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Prozess wegen VergewaltigungBlick durch den Türspion schockt Leverkusener

Lesezeit 4 Minuten
Ein Schild weist auf das Landgericht Köln hin.

Vor dem Kölner Landgericht geht es um eine Vergewaltigung in der Stixchesstraße.

Was zunächst nur nach einer Prügelei im Treppenhaus aussah, entpuppte sich später als mutmaßliche Vergewaltigung.

Es war etwa 4 Uhr, als die Nachbarn wach wurden: Ein Mann hatte lautes Gepolter im Treppenhaus gehört, eine Frau sogar zwei Hilfeschreie – und wie jemand gegen die Wohnungstür schräg gegenüber hämmerte. Beide riefen die Polizei. Der Mann hatte zwei Personen kämpfen sehen: „Das sah sehr ernst aus“, erinnerte er sich am Dienstag vor der 13. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts. Dort muss sich seit dem vorigen Freitag Orhan L. (Name geändert) wegen Vergewaltigung verantworten.

Ein bezahltes Sextreffen mit einer Bekannten war im November 2023 in eine Gewaltorgie ausgeartet. Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse in dem Verfahren spielte eine erhebliche Rolle, dass der Angeklagte eine Menge Schnaps und Kokain zu sich genommen hatte, während er mit der Frau zusammen war. Anfangs sei alles noch einvernehmlich gewesen – das hatte auch das Opfer bestätigt, das am Freitag hinter verschlossener Tür befragt worden war. Später konnte davon aber keine Rede mehr sein.

Die Frau konnte kaum noch stehen

Diese Wahrnehmung bestätigte am Dienstag eine Polizistin. Die heute 29 Jahre alte Kommissarin fand das Opfer am frühen Morgen „in einem desaströsen Zustand“ vor. Die Frau sei völlig verstört gewesen, „konnte kaum noch stehen“. Ein Zahn habe ihr gefehlt, im Gesicht sei sie völlig verschwollen gewesen, offenbar von den vielen Schlägen, die sie hatte einstecken müssen. Als sie der Polizistin die Tür öffnete, sei nur „sehr leicht bekleidet“ gewesen. Man sei dann zunächst einmal ins Schlafzimmer gegangen, damit sich die Frau etwas überziehen konnte. Auf dem Bettrand sitzend, habe sie noch nichts von einer Vergewaltigung gesagt, erinnerte sich die Kommissarin. Eine entsprechende Ahnung habe sie aber beschlichen.

Die bestätigte sich schließlich im Klinikum: Dort sei das Opfer mit der Sprache herausgerückt. Zunächst habe man aber klären müssen, wie die Frau und ihr späterer Peiniger überhaupt in die Wohnung in der Stixchesstraße gekommen waren. Mieter war nämlich jemand anderes. Die Bleibe habe auf sie einen eher unpersönlichen Eindruck gemacht, so die Polizistin: „So, wie eine Air-BnB-Wohnung. Oder, wie man sich das Apartment eines männlichen Studenten vorstellt: nichts Persönliches.“

Opfer und Täter kannten sich lange

Zu der Frage, wie es zu dem Treffen an diesem Ort gekommen war, habe die Frau zunächst „rumgedruckst“, erklärte die Zeugin. Nach und nach sei aber klar geworden, dass es sich um ein bezahltes Treffen gehandelt habe. Sie kenne den Aggressor von ihrer früheren Tätigkeit in einem Nachtclub, so die Frau. Eine Angabe, die der ansonsten nahezu geständige Angeklagte am Freitag allerdings nicht bestätigt hatte: Er habe die Frau schon vor rund fünf Jahren mittels einer Annonce im Internet kennengelernt – und seitdem vielleicht fünfmal aufgesucht, so der 32 Jahre alte Vater einer Tochter. Während der Täter immer weiter Wodka trank und sich vom Wohnzimmertisch eine Linie Kokain nach der anderen zog, blieb die Frau nüchtern. Ein Alkoholtest ergab 0,0 Promille, beim Angeklagten wurden um die 2,6 festgestellt.

Hier ist gar nichts passiert
Der Angeklagte am Tatort in Manfort

Seiner Gegenwehr habe das aber keinen Abbruch getan, berichtete einer der Polizisten, die den Türken nur mit einem Fetzen Stoff um die Lenden im Treppenhaus vorgefunden hatten. Der Mann „war sehr aufgeregt und wild“, sagte der Polizist. Schließlich „mussten wir ihn zu Boden bringen“ und ihm Handschellen anlegen. So sei er schließlich durchs Treppenhaus auf die Stixchesstraße bugsiert und in einen Streifenwagen verfrachtet worden. Im ersten Moment habe der „sehr hibbelige“ Mann auch nicht zugegeben, dass er die Frau traktiert hatte. „Hier ist gar nichts passiert“, sei sein erster Kommentar zu den Geschehnissen in der Wohnung gewesen.

Dass das verhängnisvolle Treffen mehr als vier Stunden dauerte und sich die Frau nach eigener Aussage sowohl gegen diverse Sexualpraktiken als auch gegen die Schläge verzweifelt zur Wehr gesetzt hatte, ahnten die Ermittler nicht. Vor allem die Dauer des Martyriums blieb ihnen in dieser Novembernacht verborgen: Noch am Dienstag gab die Kommissarin vor Gericht diese Einschätzung ab: „Das muss lange gedauert haben. Eine Stunde oder zwei.“

Immerhin hat Orhan L. mittlerweile Anstalten unternommen, die Tat anzuerkennen: Unmittelbar vor Beginn des Prozesses hatte er einen Täter-Opfer-Ausgleich vorgelegt. Darin verpflichtet sich der Mann zu finanziellen Leistungen. Wie die Richter das Geschehen beurteilen, ist noch nicht absehbar. Benjamin Roellenbleck, Vorsitzender der Kammer, hatte zu Beginn des Prozesses auch eine Verurteilung wegen Gefährlicher Körperverletzung ins Spiel gebracht.