„Du musst Humor haben.“ Heinz-Peter Tellers Rezept gegen Grenzerfahrungen, wie sie viele Leverkusener zuletzt hatten.
Copyright: Ralf Krieger
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Leverkusen – Ostern. Auf dem inneren Kirchenkalender von Heinz-Peter Teller ist das noch lange hin. Es ist Mittwoch vor dem großen Fest, das Christen Hoffnung spendet. Nach dem Tod an Karfreitag die Auferstehung. „Wer hätte sich das vorstellen können?“ Für den Geistlichen, der grundsätzlich nicht in dem Verdacht steht, zur übermäßigen Vergeistigung zu neigen, ist diese Botschaft dennoch „das Wichtigste: Hoffnung ist immer da.“
Wird er das auch am Nachmittag sagen können, wenn es ins Klinikum geht, für eine Krankensalbung? Der Stadtdechant hat Bereitschaft; das bedeutet Seelsorge auf Abruf. Da ist jemand todgeweiht, er muss Trost zusprechen. Der alten Frau, ihrer Tochter. Es wird ihm wohl gelingen.
1998 kam er nach Opladen
Seit 2013 ist Heinz-Peter Teller auch Domkapitular in Köln. Sechs Jahre zuvor wurde der Priester Stadtdechant. Vor 23 Jahren wurde der ehemalige Euskirchener Jugendseelsorger Priester in der Gemeinde Sankt Remigius in Opladen. Studiert hat der heute 57 Jahre alte Bergheimer in Bonn und Trier. (tk)
Der plötzliche Auftrag erinnert Teller an die letzten Wochen seiner Mutter, die schwer krank auf den Tod wartete. Heiter meist, mit Humor. Wie sie zwar eine Feuerbestattung wollte und in die Urnenwand auf dem heimischen Friedhof. Aber bitte nicht unten, sondern weit oben. Damit sie frei atmen, etwas sehen kann. Für sie war ganz klar: „Wir treffen uns wieder.“
Viele fühlen sich existenziell bedroht
Den Sohn tröstet das durchaus. Es bestärkt ihn in seiner Überzeugung. Die er wiederum als Priester anderen Menschen mitgeben kann und will. Das, sagt Teller, sei im Moment tatsächlich wichtiger geworden: Das Gefühl, in ihrer Existenz bedroht zu sein, habe bei vielen zugenommen. Die Pandemie, die Juli-Flut in Opladen und Schlebusch, die Explosion in Bürrig mit sieben Toten und vielen Verletzten nicht mal zwei Wochen später. Nun der als nahe empfundene Krieg. „Insgesamt ist die Verunsicherung größer geworden.“ Eine unmittelbare Bedrohung zu erleben wie beim Hochwasser, das sei für diese Generation „ein neuer Lernprozess“. Auch, weil es langsam an Zeitzeugen des Weltkriegs fehle, weil Bedrohung nicht mehr in einer Relation stehe zu Erlebtem.
Deshalb ist ihm die Bemerkung einer alten Opladenerin in den Tagen nach dem Wupper-Hochwasser in Erinnerung geblieben, als tagelang der Strom abgestellt war. Sie habe sich an den Krieg erinnert: „Das haben wir alles schon mal erlebt.“ Das werde schon wieder. „Die war da viel gelassener.“ Das habe auch andere Betroffene aufgebaut.
Hilfsbereitschaft, die tröstet
Und auch, wenn die Folgen der Flut für viele noch längst nicht behoben sind. Teller hat aus der Katastrophe auch etwas Tröstliches mitgenommen: dass ganz viele schnell angepackt und geholfen haben. „Am Ende hat es gepasst.“
Und nun der Krieg. Dass der Angriff auf die Ukraine manchen, der durch die Pandemie zermürbt ist, besonders trifft, hat der Seelsorger wohl bemerkt. „Das drückt auf die Seele. Und zwar unabhängig vom Alter.“ Aber bei allem Entsetzen und aller Betroffenheit: „Wir haben immer irgendwo Krieg. Dass es vorher friedlich war – das ist ein Trugschluss.“ Der begründet werde durch die Aufmerksamkeitsökonomie, die andere brennende Themen in den Hintergrund dränge: „Wer spricht noch von den Frauen in Afghanistan?“ Wer betrachtet das Elend auf dem afrikanischen Kontinent? „Das interessiert keinen.“ Dass es jetzt jeden Abend um 19 Uhr Friedensgebete in der ganzen Stadt gibt für die Ukraine – „alles gut. Aber eigentlich müssten wir das immer machen.“