurzfristig zusammengezimmerten Veranstaltungsplakat der Leverkusener Jecken. „Uns“, das sind die Karnevalsvereine, die am Samstag unter dem Dach des Festausschuss Leverkusener Karneval (FLK) in der Brauchtumszone in Opladen eine große Open-Air-Party feiern werden. Immerhin. Denn war die karnevalsfreie Zeit für den Normaljecken schon deprimierend genug, war sie für die Karnevalsgesellschaften schlicht existenzbedrohend.

„Die Vereine haben seit zwei Jahren keine Einnahmen, die über Mitgliedsbeiträge und Spenden hinausgehen. Sollte das auch nächstes Jahr so weitergehen, dann gehen bei vielen die Lichter aus“, sagt Thomas Lingenauber, Präsident des FLK. „In den letzten Wochen“, erzählt er am Telefon, „hatten wir so viele Sondersitzungen wie in den letzten 15 Jahren nicht mehr.“ Und das nicht nur wegen der kurzfristig organisierten Veranstaltungen in den Brauchtumszonen, sondern auch wegen der finanziellen Situation.

Hilfsgelder für Karnevalsvereine: „Es gibt noch viele Unbekannte“

Bund und Länder wollen zwar die Ausfälle mit Sonderfonds kompensieren, doch viele Vereine sind skeptisch, ob das versprochene Geld auch ankommt. Vor allem deswegen, weil die Situation dieses Jahr komplizierter ist als 2021. Damals ließen Lockdowns und Schutzverordnungen im Vorhinein schon keine Karnevalsveranstaltungen zu. Das hat die Kompensation der Vereine vereinfacht. Dieses Jahr haben die Vereine in Absprache mit der Stadt ihre Events selbstständig abgesagt. „Nun muss jeder Verein einzeln Gelder aus den Fonds beantragen und nachweisen, welche Veranstaltungen wann abgesagt wurden, um Geld zu bekommen“, so Lingenauber.

Die Beantragung der Hilfen aber sei ein hochkomplexer, bürokratischer Aufwand, beklagen die Gesellschaften. „Wir sind ja immer noch alles Karnevalsvereine und nicht jede Gesellschaft hat einen, der BWL studiert hat und sich mit diesen Formularen auskennt“, sagt Kevin Schrauzer, 1. Vorsitzender der Neustadtfunken. Und auch Lilo Schmitz von Grün-Weiß Schlebusch ist skeptisch, was die Hilfsfonds angeht: „Es gibt noch viele Unbekannte. Wir wissen nicht, ob das Geld für alle Vereine reicht.“

Corona schweißt Karnevalsvereine zusammen

Doch nicht nur finanziell leiden die Vereine unter der Pandemie. Auch das Vereinsleben befindet sich im Stillstand. Walter Gerhard ist Ehrenvorsitzender der Hetdörper Mädche un Junge. Während der Pandemie habe man versucht, den Kontakt innerhalb des Vereins zumindest virtuell aufrechtzuerhalten. Auch eine Jahreshauptversammlung war im Sommer immerhin möglich, er sagt aber auch: „Wenn nächstes Jahr wieder Züge und Sitzungen stattfinden, wird es schwierig, die Leute wieder zu reaktivieren und zum Mitmachen zu motivieren.“

Vor allem bei den Kindertanzcorps spürt man den Stillstand der letzten Jahre, sagt Lilo Schmitz: „Weil es keine Auftritte mehr gab und teilweise noch nicht mal Training möglich war, haben sich viele Kinder neue Hobbys gesucht.“

Der Blick richtet sich nach vorne

In Fatalismus wollen die Karnevalisten aber nicht verfallen. Der Blick richtet sich hoffnungsfroh nach vorne. „Nächstes Jahr steht unser 88. Geburtstag vor der Tür, den wir groß feiern wollen. Und wir sind optimistisch, dass sich die Situation bis dahin normalisiert“, sagt Schmitz.

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Doch auch die große Open-Air Veranstaltung in der Opladener Brauchtumszone macht den Jecken Mut. Mit 1500 Menschen rechnen die Veranstalter am Samstag. Thomas Lingenauber verspürt beim Gedanken an das Wochenende ein „Kribbeln im Bauch, wie ein Astronaut vor dem Start ins All“. Er findet: „Wir haben aus den Möglichkeiten, die wir haben, das beste gemacht. Jetzt hoffen wir, dass die Menschen mit dem Stückchen Freiheit, dass uns zur Verfügung steht, verantwortungsvoll umgehen.“

Und auch wenn die karnevalsfreie Zeit größtenteils deprimierend verlief, so hat sie doch auch ihr Gutes. „Die Gesellschaften sind während der Pandemie zusammengewachsen.“ Vorher habe man sich auch als Konkurrenten wahrgenommen. Mittlerweile helfe man sich bei der Antragsstellung für Hilfsgelder oder gebe sich Tipps, wie Brauchtumspflege auch coronakonform funktionieren kann. Gemeinsam wolle man nun die Krise überwinden. Denn echten Karneval, davon sind alle überzeugt, das gibt es eben nur mit einem lebendigen Vereinsleben.  

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