GeflüchteteUnterbringung in Turnhallen ist in Bergisch Gladbach kein Tabu mehr

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Das Foto zeigt die Turnhalle in Sand, in der vor ein paar Jahren Geflüchtete untergebracht waren

In der Turnhalle in Sand hatte die Stadt in der Vergangenheit bereits Geflüchtete untergebracht

Falls sich die Unterbringung geflüchteter Menschen zuspitzt, könnten in Bergisch Gladbach auch Turnhallen genutzt werden.

 Bislang galt bei der Unterbringung der Geflüchteten in der Stadt eine Linie: nicht in den städtischen Turnhallen. Doch der Druck der Unterbringung wird stärker und die Stadt gerät zunehmend an ihre Grenzen.

Im Sozialausschuss am Donnerstagabend berichtete der Beigeordnete Ragnar Migenda (Grüne) zur künftigen Situation: „Turnhallen sind nicht mehr ausgeschlossen.“ Nicht momentan, aber später vielleicht. Das ist eine Wende um 180 Grad im Sozialbereich.

In der Zukunft könne es so sein, dass die Stadt keine andere Möglichkeit mehr habe, führte Migenda aus. Er kommuniziere dies offen und ehrlich gegen über den Sozialpolitikern und der Öffentlichkeit. Angesichts der Kriege weltweit könne die Stadt schon sehr bald mit dieser Frage konfrontiert werden. „Ich hoffe, dass es uns allen erspart bleibt.“

Migenda sprach von „Plan E oder F“, falls Turnhallen genutzt werden müssten. Es sei sein persönliches Anliegen und auch das von Bürgermeister Frank Stein (SPD), dass die Sportstätten der Öffentlichkeit erhalten blieben.

Niemand wisse aber, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickele. Schul- und Vereinssport wären bei einer Belegung mit Geflüchteten nicht mehr möglich, Angebote müssten verlagert werden.

Mit Bussen müssten wohl Schulkinder zu ihrem Sportunterricht gefahren werden, falls kein Sportplatz in der Nähe vorhanden ist. Zahlen zur Entwicklung hatte der Beigeordnete auch zur Hand. Die Stadt erwarte bis Jahresende rund 500 Menschen neu in der Stadt, auch wegen der Belegungsquoten des Landes, die die Stadt erfüllen müsse.

Die Situation ergänzte er mit aktuellen Zahlen: Derzeit gebe es im Stadtgebiet 1466 Plätze, davon seien 1261 belegt; von diesen kämen 424 aus der Ukraine. Mit einzelnen neu angemieteten Wohnungen gelinge die Unterbringung dieser großen Zahl an Geflüchteten nicht.

Aktuell schaue sich die Verwaltung um, was auf städtischen Liegenschaften möglich sei, alles werde unter die Lupe genommen. Die interne Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Konkreter wurde der Beigeordnete nicht, vielleicht auch um Unruhe in der Umgebung der Standorte zu vermeiden.

Die Zahl der Geflüchteten in der EU sei weiter hoch, höher auch als in den Jahren 2015/16. „Davon kommen die meisten nach Deutschland. Danach Italien und Frankreich. Aber in Summe liegen die Zahlen dieser Länder unter der von Deutschland.“

In den umliegenden Orten wird zunehmend auf Wohnmodule auf eigenen oder angepachteten Grundstücken gesetzt; diese Module können schnell bestellt, geliefert und errichtet werden. Damit konnten die Kommunen bislang eine Belegung der Turnhallen vermeiden.

Eine ähnliche Vorgehensweise wäre in der Kreisstadt denkbar. Bis 2018 hatte die Stadt auch Leichtbauhallen auf dem Aschenplatz in Katterbach stehen, mit rund 400 Plätzen, anfangs als Erstaufnahme des Landes und mit Nutzung einer Turnhalle. Diesen Standort hatte die Stadt nach dem Umzug der Bewohner ins Carparkgelände Lückerath geschlossen.

Der Sportplatz in Katterbach wird derzeit umgebaut. Bei der Standortsuche, sagte Migenda, seien einige Kriterien zu beachten. Die soziale Anbindung sei das Wichtigste. Eine Unterbringung in den Außengebieten der Stadt mache keinen Sinn. „Da fehlt die soziale Kontrolle.“

Anderseits müsse es eine faire Verteilung der Menschen im Stadtgebiet geben. Beispielhaft nannte Migenda Heidkamp. In diesem Stadtteil gebe es zahlreiche Unterkünfte für geflüchtete Menschen, Heidkamp wolle er daher ausschließen. Dass es Konflikte mit jenen Geflüchteten, die schon länger in Bergisch Gladbach wohnen, gibt, sprach Migenda offen gegenüber den Sozialpolitikern an. Konkret geht es um die Unterkunft an der Jakobstraße, mit 100 Plätzen, sie liegt sehr zentral zur Gladbacher Innenstadt.

Aber der Standort wird von der Stadt aufgegeben, der Bau einer Sofort-Kita habe an dieser Stelle Priorität, führte der Beigeordnete aus. Mitte März sollen die Bewohner der Jakobstraße umziehen. Die Nähe zum Bahnhof und zur Fußgängerzone seien allerdings beliebt, die Zugewanderten wollten lieber in diesen Unterkünften wohnen bleiben. Zur Situation pflichtete ihm die Dezernenten Sabine Hellwig bei.

Für die Mitarbeitenden sei dies eine herausfordernde Situation, Hellwig deutete an, dass es deshalb Versetzungen in andere Bereiche gegeben habe. Grundsätzlich bleibe die Stadt bei der Betreuung der Unterkünfte bei ihrer Linie, mit dem Deutschen Roten Kreuz zu kooperieren.

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