Das Tonbandprotokoll der Aussage bei der Polizei schockiert vor dem Kölner Landgericht.
VergewaltigungsprozessFrau aus Leverkusen durchlebte fünfstündiges Martyrium

Vor dem Kölner Landgericht nähert sich der Prozess um eine Vergewaltigung in Manfort dem Ende.
Copyright: Thomas Käding
Es ist ein erschütterndes Ton-Dokument, das am Dienstag im Kölner Landgericht vorgespielt wird. Kurz bevor im Manforter Vergewaltigungsprozess die Plädoyers gehalten werden, kommt die heute 44 Jahre alte Leverkusenerin indirekt zu Wort. Sie war Opfer sexueller Gewalt geworden – für die Staatsanwaltschaft ein klarer Fall von Vergewaltigung.
Als sie am 7. Februar 2023 in der Polizeiwache an der Heymannstraße befragt wird, ist die Tat gerade fünf Stunden vorbei. Danach dokumentiert eine Rechtsmedizinerin ihre Verletzungen. Knapp fünf Stunden war die Frau schlimmer Gewalt ausgesetzt. Um 23 Uhr sei der Täter zu ihr gekommen, um 3.50 Uhr beendeten Polizisten das Martyrium: Nachbarn hatten Hilferufe gehört und durch den Türspion einen beinahe nackten Mann im Treppenhaus beobachtet.
Bekanntschaft aus dem „Venus“-Club in Leverkusen
Als sie sich am späten Abend des Vortags per Whatsapp mit dem locker Bekannten verabredet, ahnt sie nicht, was passieren würde. Sie kennt ihn seit mehreren Jahren, ursprünglich aus dem früheren „Venus“-Club in der Wiesdorfer City. Dort hat die gelernte Optikerin gearbeitet, dann und wann habe sie sich auch prostituiert, sagt sie. Auch der Angeklagte habe sie gelegentlich für Sex bezahlt. Deshalb habe sie auch keine Bedenken gehabt, den ein paar Jahre jüngeren Mann mit dem türkischen Pass noch am späten Abend zu empfangen. Nicht bei sich zu Hause in Wiesdorf, sondern in der Wohnung eines Bekannten in der Stixchesstraße.
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„Ich kannte ihn nicht so, dass er gewalttätig ist“, berichtet die Frau dem Polizisten. An diesem Abend aber ist alles anders. Orhan L. (Name geändert) hat eine Flasche Wodka dabei. Und reichlich Kokain. Den Schnaps habe er „viel zu schnell in sich reingekippt“ – danach sei „alles ganz schnell ausgeartet“. Der Mann habe „auf kein Nein, auf kein Stopp reagiert“.
Er hat auf kein Nein, auf kein Stopp reagiert.
Schon der anfängliche Oralsex sei von Gewalt geprägt gewesen. Im Schlafzimmer sei der kräftige Mann dann von vorn und hinten immer wieder in sie eingedrungen. Sie habe ihm klar signalisiert, dass es so nicht sein soll, ihr Schmerzen zufügen, sei „völlig tabu: Stopp! Zieh Dich an, wir beenden das“, habe sie gerufen. Das habe ihn offenbar nur noch aggressiver gemacht. Gegen ihren Widerstand habe Orhan L. ihr Kokain auf die Lippen gerieben und ihr den Hals der Wodkaflasche in den Mund gestoßen. Immer wieder habe er sie an den Haaren gezogen; „er hat kein Ende gefunden.“
Weil sie sich über Stunden nicht aus der Gewalt befreien konnte, habe sie „gehofft, dass es irgendeine Möglichkeit gibt, ihn wieder zu beruhigen. Aber nichts hat geholfen.“ Zwischendurch habe er von seiner Mutter gesprochen und von seiner Freundin, außerdem einen anderen, ihr unbekannten türkischen Namen genannt. Mutmaßlich die Tante, um der er sich den Tag über große Sorgen gemacht haben will: Er habe befürchtet, dass sie bei dem schweren Erdbeben, das am Vortag den Süden der Türkei erschüttert hat, ums Leben gekommen ist. Das ist die Erklärung des Angeklagten für die Ausnahmesituation, in der er sich befunden haben will.
Sein Opfer findet gegenüber der Polizei eine andere Deutung für die nicht endende Aggression: Es sei ihr vorgekommen, „als hätte er etwas wiederholt, wo er schon mal gewalttätig war“.
Drei Polizisten greifen ein
Immer wieder habe sie versucht, sich den Mann vom Hals zu schaffen und zur Wohnungstür zu kommen. Nach Stunden habe sie „irgendwie geschafft, ihn aus der Tür zu drücken“. Das war ihre Rettung – aber sie habe minutenlang „wie gelähmt“ auf dem Boden gekauert. Erst, als eine Polizistin klingelt, rafft sie sich auf und öffnet die Wohnungstür. Ihren Peiniger haben zwei andere Beamte inzwischen nach einigem Gerangel abgeführt.
Unmittelbar vor Beginn des Prozesses hat Verteidiger Günter Teworte einen Täter-Opfer-Ausgleich initiiert. Orhan L. hat der Anwältin des Opfers 5750 Euro überwiesen und eine Entschuldigung versucht. Wohlgemerkt 27 Monate nach der Tat. Bettina Güldner legt den Richtern am Dienstag den Einzahlungsbeleg bei der Commerzbank vor. Wann ein Urteil fällt, ist ungewiss: Die 13. Große Strafkammer will sich nach den Plädoyers Zeit nehmen, sagt ihr Vorsitzender Benjamin Roellenbleck: Es gehe um zu viel – für das Opfer und den Täter.