Mit der Beute von alten Leuten haben es die Betrüger in Spielbanken so richtig krachen lassen.
BetrugsprozessLeverkusener Clanmitglieder: ohne Schulabschluss und ohne Job

Pompös darf es sein. Das zeigt auch die Gruft der Großfamilien auf dem Friedhof Reuschenberg.
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Wieder geht es um Betrug, wieder muss eine Große Strafkammer am Kölner Landgericht ran. Stück für Stück werden die oftmals kriminellen Biografien der Mitglieder der stadtbekannten Großfamilie juristisch aufgearbeitet. Ging es in den vergangenen Jahren um betrügerische Machenschaften mit meist perfiden Methoden, rückte zuletzt ein großer Sozialbetrug in den Fokus der Justiz. Diesmal also wieder „normaler“ Betrug, zum Nachteil alter Menschen.
Die Lebensumstände der vier Angeklagten ähneln sich, die Biografien auch: Keiner des Quartetts aus der Großfamilie hat einen Schulabschluss, geschweige denn eine Berufsausbildung. Und alle lebten zwischendurch von Bürger- und von Kindergeld. Was je nach Fall auch einen beträchtlichen Betrag ausmacht. Einer der beiden Hauptangeklagten hat neun Kinder. Ihnen, so stellt er es vor Gericht dar, wolle er so langsam mal ein Vorbild sein: „Die Kinder sollen sehen, dass ihr Vater arbeitet“, dass das „normal“ sein könne.

Er hat nach eigenen Angaben zu Hause herumgehangen und von der Beute 30 bis 40.000 Euro verspielt.
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In der Großfamilie ist es das nicht, wie die Einlassungen der anderen Beschuldigten zeigen. Einer hat jahrelang „zu Hause abgehangen“, so formuliert es sein Verteidiger Jonas Bau. Inzwischen ist der Mann 34 Jahre alt. Von Zukunftsplänen ist bei ihm weniger die Rede. Aber von Wandel schon: 70 Kilo habe der Vater eines Sohnes abgenommen. Vielleicht erhöht das auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Im Moment kommt dieser Angeklagte auf rund 1850 Euro an Bürger- und Kindergeld.
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Die Beute habe er verspielt, aber anscheinend hat er im Kasino nicht ganz so auf dicke Hose gemacht wie sein Verwandter: Der heute 32-Jährige hat das Geld nach seiner Darstellung mit vollen Händen ausgegeben. Die Spielbanken in Duisburg, Aachen, auf der Hohensyburg waren sein Revier. An manchen Abenden habe er dort „fünf- bis zehntausend Euro“ verloren – „manchmal aber auch gewonnen“. Das Ganze habe schon etwas von Sucht gehabt, gibt der Mann zu: „Die Taschen waren immer leer, wenn ich rauskam.“ Noch nicht mal den 50-Euro-Schein für Sprit habe er übrig behalten. An der Tankstelle habe er dann seinen Personalausweis zurückgelassen, als Pfand.
Wir Roma-Familien zeigen uns gern.
Neben den großen Spielbanken habe er die vielen Spielhallen in Leverkusen besucht: „fast jeden Tag“. Mit dem Spiel habe er „seine Nerven beruhigt“, die Familie habe ihm Stress gemacht. Als er wegen der nun vor dem Landgericht verhandelten Fälle in Untersuchungshaft kam, hätten sich die Dinge geändert, sagt er. Seine Frau habe ihn vor die Wahl gestellt: „Familie oder Zocken“. Da sei die Familie doch wichtiger. Zumal er seinen Lieben ein möglichst prächtiges Zuhause bieten will. Das Reihenhaus am Eschenweg, das er nur gemietet haben will, wurde im typischen pompösen Stil umgebaut: „Wir Roma-Familien zeigen uns gern.“ Helfen könnte, dass der 32-Jährige am 1. September seine erste echte Arbeitsstelle bei einem Gerüstbauer antreten will.

Die erste Generation: Der am sorgfältigsten maskierte Angeklagte ist 61 Jahre alt.
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Die ältere Generation ist vor Gericht weniger gesprächig. Der 61 Jahre alte Mittäter lässt seinen Anwalt Christian Mertens das Wesentliche mitteilen. Dass er als Einziger nicht in Leverkusen, sondern in Helmstedt geboren wurde, sei „eher Zufall“: 1963 war die Großfamilie im Sommer noch fahrendes Volk. Leverkusen, genauer: der Platz in Hummelsheim, diente nur als Winterlager. Die Schule habe er kaum besucht, heißt es. Schreiben könne er praktisch nicht. Gearbeitet habe er als Kesselflicker – und tatsächlich als Teppichhändler, „ohne betrügerische Absichten“, betont Anwalt Mertens mit Blick auf die Anklagepunkte.
Die Gesundheit des 61-Jährigen soll sehr angegriffen sein, seit 2003 könne er nicht mehr arbeiten: „Ich nehme jeden Tag 13 Tabletten.“ Das sagt der Mann, der mit FFP-2-Maske und klassischer Pilotenbrille vor Gericht aufgetreten ist, dann selbst.