Ingenieurbüro Graner und PartnerGespür für den guten Ton im Saal

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Brigitte Graner und Bernd Graner-Sommer in ihrem Vorführraum: Die Stühle sind stilechte Konzertstühle.

Brigitte Graner und Bernd Graner-Sommer in ihrem Vorführraum: Die Stühle sind stilechte Konzertstühle.

Bergisch Gladbach – Wenn Brigitte Graner und Bernd Graner-Sommer in Urlaub fahren, besichtigen sie nicht die schönsten Strände, Berge oder Museen. Nein, sie besuchen mit Vorliebe Konzertsäle. Eine Berufskrankheit gewissermaßen, denn das Ehepaar hat schon selbst beim Bau von Konzertsälen weltweit seine Finger mit im Spiel gehabt. Oder besser gesagt: seine Ohren. Aber während die Architekten großer Bauwerke meist bekannt sind, weiß kaum ein Klassikfan, wer eigentlich für den guten Klang in den Konzertsälen verantwortlich ist.

Wer für die Akustik in der 1986 fertiggestellten, bei internationalen Orchestern renommierten Kölner Philharmonie gesorgt hat, weiß Brigitte Graner ziemlich genau: Es war ihr Vater, und sie hat mitgeholfen. Heinz Graner gründete seine Bergisch Gladbacher Firma für Raumakustik und Schallschutz 1955. Heute heißt das Ingenieurbüro Graner und Partner und wird von der Tochter und ihrem Mann weitergeführt.

Zwei große Hunde begrüßen den Gast bellend in dem Unternehmen, das idyllisch in dem kleinen Gladbacher Lichtweg liegt. Von hier aus tüfteln die studierte Architektin und der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Graner-Sommer mit ihren Mitarbeitern am perfekten Klang. Sie planen aber nicht nur Konzerthäuser, sondern haben auch im Brandenburger Landtag schon für die richtige Akustik gesorgt. „Das Problem ist oft, dass die Architekten schöne Entwürfe machen, ohne sich um die Akustik zu kümmern“, erklärt Graner-Sommer. Dann entstehen zum Beispiel Glaskonstruktionen, die fürchterlich hallen. Im Idealfall muss die Gladbacher Firma das Kind nicht erst aus dem Brunnen holen, durch das Einziehen von Wänden zum Beispiel, sondern darf schon bei den Planungen mitreden und -planen.

Die Gladbacher Firma wird aber auch häufig von Gerichten beauftragt: Wenn etwa ein Eigentümer klagt, weil er in seiner frisch bezogenen Luxuswohnung den Nachbarn in der Badewanne planschen hört, rücken die Mitarbeiter mit mobilen Geräten aus und messen in der Wohnung nach, ob beim Bauen die gesetzlich vorgesehen Schallschutzbestimmungen eingehalten worden sind. Danach stehen sie als Sachverständige vor dem Richter. Oder sie untersuchen Tontechnikanlagen, von denen sich der Auftraggeber einen besseren Klang versprochen hatte.

Die größte Leidenschaft des Ehepaars aber gilt Konzertsälen. Einer ihrer größten Coups ist die Akustik im neuen Dortmunder Konzerthaus. Die besondere Herausforderung bei Konzertsälen im 21. Jahrhundert: „Sie sollen nicht nur bei Konzerten mit viel Publikum gut klingen, sondern auch bei Aufnahmen, wenn der Saal leer ist“, erklärt Graner.

Die Lösung des Ingenieurbüros für die Dortmunder Konzerthalle: Auf die Rückseite der Stühle wurden Löcher in ganz bestimmten Abständen gebohrt, die den Schall schlucken, wenn die Stühle hochgeklappt und damit leer sind.

Eine der größten Herausforderungen sei es, eine gute Akustik in Multifunktionshallen wie der Kölner Lanxess-Arena herzustellen. „Die eierlegende Wollmilchsau“ nennt Graner-Sommer eine solche Halle, in der Eishockey-Spiele, Konzerte und Lesungen möglichst gleichermaßen gut zu verstehen sein sollten.

Er macht keinen Hehl daraus, dass er den Klang in der Lanxess-Arena suboptimal findet.

Welches für sie der schönste Konzertsaal der Welt ist? Graner muss lachen. „Der Wiener Musikvereinssaal ist toll“, sagt sie. Aber den könne man nicht nachbauen. „Heute gibt es ganz andere Anforderungen an Stuhlbreiten.“ Grundsätzlich gelte: „Die großen Orchester gehen nur in Räume, wo sie gut verstanden werden“, sagt sie. Kleinere Orchester hätten manchmal eine schlechte Akustik im Saal sogar gern: „Da geht ein falsch gespielter Ton auch mal unter.“

Häufiger wird das Ehepaar auf die Skateboarder über der Philharmonie angesprochen, deren laute Rollgeräusche bei klassischen Konzerten so sehr stören, dass der Platz über dem Saal abgesperrt werden muss. Mittlerweile sei gutachterlich geklärt, berichtet Graner, dass ihre Firma dafür nicht belangt werden könne.

Beinahe wäre die Gladbacher Firma auch in den Bau der Hamburger Elbphilharmonie involviert gewesen. Graner beriet damals Baufirma Strabag, die gegen die Firma Hochtief im Rennen war. Heute – etliche Jahre, viel Bauverzögerung und Knatsch in Hamburg später – ist Graner „heilfroh“, dass die Strabag ihr Angebot damals in letzter Sekunde zurückzog.

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