Ulrike Müssemeier nahm die Zuhörer mit auf eine Zeitreise durch zwei Jahrtausende Zülpicher Stadtgeschichte.
GrabungenExperten entdeckten in Zülpich 1100 Fundstücke aus 2000 Jahren

Über Funde aus 2000 Jahren berichtete Dr. Ulrike Müssemeier. Dieser römische Dachziegel war als Heizungsleitung zweckentfremdet.
Copyright: Stefan Lieser
Selbst auf nur 80 Quadratmetern steckt der Boden im Zentrum von Zülpich voller Geschichte. Rund 1100 Fundstücke aus 2000 Jahren entdeckten die Experten des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege bei Grabungsarbeiten 2021 parallel zum Bau des Hubert-Salentin-Museums.
Die Archäologen um Grabungstechniker Joachim Altmiks hatten nur vom 29. September bis 29. November Zeit, um tief in die Geschichte zu gehen. Sie machten Funde aus der römischen Kaiserzeit um das 1. bis 3. Jahrhundert und aus dem Mittelalter. Teils entdeckten sie auch Kurioses aus der Neuzeit in bis zu elf Metern Tiefe im heute überbauten Innenhof eines verschachtelten Wohn- und Geschäftshauses an der Kölnstraße.
Drei römische Fernstraßen kreuzten sich in Zülpich
Dr. Ulrike Müssemeier ist wissenschaftliche Referentin beim LVR-Amt in Wollersheim und dort Leiterin des Außendienstes. Sie fasste die Erkenntnisse dieser Zeitreise in die Stadtgeschichte jetzt auf Einladung der Manfred-Vetter-Stiftung für Kunst und Kultur im Hubert-Salentin-Museum zusammen.
Alles zum Thema Landschaftsverband Rheinland
- „Einzigartiger Gedächtnisort für Köln“ Rheinlandtaler für Förderer des Ehrenfelder Hochbunkers
- Vier-Minuten-Schnelldiskussion Schüler aus Königswinter im Gespräch mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft
- Archäologischer Fund Römischer Kanal verzögert Schulausbau in Frechen
- Römische Wasserleitung So läuft die Bergung auf dem Gelände der Mauritiusschule in Frechen
- „Elfter im Elften“ Sessionseröffnung auf dem Heumarkt – LVR vergibt Freikarten an gehörlose Menschen
- Der „Scheibenschmeißer“ Offenbar psychisch kranker Mann verunsichert Nachbarschaft in der Südstadt
- Absage LVR trägt Anbau für das Künstler:innenarchiv in Pulheim nicht mehr mit
„Die Innenstadt Zülpichs ist in großen Teilen mittelalterlich geprägt“, so Müssemeier. Überbaut sei so auch der Teil, der als Tolbiacum Kreuzungspunkt dreier wichtiger römischer Fernstraßen, unter anderem der Agrippastraße, gewesen sei. Auch wo heute das Museum ist, lässt sich das anhand der Bodenfunde nachweisen.
Dachziegel wurde beim Heizungsbau zweckentfremdet
Die Archäologen fanden in dem 80 Quadratmeter großen Untersuchungsgebiet etwa Mauerreste eines Streifenhauses, wie sie in römischen Siedlungen entlang der Fernstraßen typisch waren. Ein bekanntes Beispiel sind die Fundamentreste in Nettersheim unterhalb der Görresburg. Müssemeier zeigte zudem eine Tebula, einen römischen Dachziegel, der vor rund 2000 Jahren offenbar für den Bau einer Heizleitung zweckentfremdet worden war.
Im Zeitraffer wurden Scherben über das ganze Mittelalter hinweg in verfüllten Brunnen, in Erdschichten und zwischen Mauerresten entdeckt. Unter anderem ist es Steinzeug oder Keramik aus bekannter mittelalterlicher Produktion in Mayen, aus dem Dürener Raum oder auch aus Belgien, die auf Händlerkontakte bis nach Zülpich hinweisen.
Zwei mittelalterliche Gräberfelder sind in Zülpich bereits identifiziert
Auf die Nutzung des Wohn- und Geschäftshauses als Apotheke vermutlich im 19. Jahrhundert verweisen Funde von Apothekerfläschchen. Noch neueren Datums sind eine ganze Fülle von bemalten Pfeifenköpfen. Dass rund 1100 Objekte auf nur 80 Quadratmetern gefunden wurden, ist kein Einzelfall, wie Müssemeier erläutert.
Und im Vergleich zu dem, was noch im Untergrund des Stadtkerns vermutet wird, eher unbedeutend: Zwei mindestens mittelalterliche Gräberfelder sind im Bereich des heutigen Geriatrischen Zentrums und unterhalb des Marktplatzes identifiziert. Nachgewiesen ist eine große römische Villa Rustica außerhalb der Kernstadt. Man rechne in Zülpich immer damit, Bedeutsames im Boden zu finden.
„Hätten wir vorher gewusst, wie dicht die Befundlage hier beim Museumsbau ist, hätten wir sicher ein externes Grabungsteam eingesetzt“, so Müssemeier. Der LVR-Außenstelle geht ja die Arbeit ohnehin nicht aus. Zwischen 1992 und 2023 sind laut Müssemeier alleine 550 Grabungen durch Fachfirmen sowie alleine 2021 zehn weitere durch das LVR-Team durchgeführt worden. 2021 waren zudem 321 Sondengänger unterwegs.
Pro Jahr werden nach Müssemeiers Angaben an die 4000 Objekte den LVR-Archäologen angezeigt. Sie werden zumeist an die Finder zurückgegeben. Besonders wertvolle Stücke wie ein Bronzelangschwert aus dem Mittelalter nicht. Sie gehören dem Schatzregal NRW. Im Salentin-Museum können die Besucher das Schatzregal vom Fundort selbst entdecken: In Bodenvitrinen sind hier ausgegrabene Fundstücke zu sehen.

