Missbrauch in Leverkusen„Ich bin der Schuldige. Ich schäme mich so für meine Taten”

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Stefanie M. (links) im Gespräch mit der Autorin, die den Prozess im Jahr 2020 begleitete. Die Tochter von Roland W. möchte anonym bleiben.

Stefanie M. (links) im Gespräch mit der Autorin, die den Prozess im Jahr 2020 begleitete. Die Tochter von Roland W. möchte anonym bleiben.

Leverkusen – Die Opfer waren zwischen zehn und 13 Jahre alt. Die meisten sind traumatisiert und mittlerweile in psychiatrischer Behandlung. Ein Mädchen ritzt sich, ein anderes hat Alpträume, in denen Männer in ihr Zimmer eindringen, vor dem Bett stehen, sie bedrohen und bedrängen.

Es ist erschütternd, was am Freitag vor dem Kölner Landgericht offenbar wird. Mit drei, vier, fünf Jahren Abstand zu den Taten, für die ein heute 65 Jahre alter Steinbücheler Ende 2020 schon einmal zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Sein damaliger Verteidiger legte Revision ein, der Bundesgerichtshof fand Fehler in der Berechnung der Strafen und in der juristischen Bewertung des Geständnisses durch die 2. Große Strafkammer. Elf Monate nach dem Urteil wurde klar, dass die 42 Fälle sexuellen Missbrauchs an fünf jungen Mädchen noch einmal aufgerollt werden müssen.

„Ich schäme mich so für meine Taten”

Damit wurde nun begonnen, natürlich von einer anderen Kammer. An seinem Geständnis hält Roland W. bis heute fest. Ebenso wie an seinem persönlichen Urteil über seine Taten: „Ich bin der Schuldige, da gibt es kein Vertun. Ich schäme mich so für meine Taten.”

Der Mann, der von seinen Nachbarn in Steinbüchel als nett, freundlich und hilfsbereit beschrieben wurde, hat sich offenkundig Mädchen ausgesucht, die intelligenzgemindert oder auf andere Weise weitgehend schutzlos waren. Heranwachsende, deren Vertrauen er missbrauchte, sie sexuell ausbeutete. In seiner Wohnung, im Keller, im Auto, in einem nahen Gebüsch, in seinem Gartenhaus. Zwei frühere Nachbarsmädchen missbrauchte er nach ihrem Wegzug in deren Wohnung in Alkenrath.

Dabei war er zum zweiten Mal verheiratet, für seine Frau lief die Ehe ganz normal, sie ahnte offenkundig nicht, was ihr Mann anstellte, während sie arbeitete. Roland W., der irgendwann beruflich den Boden unter den Füßen verloren hatte und sich nur noch um die Familie kümmerte, hatte Zeit. Dass der Sohn einer Marokkanerin und eines deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs sich „nutzlos” und als „Versager” fühlte, weil er nichts mehr zum Lebensunterhalt der fünfköpfigen Familie beitrug, hat er ebenfalls zu Protokoll gegeben.

Die erste Anzeige blieb folgenlos

Doch es dauerte sehr lange, bis man dem Sextäter auf die Spur kam: Eine Anzeige seines ersten Opfers im Juli 2017 blieb folgenlos. Die Aussage der intelligenzgeminderten, damals 13 Jahre alten Schulfreundin seiner jüngsten Tochter erschien den Ermittlern nicht plausibel: Es gab Widersprüche, es blieben Zweifel. Das Ergebnis: eine Gefährder-Ansprache, während Roland W. ungerührt weitermachte.

Das sollte noch bis September 2019 so weitergehen. Erst eine zweite Anzeige bot genügend Anhaltspunkte. So fanden die Ermittler im Keller des Steinbücheler Wohnblocks den von einem Opfer erwähnten, großen Umzugskarton für Kleidungsstücke. Dort hinein mussten mehrere Mädchen, um den davor Stehenden oral zu befriedigen. Im Januar 2020 schließlich wurde W. festgenommen. Zu dieser Zeit waren erst drei Opfer bekannt. Dass es weitere Mädchen gab, fanden die Richter erst im Verlauf des Prozesses heraus, der im November 2020 begann.

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Ist er krank, oder speziell: Ist er pädophil? Dafür hat der psychiatrische Gutachter Friedrich Krull keine Anhaltspunkte. Der Mann, der sich als sexuell aktiv beschrieb und viele Partnerinnen hatte, es mit ehelicher Treue zumindest in seiner ersten Verbindung nicht genau nahm und auch nach dem Umzug nach Steinbüchel an Frauen aus der Nachbarschaft durchaus interessiert war, habe allenfalls darunter gelitten, dass es weniger Sex gab mit seiner Frau. Eine Frage des Alters, aber auch der Belastung: Schließlich musste sie das ganze Einkommen erwirtschaften.

Fraglich blieb am Freitag, ob der Angeklagte wirklich so reuig ist wie vor den Richtern dargestellt. Briefe aus dem Gefängnis an seine Familie lassen Zweifel aufkommen. Wie die 20. Große Strafkammer das bewertet, wird sich am Dienstag zeigen. 

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