Freiwillige Selbstkontrolle FernsehenBeschützer der Kinderseelen

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Dieter Spürck (rechts) verbringt im Jahr drei bis vier Wochen in Berlin, um ehrenamtlich Fernsehsendungen zu begutachten.

Dieter Spürck (rechts) verbringt im Jahr drei bis vier Wochen in Berlin, um ehrenamtlich Fernsehsendungen zu begutachten.

Kerpen – Manch einer mag sich so das Paradies vorstellen: Stundenlang und ungestört aktuelle Filme oder die neuesten Serien aus den USA ansehen, die im deutschen Fernsehen noch gar nicht laufen. Dieter Spürck macht dies des Öfteren. Doch der Erste Beigeordnete der Stadt Kerpen weiß, dass dies auch mit Arbeit verbunden sein kann. Spürck, der im September 2012 seine Tätigkeit in Kerpen aufgenommen hat, engagiert sich schon seit über zehn Jahren ehrenamtlich für die FSF, die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen. Mehrfach im Jahr verbringt er dafür einige Tage in Berlin – in seiner Urlaubszeit, wie Spürck betont. „Im Jahr kommen schon drei bis vier Prüfwochen zusammen“, berichtet der 47-jährige Jurist, der manchmal das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet und mit seiner Familie in Richtung Spree reist, um an seine Prüfertätigkeit einige Urlaubstage anzuhängen.

Doch vor der Erholung steht natürlich die (ehrenamtliche) Arbeit: Als Mitglied eines Prüfausschusses muss Spürck vor der Ausstrahlung von Fernsehsendungen darüber entscheiden, für welche Altersklasse sie freizugeben sind und zu welcher Uhrzeit sie demnach gezeigt werden dürfen (siehe Infokasten). „Die FSF ist keine Zensurbehörde“, betont Spürck. Es gehe vielmehr darum, dass Kinder und Jugendliche nicht mit Inhalten konfrontiert werden, die sie überfordern würden. Im Mittelpunkt steht dabei die Untersuchung der Filme auf die Darstellung von Gewalt und Sexualität. Laut den gesetzlichen Vorschriften sollen die „sozialethische Desorientierung“ und die übermäßige Ängstigung von minderjährigen Fernsehzuschauern verhindert werden. Darüber hinaus müssen „Gewaltbefürwortung und -förderung“ vermieden werden.

Viele Experten

Die FSF prüft das Programm der privaten Fernsehsender. Sie müssen den grundsätzlich fünfköpfigen Prüfausschüssen unter anderem Spielfilme, Reality-Shows und Programmtrailer vorlegen. Vom Umfang her eine sehr bedeutende Rolle spielt die Begutachtung von Serien, die von den deutschen Fernsehsendern oftmals in den USA eingekauft werden. Die Bewertung ist dabei nicht ganz einfach, wie Spürck erläutert: Die Serie soll an einem festen Sendeplatz ausgestrahlt werden, die einzelnen Folgen können aber ganz unterschiedlich sein, was etwa die Gewaltdarstellung angeht. Eine Freigabe für eine Ausstrahlung im Hauptabendprogramm ab 20 Uhr, bei der vor allem die Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren maßgeblich sind, kann dann zum Beispiel unter der Auflage erteilt werden, dass bestimmte Szenen herausgeschnitten werden.

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Für Fernsehsendungen kennt die FSF vier verschiedene „Sendezeitschienen“ beziehungsweise Altersfreigaben. Filme und Sendungen ohne Altersbeschränkung und mit der Altersfreigabe ab 6 Jahren dürfen im Tagesprogramm ausgestrahlt werden. Sendungen mit der Altersfreigabe ab zwölf Jahren können grundsätzlich im Hauptabendprogramm ab 20 Uhr laufen; im Tagesprogramm dürfen sie gesendet werden, wenn dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung getragen wird. Sendungen, die erst für Zuschauer ab 16 Jahren freigegeben sind, dürfen erst von 22 Uhr an im Spätabendprogramm gezeigt werden. Filme und Serien mit der Klassifizierung „Nicht unter 18 Jahren/keine Jugendfreigabe“ dürfen lediglich im Nachtprogramm ab 23 Uhr laufen. Schwer jugendgefährdende Inhalte, wie gewaltverherrlichende Filme, Pornografie und Sendungen mit Darstellungen, die die Menschenwürde verletzen, dürfen im deutschen Fernsehen nicht ausgestrahlt werden. (rtz)

Spürcks „Arbeitstag“ bei der FSF sieht meistens so aus: Fünf bis sechs Stunden am Tag wird ferngesehen und diskutiert, dann wird ein Gutachten erstellt. „Die Sender bekommen schnell eine Kurzstellungnahme für ihre Programmplanung, eine ausführliche Expertise folgt dann später“, erläutert der Kerpener Beigeordnete, der auch allgemeiner Vertreter der Bürgermeisterin ist. Zuletzt hat sich Spürck etwa die US-Serie „Spartacus“ zu Gemüte führen müssen. „Nicht ganz ohne“ fand der 47-Jährige die Gewaltdarstellungen. Wobei eine Bewertung manche Fallstricke bietet. „Vieles ist ja auch eine Frage des persönlichen Empfindens“, meint Spürck. Um ein möglichst neutrales und sicheres Urteil zu erhalten, seien die Prüfausschüsse mit Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen besetzt, etwa mit Pädagogen, Psychologen und Mitarbeitern aus dem Jugendhilfebereich.

Das Engagement für den Jugendschutz zieht sich wie ein roter Faden durch Spürcks Biografie. So war er in der Vergangenheit unter anderem für die NRW-Landesstelle der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) tätig. Als Jurist kann er auf einige Veröffentlichungen zum Jugendschutzrecht verweisen. Als Erster Beigeordneter im Kerpener Rathaus gehören neben Rechtsangelegenheiten, Finanzen, Sicherheit und Ordnung auch die Bereiche Kindertagesstätten, Schulen und Integration, sowie Jugend und Soziales zu seinem Dezernat. Verpflichtend für die Prüfer ist es zudem, bestimmte Fortbildungsveranstaltungen der FSF zu besuchen, zum Beispiel zu Themen wie Gehirnforschung und Medienpädagogik. Spürck: „Davon profitiere ich auch für meine Tätigkeit in Kerpen.“

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