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Legendärer Ermittler „Leichen-Erwin“Als zwei Leverkusener Söhne ihre Väter töteten

Lesezeit 4 Minuten
Leichen-Erwin Sohn Vater Mord 1973

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete 1973 über den Tod eines Familienvaters in Opladen.

Leverkusen – „Wenn Söhne ihre Väter aus Hass töten, sind es stets besonders tragische Ereignisse gewesen.“ Mit nüchternen Worten beginnt Erwin Prahl in seinen Memoiren ein besonders dunkles Kapitel der vielen dunklen Verbrechen, in denen er in seiner Laufbahn ermittelte. Erwin Prahl, genannt „Leichen-Erwin“, war Kriminalpolizist in Leverkusen. In diesem Teil der Serie über den stadtbekannten Ermittler geht es um zwei sehr unterschiedliche Fälle aus den 1970er Jahren, in denen Leverkusener Söhne ihre Väter töteten.

Ein 16-Jähriger erschoss seinen Vater

„Im April 1973 erschoss ein 16-Jähriger seinen Vater, der gerade von der Arbeit gekommen war, mit dessen eigener Waffe“, erinnerte sich „Leichen-Erwin“ an das Geschehen im ersten Fall, der sich in der Von-Siebold-Straße in Opladen zugetragen hatte. Der Mann habe seinen Sohn nachweislich bereits vor der Geburt gehasst und ihn seit seinem zweiten Lebensjahr aus den geringsten Anlässen verprügelt. „Bis es zu der Tat kam, die uns ins Spiel brachte, hatte der Junge schon ein jahrelanges Martyrium hinter sich“, schreibt Prahl.

„Zwei Schüsse beendeten eine Familientragödie“, titelte am Samstag, 7. April, der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und schrieb von einem „sehr gespannten Verhältnis“ zwischen Vater und Sohn. Der Vater, nach Informationen der Zeitung Chemotechniker bei Bayer, Sportschütze und Besitzer eines ganzen Arsenals an Waffen, soll seinen Sohn wegen seiner Kleidung und wegen seines Haarschnitts ständig kritisiert haben, heißt es in dem Bericht, der zwei Tage nach der Tat erschien. Am Tag vor der Tat habe der Vater dem Sohn noch gedroht, er werde ihm den Kopf kahl schneiden, wenn der Junge nicht selber zum Friseur gehe.

Drei Jahrzehnte nach den Ermittlungen

Den Tathergang beschreibt „Leichen-Erwin“ Prahl drei Jahrzehnte nach den Ermittlungen in seinen Erinnerungen: „Der Junge wartete am Tattag auf seinen Vater, ließ ihn im Haus unbemerkt an sich vorbeigehen, schloss die Augen und erschoss seinen Vater hinterrücks mit einem Kleinkaliber-Revolver“.

Auch das Gericht erkannte die Schwere des lebenslangen Martyriums des jungen Täters an und verurteilte ihn zu vier Jahren Jugendstrafe. In Prahls Text lässt sich viel Mitgefühl für den Jungen erkennen: „Die Tatortarbeit war für uns nicht anders als bei anderen Tötungsdelikten; die Motivation für die Tat verbarg jedoch viel menschliches Leid in der Seele des jungen Täters.“

Freispruch nach Tod an Karfreitag

Einen Freispruch für den Täter gab es in einem anderen, völlig unterschiedlich gelagerten Fall, der sich ein Jahr später, Karfreitag 1974, zutrug. An diesem Tag erschlug ein 26 Jahre alter Mann seinen Adoptivvater im Schlaf.

„Eine grausige Bluttat überschattete das Osterfest in Hitdorf“, schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Tat in der Flurstraße. Die Zeitung wusste zum damaligen Zeitpunkt selbstredend weniger über die Hintergründe der Tat als „Leichen-Erwin“ nach intensiven Ermittlungen und schrieb von Spannungen zwischen Adoptivsohn und -vater, die sich „im Lauf der letzten Jahre angehäuft“ hätten und die nun „in dem jungen Mann eine Reaktion auslösten und ihn zur Eisenstange greifen ließen“.

Dabei waren, wie Prahl zu Protokoll gab, die Spannungen recht einseitig. Das Opfer sei ein liebevoller Vater gewesen, „der sich für den Jungen regelrecht aufgeopfert hatte“, schreibt „Leichen-Erwin“.

Mit zwei Jahren aus dem Haus geholt

Das Kind wurde mit zwei Jahren aus einem Heim geholt, adoptiert und konnte zu diesem Zeitpunkt weder stehen, sitzen sprechen noch essen. Die Adoptiveltern mühten sich redlich, dem Kind Liebe, Verständnis und ein Zuhause zu geben,“ steht in Prahls Memoiren.

Den Plan, den Vater zu töten, habe der in seiner Kindheit schwer geschädigte Junge bereits im Alter von 17 Jahren gehegt. „In seiner Vernehmung schilderte der junge Mann sein Tun völlig emotionslos und sprach wieder und wieder von einem Gefühl der Erleichterung und Befreiung“, schreibt Prahl.

Doch das Gericht sah den Angeklagten als schuldlos an. Zuvor hatten mehrere Gutachter unabhängig voneinander schwere psychische Störungen des Angeklagten bezeugt. Prahl: „Übereinstimmend sprachen sie von einer psycho-pathologischen Persönlichkeit mit stark neurotischen Zügen. Sie waren sich einig in der Tatsache, dass der Angeklagte durch seine Kindheit seelisch und geistig schwer gestört und für das, was er getan hatte, nicht verantwortlich sei.“

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Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ schrieb in den Tagen nach der Tat: „In der Nachbarschaft galt der Täter als ruhiger und besonnener Mann.“ Der Mann wurde freigesprochen, das Gericht ordnete die Unterbringung in einer Psychiatrie an. Fünf Jahre später, schreibt Prahl, sei dessen Akte noch einmal auf seinem Schreibtisch gelandet: „Der junge Mann hatte beantragt, seine Mutter in ihrem Hause besuchen zu dürfen.“