ProzessRoma-Party endet schrecklich – Leverkusener fährt in Menschengruppe

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Angeklagter Roma aus Opladen mit Verteidigern vor dem Landgericht Düsseldorf. Er versteckt sich hinter einem roten Aktendeckel.

Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Stephanie Ablass (r.) und Ardian Shabani vor dem Düsseldorfer Landgericht

Von der Tat vorigen Herbst gibt es ein Video: In einer Novembernacht fährt ein Auto in eine Menschenmenge. Am Steuer: offenbar ein Familienvater aus Opladen.

Es sollte eine feine Party werden, vorigen November, mit Gesangsstars aus der Roma-Szene. Am Ende stand eine Katastrophe, bei der viele Menschen verletzt wurden, als sie nachts auf dem Vogelsanger Weg in Düsseldorf standen: Ein Auto steuerte plötzlich in die Menge. Am Steuer: ein 38 Jahre alter Opladener mit serbischen Wurzeln.

Seit Mittwoch wird ihm vor dem Düsseldorfer Landgericht der Prozess gemacht. Wegen versuchten Totschlags in neun, gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.   

Die Schilderungen der Tat sind ungenau

Schnell zeigt sich: Es gibt zwar ein Video von dem furchtbaren Geschehen. Zwei Nachbarn der Halle – sie liegt in einem Gewerbegebiet nördlich der Düsseldorfer Innenstadt – haben es aufgenommen und kommentieren die Bilder immer wieder fassungslos: „Digger, der hat grad' die Leute überfahren!“ Man hört schreckliche Schreie und sieht ein Auto, das nicht besonders schnell, aber gezielt in die Menge fährt.

Digger, der hat grad' die Leute überfahren!
Zeuge, der die Tat gefilmt hat

Trotzdem hat Rainer Drees mit seiner 1. Großen Strafkammer erkennbar eine große Aufgabe vor sich. Nicht nur, weil der Beschuldigte bisher nur zu seinem Lebenslauf Angaben macht, zu dem dramatischen Geschehen aber schweigt. Sondern auch, weil die ersten Schilderungen der Nacht zum 5. November zwar ausführlich und farbenfroh ausfallen. Aber nicht besonders exakt. 

Den Anfang macht der Bruder des Beschuldigten. Er ist mit weiteren Familienangehörigen an jenem Novemberabend Richtung Düsseldorf aufgebrochen. Mit zwei Autos waren sie unterwegs, wollten sich auf der Roma-Party einen schönen Abend machen. Durchaus nicht ohne Alkohol.

Auf der Toilette habe es kurz nach Mitternacht eine erste unschöne Begegnung mit einem Mann gegeben. Der Bruder beschreibt ihn als „füllig“, mit Bart und Glatzkopf. Als Richter Drees ihm ein Foto zeigt, erkennt der Zeuge den zudem reich tätowierten Mann sofort wieder. Es sei um Religion gegangen – eine echte körperliche Auseinandersetzung habe es noch nicht gegeben.

Aber der Fremde habe ihm Angst eingeflößt, beschreibt es der Bruder. Umso mehr, als er von einem großen Mann begleitet wurde – wohl ein Pole, während der Glatzkopf möglicherweise aus der Türkei stammte. 

„Alter, willst du dich schlagen?“

Eine Stunde später sei es schon heftiger geworden, so der Bruder. Er sei von dem Glatzkopf massiv bedroht worden, habe sich aber noch irgendwie aus der Affäre ziehen können. Gegen 3 Uhr sei der unheimliche und extrem aggressiv wirkende Typ ein drittes Mal auf ihn zugekommen. „Alter, willst Du Dich schlagen“, habe er ihn daher gefragt. Er wollte.

Es sei zu einem Handgemenge gekommen, an dem auch sein zwei Jahre älterer Bruder, also der Beschuldigte, beteiligt gewesen sei. Der sei zu Boden gegangen.

Daraufhin habe er selbst die Flucht ergriffen, schildert der Zeuge. Auf einem Parkplatz nebenan habe er sich im Gebüsch versteckt, irgendwann „vier Schüsse gehört und Geschrei“. Seine Versuche, den Bruder zu erreichen, seien gescheitert: Handy aus, weil Akku leer.

Daraufhin habe er irgendwo geklingelt, sei schließlich eingelassen worden und habe die Polizei alarmieren können. Die Beamten seien recht schnell dagewesen, einer habe ihn nur halb beruhigen können: Der Bruder sei wohlauf. Aber „er hat was Schlimmes gemacht“. 

Zuhörerin fällt in Ohnmacht

Der Zeuge schildert die Nacht tief bewegt. Das Geschehen gehe ihm auch heute – knapp fünf Monate später – jede Nacht im Kopf herum: „Ich habe ein Trauma“, sagt er. Die Befragung gehe ihm auch nah. Der Bruder ist nicht der Einzige: Eine Angehörige der Familie erleidet im Zuschauerraum einen Ohnmachtsanfall, Richter Drees lässt den Saal räumen, Sanitäter kümmern sich um die Frau.

Auch der älteste Sohn hat offensichtlich an der Düsseldorfer Nacht zu knabbern. Der 20-Jährige war näher dran an seinem Vater. Er beschreibt, wie der Glatzkopf und der Pole ihn gemeinsam attackiert hätten. Dann habe er noch gesehen, wie der Aggressor sich eine Stange zurechtgebogen habe und Autos beschädigte im Vogelsanger Weg. Über die Auto-Attacke mit dem Ford Galaxy seines Vaters aber sagt der Sprössling nichts. Auch die Massenschlägerei, die dem neunfachen versuchten Totschlag vorangegangen sein soll, ist noch kein Thema. 

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