Mancher, der Dirk Wollny für 20 Euro eine Bescheinigung abgekauft hat, will sich mit einer Bestrafung nicht abfinden.
Corona-PandemieAnti-Impf-Atteste aus Leverkusen beschäftigen weiterhin die Gerichte

Anfang Februar bildeten sich fast täglich Menschentrauben vor der Praxis in der Gerichtsstraße 5. Fast alle wollten einen Zettel, der ihnen bescheinigt, nicht geimpft werden zu können.
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Der Arzt wartet auch nach fast dreieinhalb Jahren noch auf seinen Prozess. Tausende Bescheinigungen, mit denen er Menschen attestierte, dass sie aus gesundheitlichen Gründen besser nicht gegen das Corona-Virus geimpft werden sollten, hatte der Opladener Mediziner Dirk Wollny nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft während der Pandemie ausgestellt. Und das – so zeigen es Videos aus der längst geschlossenen Praxis am Nordrand der Fußgängerzone – ohne jede Untersuchung: Die Patienten kamen, händigten Wollny ihre Krankenkassenkarte aus, nahmen ein frisch gedrucktes Attest entgegen und gaben dem Arzt 20 Euro in bar.
Ein paar der gut zweieinhalbtausend Verfahren, die von der Staatsanwaltschaft auch gegen die Patienten angestrengt wurden, beschäftigen inzwischen höhere Instanzen. So am Freitag, als sich die 7. Kleine Strafkammer des Kölner Landgerichts mit zwei Fällen von Ende Januar 2022 auseinandersetzte. Einer Frau wird vorgeworfen, am 19. Januar nicht nur ein Attest für sich, sondern zwei weitere für ihre beiden damals 15 und 18 Jahre alten Söhne entgegengenommen zu haben.
13 lange Minuten für die Bescheinigungen
Auch ihr Mann war an jenem Mittwochmittag augenscheinlich mit von der Partie. Der führte das Wort, und zwar ausführlich, zeigt das Video: 13 Minuten dauerte es, bis die Bescheinigungen ausgestellt und bezahlt waren. Dem Amtsgericht Leverkusen hatte das Material für eine Verurteilung ausgereicht. Die Frau musste eine Geldstrafe bezahlen – dagegen hatte sie Berufung eingelegt.
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In dem anderen Fall konnte der Arzt mehr Tempo machen: Ein Patient aus Rheindorf-Nord brauchte nur 100 Sekunden, um sich zwei Bescheinigungen in der phasenweise extrem überlaufenen Opladener Praxis abzuholen. Dem Mann ging es zunächst um eine weitere Krankschreibung wegen Rückenbeschwerden – die Bescheinigung, er könne aus gesundheitlichen Gründen mit keinem der im Frühjahr 2022 gängigen Stoffe gegen das Corona-Virus behandelt werden, habe er auf Anraten Wollnys dann mal so mitgenommen, sagte der Angeklagte aus.
Auf keinen Fall gehöre er zu den Impfgegnern, die vor allem zu Beginn des Jahres 2022 zu Hunderten zu dem Arzt nach Opladen reisten, weil sich in einschlägigen Telegram-Kanälen herumsprach, dass man dort für kleines Geld bescheinigt bekommt, man könne sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen.
Am 3. Februar 2022 stürmte die Polizei die Praxis
Der Besucherstrom schwoll an, je heftiger im Bundestag über eine Impfpflicht debattiert wurde: Anfang Februar bildeten sich vor dem Eingang des Hauses, in dem Wollny praktizierte, Schlangen, die um den halben Block reichten. Am 3. Februar 2022 machte die Polizei dem Spuk ein Ende und stürmte die Praxis.
Wichtig für den Mann aus Rheindorf war der Beweis, dass er am 25. Januar keineswegs zum ersten Mal bei diesem Arzt vorgesprochen hatte – sondern ein bekannter Patient war. Tatsächlich konnte er Nachweise vorlegen, dass er schon länger bei Wollny in Behandlung war: Unter anderem hatte sich der recht junge Mann mit dem Arzt über die Möglichkeit ausgetauscht, von ihm eine Berufsunfähigkeit attestiert zu bekommen. Wegen dauernder Rückenbeschwerden.
Das Anti-Impf-Attest, so die Darstellung des Angeklagten, habe er sich im Vertrauen auf Wollnys ärztliche Expertise ausstellen lassen. Dass dafür 20 Euro Cash fällig wurden, habe ihn nicht so gestört: „In der Apotheke muss man ja auch schon mal fünf Euro zuzahlen.“
Restlos überzeugt waren weder Richterin, noch Staatsanwältin von der Darstellung. Am Ende wurde das Urteil des Amtsgerichts Leverkusen – 30 Tagessätze à 60 Euro – dennoch aufgehoben und das Verfahren gegen eine Geldauflage vorläufig eingestellt: Die beläuft sich nach einigem Geschacher auf 300 Euro.
Wie es im Berufungsfall der Frau weitergeht, wird sich noch zeigen. Nachdem ihr Verteidiger das Gericht mit diversen Anträgen überzogen hatte, war klar: Am Freitag wird der Fall nicht abzuschließen sein. Die vielen Begleiter der Beklagten haben demnächst noch mal etwas vor.