Ein junger Mann entriss einer 76-Jährigen ihren Rucksack auf der Pommernstraße.
ProzessRaub unter Drogen in Leverkusen – Angeklagter entschuldigt sich

Vor dem Landgericht wird ein Raub auf der Pommernstraße aufgearbeitet.
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Hinter dem brutalen Raub Ende August in einer Sackgasse an der Pommernstraße steckt eine lange Geschichte: Mesut L. (Name geändert) ist zwar erst 24 Jahre alt, hat aber schon eine Menge durchgemacht. Der Kurde wurde, sagt er, in Köln von der türkischen Mafia entführt, in der Türkei wegen Terrorpropaganda zu sechs, sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Deutschland sei er 2023 mit Hilfe eines Schleusers gekommen, über Serbien, Ungarn und Österreich. Er habe sich der Verhaftung entziehen wollen und hier einen Asylantrag gestellt, berichtet er am Donnerstag im Kölner Landgericht. Dort beschäftigt sich die 2. Große Strafkammer damit, was der 76 Jahre alten Frau widerfahren ist, die am Mittag des 27. August vom Reha-Sport kam.
Edelgard D. stand gerade vor der Eingangstür des Mietshauses, in dessen Erdgeschoss sie wohnt. „Ich wollte aufschließen. Der Rollator stand neben mir“, berichtet sie. Dann sei plötzlich ein junger Mann mit dem Fahrrad gekommen und habe nach ihrem Rucksack gegriffen, der im Korb des Rollators lag. Vorsichtig, wie sie ist, schlingt sie immer eine Schlaufe des Rucksacks um den Griff ihrer Gehhilfe. Deshalb sei es dem Angreifer auch nicht gelungen, den Rucksack sofort wegzureißen. Vielmehr habe es ein Gerangel gegeben, „ich habe dem Mann auf die Finger gehauen und ihm vielleicht etwas Unfreundliches gesagt“.
Messer oder Schere
Dann habe der Mann plötzlich etwas Silbernes in der Hand gehabt: eine Schere, ein Messer? Das habe sie nicht gesehen, sagt sie. Jedenfalls sei es ihm darum gegangen, die Schlaufe durchzuschneiden, um so an den Rucksack zu kommen. Bedroht habe er sie nicht. Schließlich sei sie mit dem Rollator gestürzt und der Räuber geflohen, so Edelgard D. – sie sei mit dem Kopf auf die steinerne Einfassung des kleinen Beets vor dem Haus gefallen.
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Dass sie sich dabei nicht schwer verletzt habe, war womöglich pures Glück. Eine Beule sei diagnostiziert worden, „das war nicht so tragisch“. An eine kleine Hautabschürfung am Finger kann sie sich kaum noch erinnern. Aber auch das ist in den Gerichtsakten dokumentiert.
Ein Nachbar verfolgt den Angreifer
Schon während des Gerangels habe sie laut um Hilfe gerufen, und das war gut: Denn der Sohn ihrer Nachbarin, der gerade zu Besuch war, stürzte daraufhin auf die Straße und nahm die Verfolgung des Räubers auf. Nach ein paar Metern hatte er ihn eingeholt; der Fremde ließ den Rucksack offenbar fallen und floh mit seinem Rad über den Garagenhof in Richtung Wiembach und Naturgut Ophoven. Dort verlor sich seine Spur zunächst.
„Ich wollte Geld, um Drogen zu kaufen“, sagt Mesut L. dem Gericht. Vor der Tat habe er drei Tage lang nicht geschlafen, Kokain und Amphetamin genommen. Anders gesagt: Er habe neben sich gestanden. „Mit klarem Kopf würde ich so etwas nie machen“, beteuert er. Aber unter Drogen „besteht immer die Gefahr, dass was passiert“.
Nur mit Mühe kann er sich am Donnerstag an Details des Geschehens in der Pommernstraße erinnern. Vor Augen hat er nur die Frau und den Rollator.
Nicht wieder machen!
Edelgard D. hat die Tat offenkundig ganz gut verkraftet: „Ich bin ein Mensch, der nicht lange über so etwas nachdenkt.“ Über den Täter macht sich das Opfer allerdings schon Gedanken: „Nicht wieder machen“, sagt sie dem Angeklagten, der sich in aller Form bei ihr entschuldigt. Er verbeugt sich tief, küsst ihr die Hand.
Ob das den jungen Kurden, der wegen weiterer Gewaltdelikte in Ossendorf in Untersuchungshaft sitzt, vor einer Gefängnisstrafe bewahrt, hängt unter anderem von einem Gutachten ab. Ein Psychiater hat sich den Mann angesehen. Gut möglich, dass er in einer Drogenentziehungskur mehr Sinn sieht als in einer Haftstrafe. Mesut L. und sein Anwalt hoffen darauf. Der Prozess wird fortgesetzt.

