„Der Aufwand ist kaum zu stemmen“Corona-Teststellen in Wipperfürth sind verärgert

Lesezeit 4 Minuten
Die Mitarbeiterin einer Teststation nimmt einen Abstrich.

Die Mitarbeiterin einer Teststation nimmt einen Abstrich.

Wipperfürth – Freitagvormittag auf der Unteren Straße. Seit 10 Uhr ist das Medicare-Testzentrum geöffnet. Um 10.15 Uhr hat sich eine längere Warteschlange gebildet – nur langsam geht es voran. Seit dem 30. Juni gilt eine vom Bund beschlossene Neuregelung, wonach die Corona-Bürgertests in vielen Fällen nicht mehr kostenlos sind. Wer bezahlen muss und wer nicht, – und wenn ja, wie viel – das sorgt für viel Diskussions- und Beratungsbedarf. Auch darum sind die Wartezeiten länger als sonst.

Warteschlange vor dem Testzentrum

„Ich besuche jede Woche meine Mutter im Seniorenheim“, berichtet Gertrud Raffelsieper. Ohne Negativ-Test würde man sie nicht hineinlassen. Raffelsieper gehört damit zum Personenkreis, der sich weiterhin kostenlos testen lassen kann. Aber sie braucht einen Nachweis.

Viele müssen für Test jetzt bezahlen

Kostenlos bleiben die Bürgertests für Kinder bis fünf Jahre, für Schwangere in den ersten drei Monaten, für Besucher von Krankenhäusern und Seniorenheimen. Auch Angehörige von Infizierten, Bewohner von Einrichtungen der Eingliederungshilfe und alle, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, dürfen sich weiterhin kostenlos testen lassen.

3 Euro pro Test werden fällig, wenn jemand eine Familienfeier oder ein Konzer oder eine anderen Veranstaltung drinnen besuchen will. Das gilt auch bei roter Corona-Warnapp oder vor privaten Treffen mit Menschen ab 60 oder mit Vorerkrankung. Bei Konzerten kann eine Karte als Nachweis dienen – wie man aber eine Familienfeier oder ein privates Treffen mit der Oma belegen soll, bleibt offen. Vorgesehen ist eine Selbstauskunft.

Selbst bezahlen müssen den Test alle anderen Personen. Etwa nach einem positiven Schnelltest. Die Kosten variieren je nach Anbieter. Medicare etwa verlangt 9,95 Euro, bei der Alten Drahtzieherei waren es 15 Euro. Wer Corona-Symptome hat, solle sich beim Arzt testen lassen, so das Bundesgesundheitsministerium. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben jedoch angekündigt, dass sie Bürgertestungen „zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können.“

Ilona Stadtkowitz geht dreimal pro Woche in ein Seniorenheim, sie hat sich von der Einrichtung eine Bescheinigung ausstellen lassen. „Theoretisch könnte man sich auch im Heim testen lassen, aber die Zeiten, zu denen das dort geht, sind ein Problem“, so ihre Erfahrung.

„Na super“, meint Rebecca Heine, die gerade erfahren hat, dass sie selbst zahlen soll. „Ich hatte heute Morgen einen positiven Schnelltest“, nun will sie Gewissheit haben. Dafür wird der volle Betrag fällig, Medicare verlangt aktuell 9,95 Euro. Wer dagegen auf seiner Corona-Warn-App eine rote Begegnung verzeichnet, zahlt nur drei Euro, ebenso wie Besucher von Veranstaltungen in Innenräumen und alle die Kontakt mit Menschen haben, die ein hohes Risiko haben, zu erkranken.

Yvonne Klee-Nass ist Geschäftsführerin des Medicare-Testzentrums Wipperfürth. „Ich habe Verständnis für die Neuregelung. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass es bei einigen großen Testzentren Abrechnungsbetrug im großen Stil gegeben habe. „Aber für uns als kleine Einrichtung ist der zusätzliche Aufwand, der durch mehr Beratung und zusätzliche Formulare entsteht, kaum zu stemmen.“ Sie selbst habe Mittwochnacht um 1 Uhr erfahren, welche Regelung ab Donnerstag, 30. Juni, gelten soll.

„Der Bedarf nach Tests ist weiterhin groß, die Zahl der Anbieter sinkt“, berichtet sie. „Wir hatten im Juni täglich rund 100 Tests.“ Medicare bietet auch PCR-Tests an, allerdings nur von 16 bis 19 Uhr. „Das ist lästig für die Kunden, weil sie dann mehrfach kommen müssen, aber wir bekommen das vom Personalaufwand anders nicht gestemmt“, erklärt Klee-Nass.

Alte Drahtzieherei hat Teststation geschlossen

Nach eineinhalb Jahren hat die Alte Drahtzieherei in Wipperfürth zum 1. Juli das dortige Testzentrum geschlossen. Sophie Weiß, Assistentin der Geschäftsführung, erklärt die Gründe. „Wir kehren als Veranstaltungszentrum langsam wieder zu einer ,Normalität’ zurück, der Aufwand mit dem Testzentrum angesichts der neuen Regelungen ist zu groß.“ Deshalb werde man erst mal pausieren, komme aber eventuell wieder zurück, falls sich die Corona-Lage wieder verschärfe. „Traurig ist das vor allem für unsere Kunden, die uns eineinhalb Jahre die Treue gehalten haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch Sophie Weiß beklagt, dass vieles schlecht geregelt sei. „Wenn jemand kommt und einen Test für drei Euro haben möchte, weil er seine Oma besuchen will – wie soll ich diese Angaben kontrollieren?“ Auch der Abrechnungsaufwand sei immens.

KStA abonnieren