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Jamaika gegen „vorschnelles Vorgehen“Das sind die Konsequenzen aus dem tödlichen Unfall in Hürth

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Berliner Kissen, eine Warnleuchte und Markierungen: Seit einem tödlichen Unfall in Leverkusen-Opladen, bei der eine Elfjährige ums Leben kam, hat sich innerhalb kurzer Zeit einiges getan am Kreisel Berliner Platz.

Berliner Kissen, eine Warnleuchte und Markierungen: Seit einem tödlichen Unfall in Leverkusen-Opladen, bei der eine Elfjährige ums Leben kam, hat sich innerhalb kurzer Zeit einiges getan am Kreisel Berliner Platz.

Fraktionen stimmten einem allgemein gefassten Papier  zu. Das Beispiel Leverkusen indes zeigt, wie schnell Politik und Verwaltung nach einem ähnlichen Fall reagiert haben.

Ende Januar war in Leverkusen-Opladen ein elfjähriges Mädchen auf seinem Schulweg in einem Kreisverkehr von einem Kleintransporter erfasst worden. Es überlebte nicht. Der Unfallfahrer war 25 Jahre alt. Schon wenige Tage danach wurden an den Fußgängerüberwegen unter anderem Blinklichter aufgestellt.

Innerhalb weniger Monate wurde der Bereich zu einer Tempo-30-Zone umgebaut. Außerdem wurden an den Ausfahrten des Kreisverkehrs Bodenwellen installiert. Im Mai wurde der Umbau, den Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) zur Chefsache erklärt hatte, abgeschlossen. Nie wieder soll an der Stelle ein Kind sterben.

Hürth: Verantwortliche beauftragt, nach Lösungen zu suchen

Vergleichsweise schnelle Antworten auf die von mehreren tausend Menschen geforderten Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit auf der Frechener Straße in Hürth wird es indes nicht geben. Dies wurde in der Sitzung des Kreistags in Bergheim deutlich.

Die Politikerinnen und Politiker verabschiedeten einstimmig einen Antrag der Jamaikakoalition, wonach der Landesbetrieb Straßen NRW, die Stadt Hürth sowie die Unfallkommission unter Koordination des Landrats nach Möglichkeiten suchen sollen, den Abschnitt der L72 „unter Maßgabe der Verkehrssicherheit zu verändern“.

Am 4. Juni war in Hürth ein Pkw in eine Schülergruppe und deren erwachsene Begleiter gefahren. Ein Kind und ein Erwachsener starben.

Am 4. Juni war in Hürth ein Pkw in eine Schülergruppe und deren erwachsene Begleiter gefahren. Ein Kind und ein Erwachsener starben.

Konkretere und weitreichendere Forderungen der SPD wurden darin nicht berücksichtigt, weil Landrat Frank Rock (CDU) und seine Behörde für die Landesstraße nicht verantwortlich seien. Dazu zählten unter anderem die Einführung von Tempo 30 (bisher 70) an der Unfallstelle vom 4. Juni, die kurzfristige Umsetzung der Ortseingangsschilder, um die Frechener Straße zu einer innerörtlichen Straße mit Tempo 50 zu machen, verengte Fahrbahnen oder bauliche Schritte zur Geschwindigkeitsdämpfung, zusätzliche Zebrastreifen und Mittelinseln sowie zusätzliche Hinweisschilder auf Schulwege und Gefahrenschwerpunkte.

Zudem hatte die SPD Tempokontrollen gefordert. Die hatte Rock gleichwohl schon zuvor veranlasst. Die Polizei blitzte an der Stelle, an der die zehnjährige Avin und der Schulbegleiter Luis (25) bei dem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Die Zahl der Verstöße sei unauffällig gewesen, geht aus einer Stellungnahme des Landrats hervor. Was das konkret bedeutet, sagte er nicht.

Nach Informationen dieser Redaktion fanden die Tempokontrollen am 24. Juni statt – 20 Tage nach dem Unfall. Darauf war an diesem Tag auch Avins Vater aufmerksam geworden. Er hatte bei einer Mahnwache für seine Tochter und den Schulbegleiter kritisiert, dass er dort niemals zuvor einen Blitzer gesehen habe. Die Antwort auf einer Anfrage dieser Redaktion, wann die Polizei vor dem 24. Juni zuletzt dort geblitzt hat, steht aus.

Mehr ist seit dem tragischen Unfall nicht geschehen, liegen noch keine Erkenntnisse aus einem Ortstermin verschiedener Behörden neun Tage danach vor. Aus demselben Landrat-Papier geht hervor, dass Ergebnisse einer Verkehrserfassung und eines Bestandaudits durch den Landesbetrieb Straßenbau für den Abschnitt von der Stadtgrenze Frechen/Hürth bis zur Einmündung der L 92 in die L103 noch nicht vorlägen. Ob und was die Stadt Hürth an der Unfallstelle plant, ist nicht bekannt. Politische Gremien tagen dort vor der Sommerpause nicht mehr.

Wir werden auch künftig besonnen, aber auch dort wo nötig, mit Entschlossenheit Politik zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger machen
Jamaikakoalition

Dessen ungeachtet zeigte sich auch die SPD-Fraktion zufrieden mit dem Beschluss. Sie dankte zudem Rock dafür, dass er bereits am 16. Juni zu einem ersten Vor-Ort-Termin eingeladen habe und die Kreisunfallkommission am 2. Juli habe tagen lassen. Deren Ergebnisse hätte Rock jedoch umgehend der Öffentlichkeit präsentieren müssen, kritisierte SPD-Fraktionschef Dierk Timm. Es sei bedauerlich, dass die Informationspolitik aus dem Kreishaus derart schleppend laufe.

Die SPD-Kreistagsfraktion hoffe daher, dass der Landrat die Notwendigkeit einer transparenten Kommunikation erkenne und die Öffentlichkeit künftig proaktiv über die umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit an der Frechener Straße informiere. Nur so könne Vertrauen aufgebaut und das Sicherheitsgefühl der Anwohnerinnen und Anwohner gestärkt werden, heißt es in einer Presseerklärung.

Etwa 500 Menschen nahmen Ende Juni Abschied von den beiden bei dem Unfall Getöteten. Sie verbanden damit auch die Forderung nach mehr Verkehrssicherheit auf den Straßen.

Etwa 500 Menschen nahmen Ende Juni Abschied von den beiden bei dem Unfall Getöteten. Sie verbanden damit auch die Forderung nach mehr Verkehrssicherheit auf den Straßen.

Zudem hält die SPD daran fest, dass schnellstmöglich Konsequenzen aus dem tödlichen Unfall, den ein 20-Jähriger mit seinem BMW verursacht hatte – er war offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit über die rote Ampel gefahren – gezogen werden.

CDU, Grüne und FDP bevorzugen ein anderes Vorgehen. Vorschnelle, rechtlich nicht zulässige und am Ende „nur zu mehr Politikverdrossenheit führende Anträge“ seien kontraproduktiv. „Wir werden auch künftig besonnen, aber auch dort wo nötig, mit Entschlossenheit Politik zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger machen,“ heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.