Brutaler Angriff auf Bayer-AnhängerAngeklagter Fan wird in Handschellen vorgefahren

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Überfall Bayerfans Gaststätte

Besucher der Gaststätte an der Wilhelmstraße wurden kurz vor Weihnachten Opfer eines brutalen Angriffs.

Leverkusen – Der Fahndungserfolg zerbröselt vor Gericht immer mehr. Im Prozess um elf Fans von Fortuna Düsseldorf, die kurz vor Weihnachten 2018 trunken von drei Siegen in Folge spätabends in Leverkusen abbogen, um im damaligen „Victory“ Fans von Bayer 04 zu verprügeln, kommt die Klärung nicht voran. Die Aktenlage ist desaströs, die fünf Angeklagten fahren bisher bestens mit ihrer Prozesstaktik, genau gar nichts zu sagen.

Das erwies sich erneut am Mittwoch. Der Verhandlungstag war erst mit reichlich eineinhalb Stunden in Gang gekommen. Einer der Angeklagten fehlte – ein „Polizeitaxi“ brachte den Mann aus Bilk schließlich nach Opladen. „Ich hatte einen total anderen Termin im Kalender“, lautete seine Entschuldigung. Das war aber auch die einzige Einlassung des jungen Mannes. Das Wort hatten neben Richter Dietmar Adam zunächst Polizisten – und die Anwälte: Die mühten sich nach Kräften, von den vielen fehlenden Angaben in den Akten und den nach fast drei Jahren vorhandenen Erinnerungslücken der Polizei zu profitieren.

Konzertierte Aktion aus Opladen und Wiesdorf

Der Einsatz an jenem 22. Dezember 2018 kurz vor Mitternacht war aufwendig und hatte viele Beteiligte. Die beiden Dienstgruppenleiter der Schichten aus Wiesdorf und Opladen sollten berichten, was geschehen war. Einigermaßen weit kam das Gericht mit der Aussage des damaligen DGL in der Opladener Wache. Dominik Ruten hatte einen der beiden Miet-Vitos auf dem Europaring gestoppt.

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Er saß allein im Auto, als die Details zur Lage vor dem „Victory“ über den Funk gingen: Die beiden dunklen Vans mit den Leuten, die überfallartig in der Wilhelmstraße aufgetaucht waren, laut Anklage mehrere Gäste der Kneipe mit Faustschlägen und einen Flüchtenden, der zu Boden gegangen war, mit Fußtritten traktiert, außerdem eine Flasche in die Menge geworfen hatten, sahen die Polizisten nur noch von hinten.

Ohne Licht bei Rot Richtung Autobahn

Er habe sich gedacht, dass die Flüchtenden sich wohl über die Robert-Koch- und Robert-Blum-Straße in Richtung Autobahn bewegen würden, sagte Ruten. Das wäre seine Chance: Er befand sich auf der parallelen Kölner Straße. Tatsächlich kreuzten zwei Vans an der Einmündung der Robert-Blum-Straße seinen Weg. Er hatte Grün, also hatten die Vans Rot, Licht hatten sie auch nicht an. Der Polizist war sich sehr sicher, dass er es mit den Aggressoren aus dem „Victory“ zu tun hatte. Und es gelang ihm, den zweiten der beiden Vans mit einem Stopplicht auf dem Europaring zum Anhalten zu bewegen.

Der andere Wagen sei von den Wiesdorfer Kollegen angehalten worden, die den Vans entgegen kamen. Ein weiterer Polizeiwagen hätte sich an der übernächsten Kreuzung, also an der Karl-Ulitzka-Straße, sicherheitshalber quer vor das Auto gesetzt. Die Insassen seien sehr ruhig gewesen und durchaus kooperativ, als es zum Beispiel um einen Alkohol- und einen Drogentest des Fahrers ging. Darüber sei er froh gewesen, so Ruten. Ebenso darüber, dass die Verdächtigen nicht Gas gegeben und geflohen seien. Sein erster Eindruck: „Die waren außer Atem.“

Quarz-Handschuhe unter den Sitzen

Das passte zu den Erkenntnissen der Kollegen, die vor dem „Victory“ die Leute befragt hatten. Dort kursierte auch die Erklärung für den Angriff: Die Fortuna-Fans hätten sich mit Anhängern von Bayer 04 prügeln wollen. Weil solche Schlägereien durchaus nicht spontan passieren, sondern im Vorhinein von den Gegnern verabredet werden, nahmen die Polizisten den Insassen beider Vans die Handys ab. Dann gab es da noch zwei Paar „Quarz-Handschuhe“, einen Gebiss-Schutz und einen verdächtigen Rucksack.

Weil sie gefürchtet hätten, dass sich ein Trupp Bayer-04-Fans zu Fuß an die Verfolgung der Vans gemacht hatte, um das Versäumte nachzuholen, habe man entschieden, die Düsseldorfer ins Kölner Polizeipräsidium zu verfrachten, sagten Ruten und sein Wiesdorfer Kollege übereinstimmend aus. Dort sollten sie zudem erkennungsdienstlich behandelt werden.

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Das aber scheint nicht passiert zu sein. Zumindest geben die Akten dazu nichts her. Auch die gefährlichen „Quarz-Handschuhe“ tauchten nicht mehr als solche in den Aufzeichnungen der Polizei auf. Sondern nur als „schwarze Lederhandschuhe, Marke Roeckl“.

Das alles ist höchst unbefriedigend, jedenfalls aus Sicht der Staatsanwaltschaft. Ob eine größere Anzahl Zeugen mit ihren Aussagen das Blatt noch wenden kann, ist fraglich.

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