Die Familien der beiden getöteten Unfallopfer trauern um ihre Kinder. Und sie sind wütend auf die Verantwortlichen in den Behörden.
Gedenken an Unfallopfer in Hürth„Eltern sollen nicht den Schmerz aushalten müssen, den wir jetzt haben“

Laut Polizei waren etwa 500 Menschen gekommen, um der Unfallopfer auf der Frechener Straße zu gedenken. Im Schweigemarsch zogen sie über die Frechener Straße.
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Das Meer aus Blumen und Kerzen ist am Mittwochabend an der Gedenkstätte an der Frechener Straße/Ecke Theresienhöhe noch einmal gewachsen. Am 4. Juni waren dort die zehnjährige Avin und der 25-jährige Luis bei einem schrecklichen Verkehrsunfall aus ihren jungen Leben gerissen worden.
Um der beiden Unfallopfer zu gedenken und um auf der Frechener Straße Tempo 30 und mehr Sicherheit für Kinder, Fußgänger und Radfahrer zu fordern, hatten Dr. Ingo Benz, Kinderärztin Zeynep Fuchs, der ADFC Rhein-Erft und die Initiative Kidical Mass zum Schweigemarsch mit Mahnwache und Kundgebung aufgerufen.
Hürth: Avins Vater fordert, dass die Straßen sicherer werden
Die Polizei hatte die Frechener Straße zwischen Alt-Hürth und der Kreuzung Sudetenstraße für den Verkehr gesperrt. Die Unfallstelle war zusätzlich mit Flatterband abgesperrt und mit weißer kreide markiert. Aus Respekt vor den Opfern sollte sie während der Veranstaltung nicht betreten werden.
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Der Schweigemarsch führte von der Kreuzung Sudetenstraße die Frechener Straße hinauf zur Anschlussstelle Theresienhöhe. Dort, an der Kreuzung Sudetenstraße, war im Dezember 2021 ein 15-jähriger Junge von einem abbiegenden Lkw erfasst und tödlich verletzt wurden.

Axel Fell, Vorsitzender des ADFC Rhein-Erft (l.), im Gespräch mit den Eltern der kleinen Avin und einer Dolmetscherin.
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Die Frechener Straße hinauf hat am Vormittag des 4. Juni auch der 20-Jährige Autofahrer genommen, als er nach Angaben von Zeugen viel zu schnell und bei Rot über die Ampel in die Fußgruppe hineingefahren ist. Überdeutlich waren auch noch am Mittwochabend die Spuren zu sehen, die das Verkehrsunfallaufnahme-Team zur Unfallrekonstruktion auf die Straße gezeichnet hatte.
Drumherum standen bei der Kundgebung die Teilnehmer der Veranstaltung, darunter viele Hürther Bürgerinnen und Bürger, die Organisatoren und die Familien der Unfallopfer: „Ich möchte einfach nicht, dass andere Eltern in Zukunft diesen Schmerz aushalten müssen, den wir jetzt haben“, erklärte Avins Vater seine Teilnahme. Auch er fordert, dass die Straßen in Hürth sicherer werden. „Es ist erstaunlich, dass ich jetzt zum ersten Mal in den sechs Jahren die wir in Hürth leben, eine Blitzanlage auf der Frechener Straße gesehen habe“, merkte er an.
Wir fordern eine Verkehrspolitik, die die Schwächsten von uns schützt
Der Vater des ebenfalls ums Leben gekommenen Schulbegleiters Luis erzählte, dass sein Junge die Welt immer ein bisschen besser habe machen wollen. „Das ist jetzt unser Auftrag“, erklärte er. Um sich das Geld für sein Studium zu verdienen, sei er Schulbegleiter geworden. Ursprünglich habe er für das Lehramt am Gymnasium studiert, dann habe Luis aber an der Grundschule seine Berufung gefunden. „Er wollte Grundschullehrer werden“, berichtete sein Vater. „Da kann ich noch mehr verändern“, habe er gesagt. Bestimmt hätte sich auch Luis für die schwächsten Teilnehmer im Straßenverkehr – die Kinder und Fußgänger – eingesetzt und für sie sichere und gefahrlose Wege gefordert.
Gekommen war auch die Familie des erst zehnjährigen Henry, der im September 2023 in Pulheim bei einem schlimmen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Mit ihnen hatten sich etwa 500 Menschen an der Unfallstelle versammelt. Viele Teilnehmer trugen Kerzen in den Händen und Blumen, die sie an der Unfallstelle niederlegten. Die meisten hatten Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. Auch Ingo Benz musste in seiner Ansprache mehrmals kurz innehalten, um seine Tränen zu unterdrücken.

Um an die Unfallopfer zu erinnern, wurden zwei weiße Figuren am Wegrand aufgestellt.
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Zusammen mit der Kinderärztin Zeynep Fuchs erhob er schwere Vorwürfe gegen die Hürther Politik: „Wir sind so unfassbar wütend und traurig, weil wir wissen, dass Avin und Luis noch am Leben wären, wenn die Politiker sich früher den zahlreichen Aufrufen und Mahnungen der Menschen von Hürth aktiv gewidmet und etwas verändert hätten. Wir fordern eine Verkehrspolitik, die die Schwächsten von uns schützt, allen voran Kinder, Radfahrer und Fußgänger. Die oberste Priorität in der Verkehrsplanung muss die Unversehrtheit von Leib und Leben jedes Einzelnen sein.“
Bereits am Tag nach dem Unfall hatten Fuchs und Benz eine Online-Petition gestartet die inzwischen von rund 10.000 Menschen unterschrieben wurde. Gemeinsam sagen sie: „Nie wieder Verkehrstote an der Frechener Straße, nie wieder Verkehrstote auf unseren Straßen in Hürth und anderswo.“
„So etwas darf einfach nie wieder passieren“, sagte Fuchs. Kinder müssten sich sicher im Straßenverkehr bewegen können. Sie hätten doch auch alles richtig gemacht und seien trotzdem Opfer eines verantwortungslosen und rücksichtslosen Rasers geworden. „Das muss in Zukunft verhindert werden durch klare Geschwindigkeitsbegrenzungen und Kontrollen hier auf der Frechener Straße“, betonte sie.
Zu Wort kamen auch Axel Fell, Vorsitzender des ADFC Rhein-Erft, und Steffen Brückner von der Kidical Mass Bewegung Köln. Um an die Unfallopfer zu erinnern, hatten sie zwei weiße Figuren mitgebracht, die am Wegrand aufgestellt wurden, um so jeden Tag an die Unfallopfer zu erinnern. „Der Tod ist irreversibel“, betonte schließlich die evangelische Pfarrerin Christiane Birgden. Für die Familie sei das Leben danach für immer verändert. „Das wird nie wieder gut“, sagte sie. Die Familie der zehnjährigen Avin ist Mitglied ihrer Kirchengemeinde.
In ihrer Ansprache dankte sie den Menschen aber auch für die große Anteilnahme. „Ich weiß, dass das der Familie Kraft gibt“, erklärte sie und ergänzte: „Doch solange es in unserer Gesellschaft so ist, dass schnelles Autofahren in großen Karren ein Männlichkeitsding ist, haben wir ein Problem – haben wir keine Sicherheit.“