Zuhause67 Menschen feiern ihre Einbürgerung in Bergisch Gladbach

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Hintereinander stehen die Gäste sowie Vertreter von Stadtverwaltung und Integrationsrat in Viererreihen.

Zur ersten Einbürgerungsfeier in Bergisch Gladbach sind 30 neue Bürgerinnen und Bürger, darunter drei Familien, ins Historische Rathaus gekommen.

Zum ersten Mal sind Neubürgerinnen und Neubürger bei einer Feier im Rathaus empfangen worden.

67 Menschen sind in Bergisch Gladbach zwischen Januar und März offiziell zu Deutschen geworden. Zum ersten Mal haben Integrationsrat und Bürgermeister Neubürgerinnen und Neubürger sowie ihre Angehörigen bei einer Einbürgerungsfeier im Historischen Rathaus empfangen. Sie kommen aus allen Teilen der Erde und erzählen ergreifende und berührende Geschichten auf dem Weg zum deutschen Pass. Wie wichtig Durchhaltevermögen und Fleiß sind, weiß Radmila Plazibat. Aus Kroatien stammend, hat sie drei Kinder groß gezogen: „Es ist nicht einfach. Aber, wenn man will, geht alles“, sagt die 70-Jährige, als sie die Willkommensurkunde entgegennimmt.

30 Bergisch Gladbacher mit Migrationshintergrund, darunter drei Familien, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, sind der Einladung der Stadt Bergisch Gladbach gefolgt, um ihre Aufnahme in unsere Gesellschaft zu feiern. Die Eingeladenen stammen aus 24 Nationen – aus anderen EU-Staaten, aus Nord- und Südamerika, aus Asien und Afrika, auch viele Kriegsflüchtlinge sind darunter. Die jüngste ist gerade zwei, der älteste 72 Jahre alt.

Bürgermeister Frank Stein sendet eine Videobotschaft

„Es geht um viel mehr als um eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Menschen brauchen eine Heimat, einen ruhenden Pol, in einer Welt, die sich ständig verändert.“ Mit diesen Worten empfängt Anna Maria Scheerer, erste stellvertretende Bürgermeisterin, am Freitagabend ihre Gäste im historischen Ratssaal – eine Willkommensgeste und symbolischer Akt auf Initiative des Integrationsrates. „Ich glaube an die Menschen in der Stadt. Ich glaube auch an Sie“, spricht Scheerer ihre Gäste direkt an. „Wir gehören alle zusammen.“

Bürgermeister Frank Stein, bei der Zeremonie verhindert aufgrund einer Reise in die englische Partnerstadt Runnymede, meldet sich trotzdem zu Wort. „Wir profitieren sehr davon, dass Sie bei uns leben“, bedankt er sich bei seinen Gästen per Videobotschaft.

Die Kinder stehen in zwei Reihen hintereinander. Die Musiklehrerin sitzt auf einem Stuhl davor, mit einem Notenständer.

Der Kinderchor der Max-Bruch-Musikschule brachte musikalischen Glanz in den historischen Ratsaal in Bergisch Gladbach.

Feierlicher geht es kaum. Das politische Tagesgeschäft tritt zurück. Der historische Saal im Rathaus, Amtssitz des Bürgermeisters, erstrahlt in einem ungewohnten Glanz, als der Kinderchor der Max-Bruch-Musikschule seinen großen Auftritt hat. Alle im Saal stehen auf, als die Mädchen und Jungen die deutsche Nationalhymne anstimmen. Die Kinder betonen gesanglich ganz besonders die Zeile „Blüh im Glanze“ und begleiten sie mit breit ausgebreiteten Armen.

Eine anrührende Geste, die für Lockerheit sorgt, die allermeisten zum Mitsingen motiviert und dazu noch eine Anspielung auf das Willkommensgeschenk darstellt. Statt der nüchternen Übergabe des Grundgesetz-Textes hat sich der Integrationsrat nämlich dazu entschlossen, den Neubürgern Tütchen mit Samen von Wildblumen sowie ein Glas Honig zu überreichen, zur Verfügung gestellt vom Bensberger Imker Markus Bollen.

Integrationsrat wünscht sich eine Beteiligung in politischen Gremien

„Es ist ein ganz besonderer Tag“, sagt Redouan Tollih, Vorsitzender des Integrationsrates, „jetzt gehören Sie ganz offiziell zu unserer Gesellschaft. Das kann Ihnen keiner mehr nehmen.“ Er ermutigt alle im Saal, sich politisch zu beteiligen. Dabei denkt er nicht nur an die bevorstehende Europawahl, sondern an ein aktives Engagement in politischen Gremien wie dem Stadtrat und vor allem dem Integrationsrat.

Viele lassen sich von ihren Freunden oder Angehörigen fotografieren, als sie einzeln nach vorne treten, um die Willkommens-Urkunden entgegenzunehmen – ein Zeichen dafür, dass dieser Augenblick ihnen sehr viel bedeutet. Das hätte sich Helen Kobner auch gewünscht: „Als ich 2021 meine Einbürgerungsurkunde bei der Kreisverwaltung abgeholt habe, stand ich ganz alleine in dem Büro. Mir kamen die Tränen“, sagt die Schweizerin.

Seit 28 Jahren lebt sie verheiratet in Bergisch Gladbach. Ihr Antrieb, einen deutschen Pass zu bekommen: „Ich möchte bei der Europawahl eine demokratische Partei wählen“, sagt sie. Stellvertretend für alle, die in den vielen Jahren zuvor ohne Zeremonie eingebürgert worden sind, erhält sie unter lautem Applaus ebenfalls eine Urkunde von der Stadt Bergisch Gladbach.

Rund 300 Einbürgerungen pro Jahr in Bergisch Gladbach

Die formalrechtliche Aushändigung der Einbürgerungsurkunde findet weiterhin beim Rheinisch-Bergischen Kreis statt. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen der Einbürgerungen in Bergisch Gladbach konstant geblieben. Es waren immer so um die 300 Personen pro Jahr.

„Die Feier ist ein längst überfälliges Zeichens des Respekts und der Anerkennung“, findet Bibi Opiela, Mitglied im Integrationsrat und seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv. „Wir benötigen die Stimme der Menschen und möchten sie ermutigen, uns ihre Geschichte zu erzählen“, sagt sie, um zu erkennen, wo gibt es Schwierigkeiten und was kann man besser machen. Gespräche seien ein Schlüssel zur Integration. Das Buffet im Rathaus bietet dafür eine gute Gelegenheit.


„Ich habe um meinen Platz hier gekämpft“

Viktoria Fusinski (32) ist 2018 aus Kiew in der Ukraine nach Deutschland gekommen – vor dem Krieg und der Liebe wegen. „Mein Mann Denis und ich haben uns über unsere Eltern kennengelernt“, erzählt sie und muss darüber immer noch schmunzeln. Beide Eltern haben sich zufällig bei einem Urlaub an der Ostsee in Polen gelernt und waren der Meinung, ihre beiden Kindern würden gut zueinander passen. Dabei hatten sie das richtige Gespür.

Porträtfoto der blondhaarigen Frau mit rotem Pullover.

Viktoria Fusinski kam 2018 vor dem Krieg wegen der Liebe nach Bergisch Gladbach.

Über E-Mail und Telefon tauschten sich Viktoria und Denis aus – damals noch auf Englisch, berichtet die studierte Übersetzerin. Es folgten gemeinsame Besuche in Kiew und in Meschede im Sauerland, wo Denis damals wohnte, bis sich beide entschieden, in Bergisch Gladbach zusammenzuziehen. Als Hauswirtschaftshilfe fand Viktoria eine Anstellung im Altenheim Carpe Diem. „Das war eine wunderschöne Zeit“, erinnert sich Viktoria, die anschließend eine Ausbildung als medizinische Fachangestellte absolvierte und festangestellt ist.

„Ich habe um meinen Platz hier gekämpft“, sagt Viktoria. Ihre Heimat trage sie immer in ihrem Herzen: „Ich habe jetzt zwei Zuhause“, betont sie. Die Feier im Rathaus betrachte sie als Anlass, sich bei allen zu bedanken, die ihr geholfen hätten. (ub)


„Für mich war es am Anfang ganz schwer“

Nesrin Zoro (28) stammt aus dem Irak und ist 2016 mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Die beiden Mädchen waren ganz alleine unterwegs, berichtet Nasrin. „Unsere Eltern haben uns losgeschickt, damit wir in Sicherheit sind“, erzählt sie. Nesrin erinnert sich und erzählt nicht gerne von der Flucht teils zu Fuß, teils mit Lastwagen über die Türkei, bis sie 2018 in Süddeutschland angekommen seien.

Ihre Eltern seien 2021 nachgekommen, die Familie sei in Overath untergekommen und jetzt in Bergisch Gladbach. „Für mich und für uns alle in der Familie war am Anfang alles ganz schwer“, erzählt Nasrin. Alle in der Familie seien sehr dankbar, dass sie sich in Deutschland ein Zuhause hätten aufbauen dürfen. Im ersten Lehrjahr habe sie eine Ausbildung als Arzthelferin begonnen. Ein Beruf, der ihr sehr viel Spaß mache.

Sie sei dankbar, einen deutschen Pass zu besitzen und damit in Freiheit leben zu können. Eine Rückkehr in ihr Heimatland Irak sei unvorstellbar. „Wir dürfen gar nicht zurück, sonst müssten wir Gewalt befürchten.“ Deshalb sei es ihr sehr leicht gefallen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Auch deshalb, weil Frauen in ihrer alten Heimat nicht viele Freiheiten hätten. (ub)


„Ich war der einzige Ausländer in der Firma“

Athanasios Katirtzis ist mit 72 Jahren der älteste Teilnehmer an der Einbürgerungsfeier und gleichzeitig derjenige, der schon seit 56 Jahren in Bergisch Gladbach lebt. Als Gastarbeiterkind kam er 1968 aus Thessaloniki im Norden Griechenlands hier an. Als 16-Jähriger hatte er bereits eine Ausbildung als Elektromonteur. „Aber ich fand keine Stelle“, erinnert er sich.

Porträtfoto des Mannes, der eine Brille trägt.

Athanasios Katirtzis aus Griechenland wartete 56 Jahre, bis er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragte.

Dann habe ein Freund seines Vaters ihn bei Siemens in Köln untergebracht. „Ich war damals der einzige Ausländer in der Firma. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt Katirtzis. 1969 habe er in einem Oldtimer-Club in Bergisch Gladbach seine Frau Renate kennengelernt. Als er 1971 von der Militärdiktatur in Griechenland für zwei Jahre zur Armee einberufen wurde, musste er seine Frau mit dem gerade geborenen Sohn alleine zurücklassen.

„Eine sehr schlimme Zeit“, sagt Katirtzis. Nach 46 Jahren bei Siemens sei er in Rente gegangen. „Heute habe ich zwei super Söhne und Schwiegertöchter, fünf Enkelkinder und einen riesigen Freundeskreis.“ Aber kein Grieche sei dabei. Um den Einbürgerungstest mit 310 Fragen zu bestehen, habe er wochenlang mit seinen Enkeln gepaukt. Einen festen Bestandteil des Familienlebens bilde die griechische Küche. (ub)

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