Leverkusener Outdoorexperte„Für ein sauberes Shirt bekomme ich hundert Stück bei Kik“

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Jürgen Bödeker in seinem Outdoorgeschäft

  • Fliegen die Leute mittlerweile weniger? Hat Fridays for Future Spuren hinterlassen?
  • Jürgen Bödeker, Betreiber des „Einfach weg“-Ladens in Wiesdorf über junge Käufer, warum man nicht online bei ihm bestellen kann und und warum Leverkusen ein schwieriges Pflaster ist.

Leverkusen – Jürgen Bödeker ist von den Dingen, die er verkauft, überzeugt. Sogar an Heiligabend trägt der 58-Jährige sein Trekkingshirt und Outdoorjacke. „Das passt zu mir“, findet er. Der gebürtige Opladener sitzt in seinem kleinen Büro, in seinem „Einfach-Weg“-Laden am Friedrich-Ebert-Platz warten Funktionsjacken, Trekkingrucksäcke und Sonnenbrillen auf Wander- und Reisefreunde. Haben die Debatte um den Klimawandel und die Entwicklungen bei Fridays for Future Spuren im Einkaufsverhalten der Menschen hinterlassen?

Es gibt den neuen berüchtigten Begriff der „Flugscham“: Verzichten junge Leute mittlerweile eher auf eine lange Flugreise? Wirkt Fridays for Future?

Junge Leute, die bei uns vorbeikommen, reisen vor allem für „Work & Travel“. Und dann ist natürlich die Devise: Je weiter weg, desto besser. Australien und Neuseeland sind sehr sehr beliebt: Das ist die weiteste Strecke, die man überhaupt von Leverkusen entfernt sein kann. Es geht eben darum, andere Kulturen kennenzulernen und dann wird dann auch im Verhältnis gesagt: Ich flieg einmal 20 000 Kilometer im Jahr und nicht wie alle anderen, die für ein Wochenende nach Mallorca runterfliegen. Grundsätzlich kann ich nicht feststellen, dass da etwas weniger geworden ist.

Wer kommt sonst noch in Ihren Laden?

Alle Menschen, die gerne rausgehen. Sobald die Tür aufgeht, fangen wir an. In unserem alten Laden hatten wir viel mehr mit Extremreisenden zu tun, das haben wir hier überhaupt nicht mehr. Das Einkaufsverhalten hat sich auch komplett geändert – durch das Internet. Die Leute drücken auf ein Knöpfchen und sagen: »Amazon, schick uns bitte.« Dementsprechend sehen auch die Innenstädte aus. Mittlerweile gibt es nur noch ganz wenig inhabergeführte Geschäfte. Wir müssen da viel kämpfen. Früher hatten wir auch eine andere Ausstattung, mit Zelten, Isomatten und Kochern – das funktioniert nicht mehr. Das funktioniert entweder nur in ganz billig oder extrem teuer.

Was kaufen die Leverkusener denn am liebsten?

Wanderschuhe, vernünftiges Schuhwerk! Bei uns gehen die einkaufen, die jeden Tag draußen sind. Und das sind vor allem Leute mit Vierbeinern. Jeder zweite Kunde ist mit Hund unterwegs. Das ist eine Runde, die regelmäßig wiederkommt, weil sie es auch im Gegensatz zu denen, die einmal im Jahr für 14 Tage nach Österreich fahren, täglich benötigen. Schuhe sind Verschleißteile: Da unsere Kundschaft und wir auf Nachhaltigkeit schauen, haben wir natürlich auch Hersteller im Angebot, bei denen man das wieder aufarbeiten lassen kann. Das ist für uns wichtig. Die Leute fragen da auch ganz konsequent danach.

Auch junge Menschen?

Mittlerweile kommt langsam, aber sicher etwas Junges nach, damit meine ich Menschen unter 35, da ging früher die Zielgruppe überhaupt erst los. Die suchen im Internet nach fair gehandelten, sauberen und reparierbaren Sachen und kommen darüber zu uns. Andererseits: Ein sauberes T-Shirt liegt bei uns um die 25 bis 30 Euro. Dafür bekomme ich ja Hundert Stück bei Kik. Ich habe auch Mädels zu Hause und natürlich wollten die auch öfter was Neues haben, das ist ganz normal. Die Kiddies wollen es ja auch günstig haben, wenn sie es selbst kaufen müssen, wenn Mutter oder Vater nicht mehr zahlen. Und dann kriegen sie einen Herzkasper, wenn sie sehen, dass eine Jacke 300, 400, 500 Euro kosten kann. Das ist ein Haufen Kohle. Dafür kann man sich 20 andere Jacken kaufen. Ich kann das nachvollziehen.

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Zieht das Thema Nachhaltigkeit dennoch vor allem Jüngere an?

Nein, das geht bis ins hohe Alter. Wir haben hier Schuhe mit Lederherkunftsnachweis, wo man theoretisch bis zur Kuh nachvollziehen kann, von der das Leder stammt. Auch auf die Firma Vaude stoßen viele Leute, die sich zum Thema Nachhaltigkeit schlau machen. Das ist die nachhaltigste Firma Deutschlands, die im Übrigen fast jeder falsch ausspricht. Das sind die Initialen des Gründers, Albrecht von Dewitz.

Warum kann man bei Ihnen Sachen nicht online kaufen?

Wir machen kein Online, wir sind ein stationärer Handel. Was soll ich denn einen Menschen in München glücklich machen? Der einzige Grund, warum er etwas in Leverkusen kaufen würde, wäre, weil ich der billigste bin. Und ich kann niemals der Billigste sein. Hier in Leverkusen wohnen 160 000 Menschen, da sollten wir glücklich mit werden. Mehr brauche ich nicht. Ich muss nicht zusätzlich die halbe Welt ansprechen. Unser Einzugsgebiet geht von hier aus nach Monheim, Leichlingen, Witzhelden, Langenfeld, nach Burscheid hoch, bis nach Bergisch Gladbach. Auch wenn Leverkusen beim Thema Preis ein schwieriges, ein sehr preisbewusstes Pflaster ist. Das Niveau ist in den vergangenen Jahren gesunken, die Durchschnittspreise waren früher erheblich höher als heute. Das betrifft aber die ganze Branche. Früher haben wir auch Kinderschuhe angeboten, aber hier in Leverkusen ist es ein Problem, jemandem Schuhe für 80, 90 Euro verkaufen zu wollen. Das Niveau ist hier ganz stark gesunken. Es fragen immer noch paar Leute nach Kinderschuhe, aber wenn die dann die Preise sehen... Das hat nichts mit Deichmann zu tun. Das ist eben so.

Sie waren früher auch mit einem „Jack Wolfskin“-Geschäft in der Rathaus-Galerie vertreten. Kamen zu wenig Kunden?

Das war eine Insolvenz. Wir sind nicht da rausgegangen, weil wir es doof fanden, sondern, weil es nicht mehr funktioniert hat, mit dieser Firma zusammenzuarbeiten. Als Franchise-Nehmer kann man nur machen, was einem der Franchise-Geber anbietet. Es hatte früher funktioniert, nur: Wenn eine Firma ein Wachstum von 20, 30 Prozent generieren will, ist das in normalen Läden nicht möglich, also sind sie in jeden Jeansladen gegangen, um den Investoren Genüge zu tragen. Und irgendwann geht es nicht mehr. Früher war es etwas Exklusives, eine Jacke von Jack Wolfskin zu tragen, die Zeiten sind vorbei. 

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