Lokführer mit Dienstwagen gelocktWerbekampagne von Abellio NRW führt zu Aufregung

Lesezeit 3 Minuten
Abellio Symbolbild

Abellio NRW betreibt seit 2018 den RRX.

  • Die Eisenbahn-Unternehmen in NRW suchen händeringend nach Lokführern mit Berufserfahrung.
  • Nun sorgt die Werbekampagne von RRX-Betreiber Abellio Rail NRW für großen Ärger.
  • Das Unternehmen bietet Lokführern monatlich 1000 Euro über Tarif und einen Dienstwagen an.
  • Die Konkurrenz und Verkehrsminister Hendrik Wüst zeigen sich verärgert.

Düsseldorf – 1000 Euro im Monat über Tarif plus Firmenwagen, der auch privat genutzt werden darf. In Nordrhein-Westfalen werden Lokführer mit Berufserfahrung händeringend gesucht. Besonders schwierig ist die Lage derzeit für Abellio Rail NRW.

Das Nahverkehrsunternehmen hat in der Vergangenheit sehr viele Ausschreibungen für Zuglinien gewonnen, darunter die S-Bahn Rhein-Ruhr und den Rhein-Ruhr-Express (RRX) zwischen Aachen und Hamm, kann den Betrieb aus Personalmangel aber allein nicht stemmen. Vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr hat Abellio in Sachen S-Bahn schon eine Abmahnung kassiert. Im September müsse das volle Angebot gefahren werden – sonst drohen Sanktionen. Beim RRX hilft die bei der Ausschreibung der Strecken unterlegene DB Regio noch bis Dezember 2020 mit Personal aus, danach muss Abellio den Fahrplan mit eigenen Leute einhalten.

Abellio: Hinter den Kulissen hat es mächtig gekracht

Das Lockvogel-Angebot von Abellio wird von den Konkurrenten sehr kritisch gesehen. Hinter den Kulissen hat es mächtig gekracht, ist es doch gerade ein gutes Jahr her, dass sich zehn Eisenbahn-Unternehmen, der Nahverkehr Rheinland (NVR), der VRR und der Nahverkehr Westfalen (NWL) auf sanftes Drängen des Verkehrsministeriums unter dem Motto „Gemeinsam gegen Lokführermangel“ verpflichtet haben, sich das Personal nicht gegenseitig abzuwerben.

Das Zweckbündnis unter dem Titel „Fokus Bahn“ sollte in einem ersten Schritt verhindern, dass Quereinsteiger, deren Ausbildung bis zu 60.000 Euro kostet und zehn Monate dauert, gerade die ersten Züge gefahren haben und abgeworben werden. Die Branche verpflichtete sich im Februar 2019 freiwillig, bei einem Arbeitgeberwechsel die Ausbildungskosten zu erstatten.

Das sagt Abellio zu den Vorwürfen

„Wir haben in keinster Weise gegen Vereinbarungen verstoßen“, sagt eine Sprecherin von Abellio auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit der Werbekampagne suche man nicht nach Quereinsteigern, die nur sehr eingeschränkt auf bestimmten Strecken eingesetzt werden können, sondern den klassischen Lokführer mit dreijähriger Ausbildung und Berufserfahrung, der jederzeit flexibel überall in NRW eingesetzt werden könne. „Deshalb stellen wir auch den Firmenwagen“, so die Sprecherin.

Das könnte Sie auch interessieren:

Für Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) ist die Lage schwierig. Er darf und will sich nicht in den Wettbewerb der Bahn-Unternehmen einmischen, muss das volle Angebot aber garantieren, weil ohne S-Bahnen und Regionalzüge die Verkehrswende im bevölkerungsreichsten Bundesland nicht zu schaffen ist. „Nur gemeinsam können alle Akteure einen stabilen Nahverkehr für die Fahrgäste sichern“, sagt Wüst.

Im Regionalverkehr werden 1700 Lokführer benötigt

Zumal sich der Personalmangel bis 2025 verschärfen wird. Laut „Fokus Bahn“ werden im Regionalverkehr in den kommenden knapp fünf Jahren 1700 Lokführer gebraucht, weil bis dahin 40 Prozent aus Altersgründen ausscheiden. In diesem Jahr sollen zwar 500 Nachwuchskräfte ausgebildet werden, von denen 400 bereits begonnen haben. Die Abbruch- und Durchfallquote bei den Prüfungen liegt je nach Kurs aber zwischen 30 und 60 Prozent. Von 100 Bewerbern scheitern 90 bereits an den Eignungstests und den Prüfungen auf Bahntauglichkeit.

Die Corona-Pandemie hat die Krise zusätzlich verschärft. Seit dem Lockdown Mitte März gab es über Wochen keine Ausbildung mehr. „Bei uns fehlen allein dadurch 30 neue Lokführer“, sagt die Abellio-Sprecherin. „Hinzu kommen Eigenkündigungen von Mitarbeitern in der Probezeit und ein kurzfristig entstandener hoher Krankenstand.“ Inzwischen könne man wieder ausbilden, aber auch nur unter hohen Schutzauflagen. Ein Problem, das auch die anderen Eisenbahnunternehmen trifft.

KStA abonnieren