Leiter nennt ProblemeWarum das Leverkusener Stadtarchiv noch kaum digitalisiert ist

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Das Stadtarchiv in Opladen steht vor der Mammutaufgabe, Archivalien zu digitalisieren.

Das Stadtarchiv in Opladen steht vor der Mammutaufgabe, Archivalien zu digitalisieren.

Leverkusen – Rund zweieinhalb Kilometer Archivgut und etwa neun Kilometer weitere Materialien verwahrt das Leverkusener Stadtarchiv. Digitalisiert wurde davon bislang kaum etwas. Nur auf Anfrage werden einzelne Bestände eingescannt. „Digitalisierung ist einfacher gesagt als getan. Es ist ein komplexer Prozess, der uns vor organisatorische, technische und rechtliche Anforderungen stellt“, erklärte Dr. Julius Leonhard, Leiter des städtischen Archivs.

Über die Probleme bei der Digitalisierung von Archivalien referierte er am Mittwochabend in der Villa Römer in Opladen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Stadtkultur in Leverkusen“.

Dr. Julius Leonhard

Dr. Julius Leonhard

Die Vorteile von computerisierten Dateiformaten sind eindeutig: schonender Umgang und überregionale Zugänglichkeit der Bestände. Denn Gefahren für das Original lauern überall – es könnte bei der Nutzung oder beim Markieren reißen, kaputtgehen oder falsch eingeräumt werden.

Spezielle Geräte

Fehlende Gerätschaften und Personal erschweren die Arbeit – es braucht zur Erstellung der Digitalformate verschiedene technische Apparaturen, je nach Beschaffenheit der Gegenstände. Für Bücher eignen sich Aufsichtsscanner oder eine Vorrichtung namens „Grazer Buchtisch“ für besonders empfindliche Bücher: Sie liegen nicht auf und schonen somit unter anderem den Buchrücken. Flachbettscanner, wie sie viele auch zu Hause haben werden genutzt für Dokumente und Fotoabzüge. Bei 3D-Objekten ist die Digitalkamera das Mittel der Wahl.

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Es gibt Massen an Archivalien, wo fängt man da an? Will man priorisieren, seien wichtige Faktoren die Nutzung und Bestandserhaltung. Der Leiter des Stadtarchivs berichtete von Versuchen anderer Archivare, das Auswahlverfahren anhand eines Punktesystems zu systematisieren. Kriterien waren der Erhaltungszustand, die Häufigkeit der Nutzung, die überregionale und historische Relevanz, der Informationsgehalt und das Forschungsinteresse. Das Fazit der Archivare war, dass das Verfahren bei sehr großen Beständen eine Orientierung liefere. Kleineren Archiven wird jedoch empfohlen, eine eigene Strategie zu entwickeln, da das Forschungsinteresse und die Möglichkeiten stark variieren.

Original vernichten? Auf keinen Fall

Es gibt darüber hinaus Stimmen, die meinen, man solle die Originale nach der Digitalisierung vernichten, um Kosten und Platz zu sparen. Dagegen wehre sich laut Julius Leonhard aber jeder Historiker, da es ihre Pflicht sei, die Originale zu überliefern. Nicht nur der Inhalt, auch die Materialität sei schließlich entscheidend für die Forschung und den Erkenntnisgewinn.

Blick ins Fotoarchiv: Digitalisierung sei mehr als nur Einscannen, mahnte der Leiter des Stadtarchivs.

Blick ins Fotoarchiv: Digitalisierung sei mehr als nur Einscannen, mahnte der Leiter des Stadtarchivs.

Ein entscheidender Faktor ist auch die Rechtslage. Förderstellen, die Projekte zur Digitalisierung unterstützen, fordern meist die Veröffentlichung des Materials. Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte von Menschen, die nicht als Personen der Zeitgeschichte gelten, müssen dabei beachtet werden. Bedenken kommen auch mit Blick auf den Jugendschutz auf, beispielsweise bei der Veröffentlichung von unkommentierten nationalsozialistischen Dokumenten. „Unterschätzt wird häufig der Zeitaufwand, den die Qualitätssicherung in Anspruch nimmt“, betonte Leonhard. Er schätzte, dass das Prüfen der elektronischen Dateiformate rund 40 Prozent des Prozesses einnimmt.

Der Archivleiter resümierte:„Digitalisierung ist mehr als das reine Einscannen der Dokumente.“ Der Historiker könnte sich vorstellen, das zukünftig als Reaktion auf das „E-Government-Gesetz“ zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen eine gemeinsame Digitalisierungsstelle mit der Stadtverwaltung eingerichtet werden könnte.

Die Veranstaltungsreihe, an der sich 14 kulturschaffende Institutionen anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Stadt beteiligt haben, endet am 27. Februar mit einem Abschlusskonzert des Kammerorchesters in der Bielertkirche.

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