Nach Tod von Mahsa AminiBergheimer demonstrieren gegen „Sittenpolizei“ im Iran

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Demo Bergheim

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung gegen die „Sittenpolizei“ im Iran ziehen durch Bergheim.

Bergheim – Zugegeben: In Bergheim zu demonstrieren ist gefahrlos – im Vergleich zu Teheran, Isfahan oder anderen iranischen Städten. Das schmälert aber nicht die Ernsthaftigkeit des Anliegens der Veranstalter: Jusos, Julis, Grüne Jugend und Linksjugend (‘solid) Rhein-Erftkreis hatten zu einer Demonstration in der Bergheimer Fußgängerzone aufgerufen.

Was war passiert? Am 16. September 2022 wurde die kurdischstämmige Iranerin Mahsa Amini (22) im Polizeigewahrsam in Teheran mutmaßlich schwer misshandelt; sie starb kurz nach ihrer Festnahme in einem Teheraner Krankenhaus. Der Tod der jungen Frau rief erbitterte Proteste im Iran hervor und führte zu internationalen Solidaritätskundgebungen. Was war ihr Vergehen? Nach Meinung der iranischen „Sittenpolizei“ habe sie sich nicht „angemessen“ gekleidet.

Rednerinnen üben Kritik an westlicher Regierung

Die Demonstration führte zunächst durch ein Wohngebiet südlich der Hauptstraße, dann durchs Aachener Tor über die Bergheimer Einkaufsmeile. Manche Passanten mögen sich gewundert haben über Sprechchöre wie: „Frauen – Leben – Freiheit!“, „Mord – Terror – Hinrichtung: islamische Regierung“. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man Frauen die Freiheit klaut!“ Interessant: „Frauen, die kämpfen sind Frauen, die leben!“ kam lautstark aus dunklen Männerkehlen – womöglich ein indirekter Hinweis darauf, dass die Frauenbewegung im Iran inzwischen zunehmend auch von Männern unterstützt wird.

Die Haltung der Bundesregierung zur iranischen Protestbewegung ist bislang eher defensiv: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von Sanktionen, die vielen Demonstranten aber zu vorsichtig ausfallen. Leila, eine der Rednerinnen auf der Kundgebung vor dem Medio, war zuletzt 2020 im Iran und erlebte die Unsicherheit der Menschen, vor allem der Frauen, die immer wieder willkürlichen Schikanen der Revolutionsgarden ausgesetzt seien. Sie beklagte, dass die westlichen Regierungen nur Mitleid und leere Worte äußerten. Man mache Geschäfte mit despotischen Mächten, die deutsche „feministische Außenpolitik“ seid eine Worthülse.

Berichte über getötete Mahsa Amini von Sprecherin

Halleh Bagherzadeh, Menschenrechtsaktivistin und Mitglied des Integrationsrates in Bergisch Gladbach, betonte, dass sie Zeugin der Gräueltaten im Iran sei: „Schulen werden zu Schlachthäusern und die Gänge in den Universitäten sind mit Blut verschmiert.“ Sie forderte die Ausrufung eines Welttages, an dem der Opfer des islamischen Terrors im Iran gedacht werden soll.

Nazo, Sprecherin der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Duisburg, wies darauf hin, dass der inzwischen weltweit gehörte Ruf „Frauen – Leben – Freiheit!“ aus der kurdischen Frauenbewegung stammt. Sie berichtete, dass sich die Eltern der ermordeten Mahsa Amini geweigert hatten, ihrer Tochter eine Herzerkrankung zu attestieren, an der sie gestorben sei – so hatte es das Regime von ihnen gefordert.

Polizei bedankt sich für vorbildliche Kundgebung

Die Polizei sprach von 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Demonstration. Die junge Union erklärte sich solidarisch mit den Zielen der Aktion, durfte aber wegen der Beschlusslage der Bundes-CDU – keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei – nicht mitgehen. Die Piraten waren nicht gefragt worden, teilen aber die Haltung der Veranstalter, so die Kerpener Piraten-Ratsfrau Alessa Flohe.

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Am Ende der Kundgebung gab es eine rührende Begebenheit: Die Polizei bedankte sich bei den Veranstaltern für ihre vorbildliche Haltung; diese revanchierten sich mit Dank für die Unterstützung der Polizei – besser kann man den Unterschied zwischen einer Gewaltherrschaft und einem Rechtsstaat nicht demonstrieren! 

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