Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

InterviewDas macht den Gymnicher Ritt für Organisationsleiter Joachim Axer so besonders

Lesezeit 5 Minuten
Zu sehen sind Reiter mit einer Flagge.

In diesem Jahr findet der Gymnicher Ritt zum 800. Mal statt. 

Organisationsleiter Joachim Axer spricht unter anderem über Herausforderungen und darüber, wie sich der Ritt über die Jahre verändert hat.

Der Gymnicher Ritt ist eine über die Region hinaus bekannte Reiter- und Fußprozession. In diesem Jahr findet das historische Fest an Christi Himmelfahrt (Donnerstag, 29. Mai) zum 800. Mal statt. Der erste Ritt soll 1225 stattgefunden haben. Joachim Axer ist Organisationsleiter des Gymnicher Ritts. Er sprach mit Eva-Maria Zumbé unter anderem über die Planung, Herausforderungen und darüber, wie sich der Ritt über die Jahre verändert hat.

Herr Axer, der Gymnicher Ritt findet in diesem Jahr zum 800. Mal statt – was macht die Reiterprozession so besonders, dass sie so lange Bestand hat?

Joachim Axer: Den Gymnicher Ritt macht der Mix aus historischen Fakten und Legende aus. Historischer Fakt ist, dass Ritter Arnold von Gymnich beim fünften Kreuzzug dabei war, das ist per Dokument belegt. Dazu kommt der entsprechende Teil der Legende. Dann macht den Ritt auch die Kombination aus Fuß- und Reiterprozession aus, die es nicht mehr so oft gibt. Mir bekannt ist diese Kombination in Deutschland gar nicht mehr, da gibt es nur noch reine Reiterprozessionen zum Beispiel in Süddeutschland. Wir haben bewährte Vorgehensweisen beibehalten und an die jeweilige Zeit angepasst. Zum Beispiel haben wir die Gebetsanliegen im Rosenkranz angepasst. Das ist nur eine Maßnahme, die dazu beiträgt, dass eben doch noch Pilger hier nach Gymnich kommen.

Zu diesem besonderen Anlass haben Sie ein einmonatiges Programm auf die Beine gestellt. Was sind aus organisatorischer Sicht die größten Herausforderungen bei der Vorbereitung?

Wir mussten uns Dinge überlegen, die in diesem Jahr besonders sind und nicht üblich, aber trotzdem zum Ritt passen. Für die Vorbereitung und Durchführung mussten wir ausreichend Helfer finden. Wir haben unmittelbar nach dem letzten Gymnicher Ritt angefangen, also vor fast einem Jahr. Ein großes Gremium aus verschiedenen Vereinen und Gruppen aus Gymnich hat zusammengesessen, um den diesjährigen Ritt zu planen.

Zu sehen ist ein Mann, der lächelt, vor einem Brunnen und einem Backsteingebäude.

Joachim Axer ist Organisationsleiter des Gymnicher Ritts.

Wie hat sich der Ritt im Laufe der Jahrhunderte verändert?

Inhaltlich kaum, es ist weiterhin eine Bitt- und Dankprozession. Die äußerliche Darstellung hat sich Anfang des letzten Jahrhunderts deutlich geändert durch die Arbeit von Vikar Joseph Weissenfeld, der den Ritt zum heute bekannten Bild geändert hat. Dazu gehört die Einführung der Zeremonie im Schloss, die Einführung der Reiterstandarten, die die Geschehnisse des fünften Kreuzzuges widerspiegeln, und die Einführung der Wappenschilder, die auf dem Rittplatz aufgestellt werden.

Die Wappen zeigen Orte, an denen ähnliche Prozessionen stattgefunden haben beziehungsweise stattfinden. Es hat sich im Laufe der Zeit ergeben, dass, wie heute auch, immer weniger Leute kamen. Das Ganze hat er gemacht, um den Ritt interessanter zu gestalten, damit nicht nur Pilger kommen, sondern auch Zuschauer. So ist es im Prinzip heute auch noch.

Wie gelingt es, eine so alte Tradition mit modernen Anforderungen wie zum Beispiel Sicherheitsauflagen oder Verkehrsregelungen in Einklang zu bringen?

Durch Zusammenarbeit. Wir arbeiten gemeinsamen mit Freiwilligen und Ehrenamtlichen hier im Ort. Alle Vereine, die dabei sein wollen, dürfen dabei sein. Es gibt aber auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit Verwaltung, Ordnungsamt, Feuerwehr, Polizei und Sanitätsdiensten. Es gibt in jedem Jahr eine Vorbesprechung und eine Nachbesprechung des Gymnicher Rittes. Alle, die teilnehmen, können sich da äußern.

Seit Corona gibt es auch eine separate Vorbesprechung mit der Stadt Erftstadt im Rathaus, bei der die hauptamtlichen Kräfte sich auch separat äußern. Das sind Ordnungsamt, Polizei und Feuerwehr, die für die generelle Sicherheit zuständig sind. Seit zwei Jahren ist auch das Kreisveterinäramt dabei.

Es gibt immer wieder neue Anforderungen. Ein Thema dieses Jahr waren die Anschläge, bei denen Autos in Menschenmengen gefahren sind. Es wird dieses Jahr auch eine Änderung diesbezüglich geben. Eine absolute Sicherheit können weder die Stadt noch wir garantieren. Wir sind gut aufgestellt. 

Der Gymnicher Ritt ist auch ein Ausdruck gelebten Glaubens. Welche Rolle spielt die religiöse Komponente heute noch?

Wir haben die Pilgermesse, die Reitermesse und um 10.45 Uhr eine Messe für alle mit dem Erzbischof. Joachim Kardinal Woelki laden wir als Erzbischof von Köln selbstverständlich ein. Erfreulicherweise hat er zugesagt.

Ursprung des Gymnicher Ritts ist das Dankversprechen Arnolds. Heute spielen mehr persönliche Schicksale der Pilger eine Rolle, bei denen sich die Pilger Hilfe vom Herrgott erhoffen, zum Beispiel bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder familiärer Situation. Das sind ganz persönliche Dinge, die im Gebet mitgetragen werden. 

Welche Programmhöhepunkte oder Besonderheiten haben Sie für das Jubiläumsjahr vorbereitet?

Wir bieten ein einmonatiges Programm seit Ende April an. Am 31. Mai findet zum Abschluss das Jubiläumsevent auf dem Rittplatz mit einem schönen Programm statt. Hauptsächlich sind Ortskräfte aus Erftstadt dabei, wie der Musikverein Friesheim, die „Jemenicher Flüh“ und ein ortsansässiger DJ. Ich denke, das wird ein schöner Abschluss werden.

Was erhoffen Sie sich für den diesjährigen Gymnicher Ritt?

Mir ist wichtig, dass nichts passiert und dass die Pilger, für die wir das letztendlich machen, zufrieden sind. Das reicht mir völlig aus. 

Und was wünschen Sie sich für die Zukunft des Gymnicher Ritts, insbesondere mit Blick auf die nächste Generation?

In der Hauptsache die Hoffnung, dass wir weiterhin ausreichend Helfer zur Durchführung des Ritts finden, dass wir weiterhin Pilger zu Fuß und zu Pferd finden, die die Gelegenheit nutzen, am Ritt teilzunehmen. Und dass wir tatsächlich junge Leute ermuntern können, sich in Glaubensfragen zu engagieren. Dass das geht, haben wir bei der Jugendwallfahrt in diesem Jahr gesehen. Wir müssen uns immer wieder was Neues einfallen lassen. 


Die Legende des Gymnicher Ritts

Historisch belegt ist laut Organisationsleiter Joachim Axer die Teilnahme von Ritter Arnold von Gymnich am fünften Kreuzzug (1217-1221). Beim Rückzug nach dem fehlgeschlagenen Angriff auf Kairo sei er im überfluteten Nil-Delta in einem Sumpf mit seinem Pferd stecken geblieben. „Er konnte sich nicht mehr selber befreien und bat Gott um Hilfe“, erläutert Axer weiter.

Er versprach, zu Ehren Gottes eine jährliche Prozession an Christi Himmelfahrt durch die Straßen von Gymnich abzuhalten. „Daraufhin flog ein Schilfhuhn auf – das ist der Teil der Legende – und hat das Pferd dermaßen erschreckt, dass es sich aus eigener Kraft doch noch auf festen Boden retten konnte.“ Axer: „Seit der Rückkehr Arnolds findet der Gymnicher Ritt hier statt.“ (eva)