Gutachter mahnt: Es fehlt Wohnraum für Menschen wie den Beschuldigten, die unter dem Einfluss einer akuten Psychose straffällig geworden sind.
Er gilt als schizophrenBrandstifter aus Kerpen kommt in die Psychiatrie

Vor der 19. Großen Strafkammer des Landgerichts muss sichein 37-Jähriger aus dem Irak verantworten.
Copyright: Thomas Käding
Die 19. Große Strafkammer am Landgericht Köln hat am Montag (19. Mai) die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für einen Iraker angeordnet, der am 4. Oktober 2024 seine Bleibe in der städtischen Unterkunft an der Heerstraße in Brand gesteckt hatte.
Der Entscheidung ging eine schwierige Abwägung voraus, ob der Beschuldigte eingewiesen werden muss, oder ob die zweifelsfrei diagnostizierte paranoide Schizophrenie des 37-Jährigen unter Bewährungsauflagen ambulant therapierbar ist. Schwierig ist die Abwägung insbesondere, weil der zurzeit medikamentös gut eingestellte Mann ohne engmaschige Unterstützung einen Rückfall erleiden könnte, was ihn gefährlich für die Allgemeinheit und sich selbst macht.
Er glaubte, Islamisten würden ihn verfolgen und bedrohen
Am vorletzten Verhandlungstag mochte der forensische Gutachter Dr. Dirk Reske keine sichere Empfehlung für eine gerichtliche Anordnung aussprechen. Der Psychiater sprach von „dünnem Eis“, was er vor allem an mangelndem Wohnraum für Menschen wie den Beschuldigten festmachte, die unter dem Einfluss einer akuten Psychose straffällig geworden sind.
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Ein behandelnder Arzt in der psychiatrischen Klinik Essen des Landschaftsverbandes Rheinland fasste zusammen, dass ihm der Kerpener beim Erstgespräch berichtete, er fühle sich in den eigenen vier Wänden durch versteckte Kameras beobachtet, Stimmen hätten ihm eingeflüstert, er solle Feuer legen, sonst würde er sterben. Er glaubte, Islamisten würden ihn verfolgen und bedrohen.
Er hatte Beamte als „Hitler-Polizei“ und „Hurensöhne“ beschimpft
Die Spuren, die Feuerwehr und Polizei sicherten, nachdem der Brandstifter selbst die Rettungskräfte gerufen hatte, bestätigten solche Angaben: Er hatte vor der Brandlegung mittels flüssigem Grillanzünder versucht, die Wandverkleidungen aufzuhacken, um die angeblichen Kameras zu finden.
Nach mehrmonatiger Therapie gewann der Beschuldigte laut seiner Ärzte Einsicht in seine Krankheit, die Halluzinationen verschwanden, und er äußerte den Wunsch, wieder arbeiten zu gehen. Inzwischen liegt ein Betreuungsbeschluss vom Amtsgericht Essen vor, da der Beschuldigte derzeit nicht in der Lage ist, seine Angelegenheit selbst zu regeln. Eine Geldstrafe wegen Beleidigung im Juli 2022, als er Beamte nach einem Platzverweis aus dem Bahnhof Duisburg als „Hitler-Polizei“ und „Hurensöhne“ beschimpfte, ist vollstreckt.
Der Angeklagte ist bereit, in den Irak zurückzukehren
Die Kölner Staatsanwaltschaft beantragte in diesem Prozess zudem erfolgreich, das Verfahren wegen Vortäuschung einer Straftat in Tateinheit mit Bedrohung – er hatte einen Amoklauf angekündigt – einzustellen. Das Vergehen werde, so die Vorsitzende Richterin Bettina Schattow, bei der zu erwartenden Sicherungsanordnung nicht ins Gewicht fallen. Körperlich gewalttätig wurde der Beschuldigte nie.
Ein Schreiben der Ausländerbehörde kurz vor der Brandstiftung soll der Beschuldigte trotz guter Deutschkenntnisse dahingehend missverstanden haben, dass er abgeschoben werden soll. Laut seinem Verteidiger Markus Heinrichs ist er aber im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland. Um Freiheitsentzug zu vermeiden, äußerte der als „zugewandt, freundlich und höflich“ beschriebene Mann gegenüber Gutachter Dr. Reske, sei er bereit, in den Irak zurückzugehen.
Ob unter den gegebenen Umständen eine Abschiebung infrage kommt, kann dieses Gericht nicht beantworten. Auf Nachfrage des Beschuldigten, wie lange er in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus bleiben müsse, stellte Richterin Schattow in Aussicht: „Der Zeitraum ist nicht absehbar, aber wenn Sie weiterhin bei der Behandlung Ihrer Krankheit mitmachen, haben Sie gute Chancen auf eine Zukunft in Freiheit.“