Ein kurioser Unfall mit einem jungen Labradoodle auf dem Lucasweg ging durch alle Instanzen.
Urteil10.000 Euro, weil ein Hund eine Frau in Leverkusen umrannte

Der Lucasweg ist an der Wupper besonders schön und stellenweise besonders schmal. Beim Unfall mit einem jungen Labradoodle erwies sich das als verhängnisvoll.
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Was passiert, wenn man vom Hund der Freundin gerammt wird und dadurch einen Bruch des Schienbeinkopfes erleidet? Kommt auf den Richter an. Am Kölner Landgericht wurde nach dem Motto entschieden: selbst schuld. Nicht so am Oberlandesgericht, wo der Fall vom 12. November 2022 kürzlich in einer Berufungsverhandlung betrachtet wurde: Dort hat der 26. Zivilsenat einer Opladenerin Schadensersatz von rund 10.000 Euro zugesprochen, darunter 3000 Euro Schmerzensgeld. „Das Geld ist inzwischen überwiesen“, berichtet Peter Orlowski.
Der Anwalt, der sich in Jahrzehnten vor allem als Arbeitsrechtler einen Namen gemacht, aber bis heute auch einen Sinn für spezielle Fälle hat, konnte im Berufungsverfahren für seine Mandantin eine entscheidende Änderung erwirken: Die Klage auf Tierhalter-Haftung gegen ihre Bekannte wird zwar weiterhin abgewiesen. Dennoch wird sie entschädigt. Darauf war es seiner Mandantin angekommen, so Orlowski: Immerhin musste sie unter anderem ein Skiurlaub stornieren. Der Anwalt hat weiterhin in Opladen eine Adresse. Seine alte Kanzlei ist inzwischen an die Wuppertaler Sozietät Fischer, Roloff und Partner übergegangen. Orlowski macht auf eigene Rechnung weiter.
Folgenreicher Schritt zur Seite
Der Fall mutet einigermaßen kurios an. Die entfernten Nachbarinnen waren – wie schon öfter – mit ihren Hunden Atlas und Flynn (beide Namen geändert) auf dem nahen Lucasweg unterwegs. Der ist auf der Hausstrecke der beiden Frauen recht schmal und gewunden, auf beiden Seiten stehen Bäume und Brombeersträucher. Die Halterin von Flynn ging laut Prozessakten an jenem Novembertag vorneweg, die Klägerin folgte in kurzem Abstand. Auch ihr Hund Atlas tollte auf dem Weg herum, angeleint waren die beiden Hunde nicht. Sie liefen voraus, kamen aber irgendwann zurück: zunächst Atlas, dann Flynn.
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Als letzterer auf die Nachbarin der Klägerin zulief, habe Flynns Herrin einen schnellen Schritt zur Seite gemacht. Die Folge dieses Ausweichmanövers: Flynn prallte mit dem Kopf gegen das Knie von Atlas’ Herrin, die den Hund bis zuletzt nicht sehen konnte. Der junge Labradoodle stieß mit seinem Schädel gegen das Knie der Frau; die zog sich einen Bruch des Tibiakopfes zu. Den gebuchten, achttägigen Familien-Skiurlaub nach Silvester musste die Opladenerin stornieren.
Landgericht hatte Schuld verneint
Die spannende Frage: Muss die Halterin in so einer Situation für ihren Hund haften? Nein, befand die 2. Zivilkammer des Kölner Landgerichts. Unter anderem, weil die Verletzte aus früheren Spaziergängen mit Atlas und Flynn gewusst habe, dass Letzterer dem anderen meist folge. Flynn habe nicht auf die Herrin von Atlas geachtet, sondern auf seinen Spielkameraden. Der Ausweichschritt, so hieß es vor dem Landgericht, sei „intuitiv“ gewesen – so ähnlich wie die Reaktion bei einem Verkehrsunfall.
Üblicherweise laufen Hunde an Fußgängern vorbei.
„Daraus kann ihr kein Vorwurf gemacht werden, denn bei einem gemeinsamen Spaziergang zweier Personen mit ihren Hunden ist es nicht die Aufgabe jedes Halters, die jeweils andere Person vor Gefährdungen durch das normale, hundegerechte Verhalten des eigenen Tiers – hier: dem Rennen – zu schützen. Schon gar nicht musste die Beklagte sich aufopfern, indem sie stehenblieb, um Flynn zu stoppen.“
Die Berufungsinstanz sah das anders: Flynns Halterin müsse zumindest teilweise für das Verhalten ihres Hundes haften. Die Quote setzte der 26. Zivilsenat mit zwei Dritteln an – daraus errechnen sich die nunmehr gezahlten rund 10.000 Euro. Das Unfallopfer habe keineswegs damit rechnen müssen, dass der herannahende Flynn „nicht vorbei, sondern in die Spaziergänger hineinlaufen würde. Üblicherweise laufen Hunde an Fußgängern vorbei“.