Vor 13 Jahren kam Hovhannes Ghazaryan mit seiner Frau und einem Sohn nach Deutschland, mittlerweile fünfköpfig soll die Familie noch vor Weihnachten zurück nach Armenien.
„Zerreißt mir das Herz“Unterstützung für von Abschiebung bedrohte Familie vor Rathaus in Wiesdorf

Hovhannes Ghazaryan, seiner Frau Armine Grigoryan und den Kindern Narek (l.), Max (M.) und Armen droht die Ausreise noch vor Weihnachten.
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Als Protestgemeinde am Leverkusener Rathaus aufzufallen, ist dieser Tage nicht allzu einfach. Seit dem 20. November zieht der Christkindchenmarkt in Wiesdorf täglich die Massen an. Allerdings geht es für die Gruppe, die am Mittwochnachmittag zusammengekommen ist, nicht ums Schlendern, einen leckeren Glühwein oder eine Bratwurst – es geht um die Zukunft einer Familie in Deutschland. So kamen am Mittwochnachmittag, 10. Dezember, am Rathausvorplatz etwa 60 Menschen zu einer Protestkundgebung zusammen, um Familie um Vater Hovhannes Ghazaryan und Mutter Armine Grigoryan zu unterstützen.
Der fünfköpfigen Familie droht die Abschiebung – und das, noch bevor der Weihnachtsmarkt am 30. Dezember abgebaut wird. Mit Unverständnis reagierten darauf viele Bekannte der Familie, gerade die Schul- und Kitagemeinschaft der drei Kinder im Alter von vier, zehn und 13 Jahren.
Abschiebung droht noch vor Weinachten
Die Unterstützung wurde schon im Rahmen einer Petition deutlich, die durch die Schülervertretung der Gesamtschule Schlebusch ins Leben gerufen wurde. Mehr als 4000 Unterschriften erhielt die Petition bis zum Start der Kundgebung am Mittwochnachmittag.
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Zu den Unterstützenden zählen auch Günther Olbert und Alicia Aguado Puertas von der katholischen Kita in Opladen. Die Erzieherin betreute in den vergangenen Jahren die beiden älteren Söhne Max und Armen, aktuell besucht der jüngste Sohn Narek die Kindertagesstätte.
Es zerreißt mir das Herz, dass die Familie aus dem Umfeld herausgerissen werden soll
Aguado Puertas bezeichnet die Situation im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“ als eine „Katastrophe“, die Kinder seien „vollständig integriert“ und ihnen drohe, das komplette soziale Umfeld zu verlieren: „Dass so etwas passieren kann, ist mir ein Rätsel – gerade bei Kindern in dem Alter.“
Im Rahmen der Kundgebung ergriff die Erzieherin auch die Möglichkeit, sich am offenen Mikrofon zu der Situation zu äußern: „Es zerreißt mir das Herz, dass die Familie aus dem Umfeld herausgerissen werden soll.“
Für Olbert dominiert das „Unverständnis“ für die Entscheidung, dass die Familie Deutschland verlassen soll. Er sehe dies als „Fehler im System“. Was zu der Entscheidung führt, erklärt Ghazaryan unserer Redaktion: Vor 13 Jahren habe die Familie, damals mit einem Kind, den Beschluss gefasst, aufgrund der auch religiös unsicheren Lage in Armenien, das Land zu verlassen. Nach der Flucht nach Deutschland seien sie dann – offenbar „aus Angst“ aufgrund der Situation in ihrer Heimat – in den Dokumenten mit einem anderen Namen und anderem Herkunftsland geführt worden.

Hovhannes Ghazaryan ergriff im Rahmen der Kundgebung das Mikrofon.
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Dieser Umstand soll ihnen nun zum Verhängnis werden. Im September sollte die Mutter ihren Pass abholen, dann begannen die Probleme, die nun in der Ausreise der Familie am 17. Dezember münden sollen.
Die Eltern schildern, dass sie dann vor die Wahl gestellt wurden: Entweder droht ihnen eine Abschiebung, die von den Behörden vollstreckt wird, oder sie stimmen einer „freiwilligen“ Ausreise zu.
Der Unterschied: Bei letzterem Szenario handelt es sich um eine Reise im klassischen Sinne – keine Rückführung. Im Sinne ihrer Kinder hätten sich die Eltern entschieden, unbedingt eine behördliche Abschiebung zu verhindern. Denn sie wollen verhindern, dass ihre Kinder eine traumatisierende Erfahrung machen, wenn zum Beispiel die Polizei nachts in ihre Wohnung kommt, um dann die Rückführung zu vollstrecken.
Nun soll die Familie bereits in der kommenden Woche Deutschland verlassen, um nach Armenien zu ziehen. Das ist zwar das Heimatland der Eltern, aber es ist zugleich ein Land, zu dem die drei Kinder entweder wenig oder gar keinen Bezug haben.
Die Hoffnung auf juristische Unterstützung oder die armenische Botschaft in Berlin ist, das bestätigt die Familie, aufgrund der Kürze der Zeit gering. Im Rahmen eines Besuches bei der Leverkusener Ausländerbehörde am Mittwoch sei Ghazaryan, so schildert er, mitgeteilt worden, dass die Entscheidung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) obliege.
Die Botschaft des dreifachen Familienvaters ist simpel: „Wir möchten bleiben, wir möchten arbeiten und hier leben.“ Er hoffe auf eine Zukunft in Deutschland ohne staatliche Unterstützung – ihr Leben wollen er und seine Frau aus eigener Kraft bewältigen. Über mehrere Jahre ist der Handwerker schon in einem Beschäftigungsverhältnis gewesen, so berichtet er. Dann sei ihm untersagt worden, der Tätigkeit weiterhin nachzugehen.
Die Idealvorstellung eines geregelten Lebens in Deutschland mit seiner Familie und einem Beruf scheint aktuell für den Familienvater in weiter Ferne. In den kommenden Tagen geht es für ihn, mit Unterstützung aus dem Bekanntenkreis darum, für eine Zukunft in Leverkusen zu kämpfen. Ein Freund der Familie ergriff im Rahmen der Kundgebung das Mikrofon und beendete seinen Betrag mit: „Wir sind stark zusammen. Gebt alles.“ Dass alles – online und in der Wiesdorfer Innenstadt – gegeben wird, wurde in den vergangenen Tagen durch die Petition und die Protestkundgebung deutlich.

