Der Hauptangeklagte muss sofort wieder in Haft: Es gibt eine neue Anklage wegen Betrugs.
Festnahme im GerichtssaalBetrüger aus Leverkusener Großfamilie müssen lange ins Gefängnis

Die Angeklagten aus der Leverkusener Großfamilie wurden am Dienstag zu teils langen Strafen verurteilt. Der Hauptangeklagte (vordere Reihe) muss sofort wieder ins Gefängnis.
Copyright: Thomas Käding
Das kommt nicht oft vor: Nach eingehender Beratung hat die 3. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts am Dienstagabend noch härtere Urteile ausgesprochen, als sie die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Weil ihre Betrügereien an alten Leuten „besonders perfide“ waren, so Stephan Kloke, der Vorsitzende Richter.
Der Hauptangeklagte muss nicht sechseinhalb Jahre ins Gefängnis, sondern sieben Jahre und drei Monate. Sein Verwandter bekommt wegen Betrügereien, bei denen die Opfer insgesamt um mehr als eine halbe Million Euro geprellt wurden, nicht fünf Jahre und sieben Monate, sondern sechsdreiviertel Jahre. Und der Senior der Leverkusener Großfamilie kommt nicht mit zweieinviertel Jahren davon, die man zur Bewährung hätte aussetzen können: Vielmehr verurteilte ihn das Gericht zu vier Jahren und neun Monaten. Einzig beim jüngsten Täter wurde es nicht schlimmer: Er wurde „nach zähem Ringen“ der Richter zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden – für drei Jahre.
Gut eine halbe Million Euro in Geld und Gold hatte das Quartett bei zwei Männern und einer Frau erbeutet: Ein zur Tatzeit 83 Jahre alter Mann aus Kerpen verlor rund 270.000 Euro, ein 87 Jahre alter Kölner rund 250.000. Einer ehemaligen Dozentin an der Kölner Musikhochschule nahmen die Männer rund 35.000 Euro ab. Einen Großteil hatte sich die Seniorin bei der Bank geliehen.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln
- Nach Geiselnahme Erstes Geständnis beim Prozess um „Kölner Drogenkrieg“ – per Haftpost
- Gericht prüft Immer noch keine Anklage im Hürther Schlachthof-Skandal
- Betrugsprozess Warum die Betrüger aus der Leverkusener Großfamilie diesmal so hart bestraft wurden
- Öffentlichkeitsfahndung nach Tat in 2024 Bundespolizei sucht Hinweise zu Diebstahl im Kölner Hauptbahnhof
- Prozess Vergewaltiger von Leverkusen muss drei Jahre ins Gefängnis
- Kuriose Klage in Köln Entrümpler finden 600.000 Euro Bargeld in Wohnung – und wollen es behalten
- Prozess In Bunkerwohnungen in Kerpen sollen Drogen portioniert worden sein
Festnahme im Gerichtssaal
Der Tag hatte schon schlecht begonnen für den Hauptangeklagten: Als freier Mann war er von Wiesdorf nach Köln gereist, zurück kam der inzwischen neunfache Familienvater nicht mehr. Es gibt eine neue Anklage der Staatsanwaltschaft in Dortmund. Demnach soll er Ende April Senioren um Schmuck und Geld betrogen haben. Auf knapp 10.000 Euro habe sich die Beute in Unna und Schwerte summiert, so die Staatsanwaltschaft. Die Opfer hätten den Mann wiedererkannt.
Mit Blick darauf sei es „hochgradig wahrscheinlich“, dass der 32-Jährige künftig weitere Betrügereien begehe, hieß es dazu von Richter Kloke. Es gebe also keinen Grund, den Leverkusener weiterhin von der Haft zu verschonen. Erst recht, weil ursprünglich sechseinhalb Jahre Gefängnis aus diesem Prozess im Raum standen. Das war die Forderung der Staatsanwältin gewesen.
Wer grad’ Zeit hat, macht mal was.
Ein Strafmaß, das ihn „geschockt“ habe, so Verteidiger Nicolai Mameghani. Für eine der neuen vorgeworfenen Taten habe der 32-Jährige zudem ein hieb- und stichfestes Alibi: ein kirchliches Fest in Mönchengladbach mit rund 150 Gästen. Der Anwalt hielt drei Jahre Haft für gerecht: Die Großfamilie sei keine Betrügerbande. Vielmehr sei es so: „Wer grad’ Zeit hat, macht mal was.“ Zudem sei das Geständnis, das der Mann recht bald nach seiner Festnahme abgelegt hatte, besonders wertvoll für die Ermittler gewesen, weil er alle Beteiligten an den Betrügereien genannt habe. Die Mitangeklagten hatten erst etwas später reinen Tisch gemacht. Die fünf Wochen in Untersuchungshaft hätten seinem Mandanten sehr zugesetzt.
Das hob der Angeklagte ebenfalls hervor. Ihm sei klar geworden, wie sehr seine Familie darunter zu leiden hat. Nach seiner Darstellung ist seit Ende 2022 auch nichts mehr passiert. Seitdem führe er „ein schönes Leben, ohne Leute zu betrügen oder reinzulegen“.
Für den jüngsten Angeklagten war die Gretchenfrage gewesen, ob er noch eine Jugendstrafe bekommen kann oder nicht. Die Staatsanwältin hatte in dem zur Tatzeit 21-Jährigen einen Erwachsenen gesehen. Unter anderem, weil er da schon seit rund fünf Jahren Vater war und eine eigene Wohnung im Anwesen der Großfamilie hatte.
Das war der kleine, dicke, faule Junge.
Sein Verteidiger Jonas Bau führte Argumente dagegen ins Feld. Mit Blick auf das damalige enorme Gewicht seines Mandanten fasste er zusammen: „Das war der kleine, dicke, faule Junge.“ Ein Couch-Potatoe, „der den Hintern nicht hochkriegt“. Wofür nicht nur spreche, dass er die Schule abgebrochen hatte. Sondern auch, dass seine Mutter eine Tür weiter wohnte und für alles gesorgt habe. „Man ist nicht erwachsen, weil man ein Kind hat“, so der Verteidiger. Der inzwischen 25-Jährige brauche keine Strafe, sondern „einen Bewährungshelfer“.
Auch der Rechtsbeistand des dritten Täters versuchte, das Strafmaß herunter zu argumentieren. Fünf Jahre und sieben Monate standen nach dem Plädoyer der Staatsanwältin im Raum. Unter anderem, weil der 34-Jährige bisher elfmal vorbestraft ist. Günter Teworte wies auf das Spielverhalten hin: Mit den hohen Beträgen, die zumindest die drei jüngeren Täter den Senioren abgeluchst hatten, fuhren sie in Spielbanken und ließen es so richtig krachen. „Da wird sinnlos Geld verzockt“, so Teworte. Dazu die nicht geringe und seinerzeit regelmäßige Trinkerei. Abhängig – das hatten allerdings alle Angeklagten erklärt – seien sie nicht. Dreieinhalb Jahre, so Teworte, seien eine angemessene Strafe.
Der Angeklagte aus der Elterngeneration der Roma-Familie habe sich aktiv nur an einer Betrügerei beteiligt, führte sein Verteidiger Christian Mertens ins Feld. Der ziemlich kranke, heute 61 Jahre alte Mann sei das letzte Mal im Jahr 2015 verurteilt worden. Dass er bescheidener unterwegs ist, zeigten auch seine Möglichkeiten, finanzielle Wiedergutmachung zu betreiben: 1000 Euro hatte er vor ein paar Tagen der früheren Dozentin an der Kölner Musikhochschule überwiesen. Sie hatte sogar einen Kredit aufgenommen, um den Forderungen der vorgeblichen Teppichhändler nachzukommen. Besonders verwerflich – so sah es auch das Gericht.