Seit zehn Jahren vermittelt die Fahrradwerkstatt der Awo gebrauchte Fahrräder an Geflüchtete. Dabei legt sie Fokus auf die zwischenmenschliche Begegnung.
Aktion der AwoFeier und Sorgen zum 10. Geburtstag von Leverkusens Fahrradwerkstatt

Martin Kelling repariert ein gespendetes Kinderfahrrad.
Copyright: Violetta Gniß
„Ich ziehe gleich einen Namen und die Person kann nach vorne kommen und ein Fahrrad ausprobieren“, erklärt Layla Peschke von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) den rund 30 geflüchteten Kindern und Erwachsenen. Der erste Zettel ist gezogen: Ein Junge im Grundschulalter kommt freudestrahlend nach vorne und sucht sich ein weißes Fahrrad mit hellblauen Schmetterlingen aus.
Jeden Mittwoch ist Fahrradausgabe
Ehrenamtler Martin Kelling stellt den Sattel ein und schon kann der kleine Junge eine Proberunde auf dem Hof der Awo drehen. Das Fahrrad passt. Peschke zieht den nächsten Namen. Die Reihenfolge müsse sie losen, da der Andrang jede Woche groß ist und man nicht genau festmachen kann, wer tatsächlich am längsten wartet. Jeden Mittwoch von zehn bis zwölf Uhr statten Layla Peschke und ihre ehrenamtlichen Kollegen Geflüchtete und Zugewanderte mit Fahrrädern aus – und das schon seit zehn Jahren.
Hilfe untereinander
2015 startete das Projekt, um Geflüchteten Mobilität zu gewährleisten, wie die Sozialarbeiterin berichtet. „Viele haben kein Bus- oder Bahnticket und bekommen das auch nicht bezahlt“, sagt sie. Dabei geht die Intention der Aktion über diesen pragmatischen Aspekt hinaus, die Awo möchte eine Möglichkeit schaffen, sich zu begegnen, sich zu vernetzen. Laut Layla Peschke, die für die Ehrenamtskoordination bei der Awo zuständig ist, zeigt sich immer wieder deutlich, dass die Fahrradwerkstatt dieses Ziel auch erreicht. „Unter den Menschen ist eine große Hilfsbereitschaft“, sagt sie. So begleite zum Beispiel ein Vater, nachdem er selbst mit seinen Kindern hier ein Fahrrad ausgesucht hatte, nun wöchentlich neue Familien dabei, die Fahrradwerkstatt zu besuchen.
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Die AWO vermittelt Fahrräder an Geflüchtete.
Copyright: Violetta Gniß
Das Projekt lebt von Spenden – von Fahrrädern über Ersatzteile bis hin zu Geldspenden. Bis Ende des vergangenen Jahres wurde die Werkstatt durch „Komm an NRW“, ein Förderprogramm des Landes finanziert, das jetzt jedoch eingestellt wurde. Eine Herausforderung für das Team der Fahrradwerkstatt, denn Ersatzteile wie zum Beispiel Schläuche oder Lampen müssen sie zukaufen. „Uns fehlt Geld und Material“, klärt Martin Kelling über den derzeitigen Stand auf.
Die Fahrradwerkstatt freue sich über jede Form von Unterstützung. Aktuell repariert ein Team von vier Ehrenamtlern jeden Mittwoch die Fahrräder und macht sie verkehrssicher. „Sechs Leute wären aber schon besser“, findet Ehrenamtler Stefan Schneider. Sein Kollege Bert Schröer ergänzt: Man könne auch als Berufstätiger mitwirken, indem man die Fahrräder abhole, denn das lasse sich flexibel einteilen.
Immerhin sammelt das Team die Fahrräder auch bei den Spenderinnen und Spendern ein. „Die Motivation der Menschen ist: ‚Ich möchte meinen Keller oder meine Garage ausräumen und am besten nur einen Anruf tätigen müssen‘“, erklärt Schröer. Deswegen ist das Angebot der Awo so niederschwellig wie möglich: Die Spenderinnen und Spender müssen nur anrufen und die Ehrenamtlichen holen das Fahrrad bei ihnen zu Hause ab. Natürlich sei es aber auch möglich, sein Rad vor Ort bei der Awo am Berliner Platz abzugeben.
Ehrenamtler Bert Schröer erzählt, dass er vor seiner Rente Räder für die Werkstatt eingesammelt habe. „Das ist ein cooler Job, weil viele Spender super freundlich sind“, sagt er. Sein Ehrenamt lässt ihn positiv auf die Gesellschaft blicken: „Wir erleben sozial engagierte Menschen, die sich um die Gesellschaft kümmern wollen“, freut er sich.
Ich lebe in dieser Gesellschaft, ich möchte ihr etwas geben
Diese Motivation hat auch der 45-jährige Rahmatullah Andar, der vor zwei Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam. Er besuchte einen Integrationskurs, seine Deutschkenntnisse seien momentan aber noch nicht gut genug, um zu arbeiten. Deswegen entschied er sich, sich ehrenamtlich einzubringen. „Ich lebe in dieser Gesellschaft, ich möchte ihr etwas geben, die Gesellschaft hat ein Recht darauf“, sagt Andar, der in seiner Heimat Universitätsdozent für Islamwissenschaften und Bildungsmanagement war.
Fahrradwerkstatt in Opladen feiert 10-jähriges Bestehen
Das Freiwilligenzentrum Lupe vermittelte ihm schließlich das Ehrenamt in der Fahrradwerkstatt. Seine Tätigkeit dort bringe ihn auch persönlich weiter. „Ich möchte hier mein Deutsch verbessern“, sagt er und fügt noch hinzu: „Ich habe hier in der Werkstatt in drei Monaten mehr gelernt als in neun Monaten im Integrationskurs.“ Für die Zukunft wünscht er sich, auch hier in Deutschland wieder an einer Universität dozieren zu können.
Die positive Resonanz auf das Projekt ist für Layla Peschke und ihr Team zusätzliche Motivation, die Fahrradwerkstatt auch nach zehn Jahren noch weiterzuführen. Die „große Dankbarkeit, das Dauergrinsen“ der Kinder und Erwachsenen, die ein Fahrrad geschenkt bekämen, begeistere sie für ihre Arbeit. Mit einem Jubiläumsfest am Donnerstag, 4. September, möchte die Awo ihren Unterstützerinnen und Unterstützern etwas zurückgeben. Alle, sind ab 15 Uhr herzlich in die Fahrradwerkstatt, an den Berliner Platz 3, eingeladen. Zum Programm gehört unter anderem ein Gewinnspiel und eine musikalische Aufführung.
Wer die Fahrradwerkstatt mit einer Spende unterstützen möchte, kann sich bei der Awo per Mail melden oder telefonisch unter: 0157-85037563. fahrradwerkstatt@awo-lev.de