Kommentar zur politischen KulturPersönliche Kleinkriege ramponieren das Image von Kerpen

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Das Foto zeigt die Kirche in Manheim-alt. Sie ist das verbliebene Symbol einer ehemals intakten Ortsgemeinschaft.

Die Kirche in Kirche Manheim-alt ist das verbliebene Symbol einer ehemals intakten Ortsgemeinschaft.

Politischer Knatsch hat in der Kolpingstadt Tradition: Ob sich die handelnden Personen bewusst darüber sind, in welches Licht sie ihre Stadt damit stellen?

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert: Wilhelm Busch oder auch Bert Brecht wird dieser Satz fälschlicherweise zugerechnet; Urheber dagegen soll der 1914 geborene Kabarettist Werner Kroll sein. Verbrieft ist dies jedoch nicht.

Kein Zweifel besteht an der Urheberschaft der Aussage, wonach Kerpens Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) „mit heruntergelassener Hose mit RWE ins Bett gegangen“ sei. Das hat der Kreisgeschäftsführer der Grünen, Marcel Richard, gesagt.

Ebenfalls unstrittig ist, dass der so Kritisierte in einer seiner Stellungnahmen zum Streit um Kerpens vermeintliche Abhängigkeit vom Energieversorger eine höchst pikante Personalie öffentlich gemacht hat: So habe die heutige Parteichefin der Grünen in Kerpen, Annika Effertz, 2020 Ambitionen gehabt, Beigeordnete für den Strukturwandel zu werden. Sie ist neben Richard eine der Wortführerinnen in dem politischen Streit, der Kerpen nun schon in der zweiten Woche beschäftigt. Spürcks Motto lautet offenbar: Wer versucht, mir zu schaden, dem schade ich.

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Bürger sind in Sorge, dass Kerpen beim Strukturwandel abgehängt wird

Dass der Ruf der einwohnerstärksten Stadt im Rhein-Erft-Kreis ruiniert ist, haben die Bürger längst begriffen und sind hinreichend bedient. Als Reaktion auf einen Beitrag dieser Redaktion schreibt ein Mann auf Facebook: „Wenn man mal über den Kerpener Tellerrand hinaus schaut, ist es einfach nur noch peinlich. Nach dieser neuerlichen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Schlammschlacht fragt man sich im Land, ob hier eigentlich nur Dilettanten und Provinzoberhäupter unterwegs sind.“

Eine Frau kommentiert: „Der Appell geht an alle: Schaffen Sie endlich Arbeitsstrukturen, um für Kerpen etwas zu erreichen. Das müssen Ihnen die Bürgerinnen und Bürger wert sein.“

Die Protagonisten in Kerpen — und nicht nur dort — täten gut daran, den Bürgerinnen und Bürgern mal wieder häufiger zuzuhören. Und sie wären zudem gut beraten, diese Debatte auf einer sachlichen statt einer persönlichen, zumal verletzenden Ebene zu führen.

Dazu ruft auch der neue Vorsitzende der Grünen im Kreis, Christian Schubert, auf. Die wenigsten werden ihn kennen: Der Erftstädter ist Anfang 20 — ein Vertreter der Generation, für die jetzt die Weichen für den Strukturwandel gestellt werden müssen. Kleinkriege wie in Kerpen — immer wieder — verhindern die Beschäftigung mit den wirklich wichtigen Themen und senden ein katastrophales Signal nach außen: an alle, die in Kerpen leben und/oder investieren wollen.

Auch das: Nicht ohne ist Wortwahl einiger Grüner mit Blick auf Geschehnisse, die einige Jahre zurückliegen. Gegen Spürck war im Zusammenhang mit einer umstrittenen Baugenehmigung im Umfeld der Villa Trips wegen Bestechlichkeit ermittelt, mangels eines hinreichenden Tatverdachts aber eingestellt worden. Dass er „mit heruntergelassener Hose mit RWE ins Bett“ gegangen sein soll, ist ein offener Vorwurf, der CDU-Mann sei korrumpierbar.

Für Juristen dürfte das ein gefundenes Fressen sein.

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