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WochenkommentarEigenen Werten gerecht werden

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Das Bild zeigt Polizisten, die gegen einen Aktivisten vorgehen, der im sogenannten Sündenwäldchen am Rande des Tagebaus Hambach im Hambacher Forst in einem Baum hängt.

Polizisten gehen gegen einen Aktivisten vor, der im sogenannten Sündenwäldchen am Rande des Tagebaus Hambach im Hambacher Forst in einem Baum hängt.

Jörn Tüffers zur umstrittenen Äußerung von Landrat Rock über „wenige kriminelle Besetzer“ im Sündenwäldchen

Die Räumung des Sündenwäldchens am Rand des Braunkohlereviers in Kerpen endete nicht ganz geräuschlos, auch wenn zuletzt nur noch knapp 20 Umweltaktivisten in den wenigen verbliebenen Bäumen ausharrten. Ein massiver Polizeieinsatz war vonnöten, ehe die von RWE beauftragten Firmen mit der Rodung beginnen konnten. Das war kein Akt der Willkür, sondern durch politische Beschlüsse und eine entsprechende Verfügung der Stadt Kerpen gedeckt. Eigentümerin RWE tolerierte über Monate hinweg, dass die Umweltaktivisten auf ihrem Gelände kampierten, Anwohner erduldeten, dass sich – wie sie sagen – rundherum Müllberge auftürmten, die Ratten anzogen.

Und das Ganze hat für Besetzer wie Justiz ein erwartbares Nachspiel: Gegen einige der 18 Besetzer wird wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch, versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Augenzeuge der Szenerie am Dienstag war Landrat Frank Rock (CDU), in Personalunion auch Behördenleiter der Kreispolizeibehörde – dieses Konstrukt gibt es ausschließlich in Landkreisen, wie der Rhein-Erft-Kreis es ist. In kreisfreien Städten wie Köln dagegen ist der Polizeipräsident niemals Chef einer weiteren Behörde. In einem Post auf seiner Facebook-Seite ließ Rock noch am selben Tag wissen, dass er sich vom „sehr professionelle(n) Vorgehen der Einsatzkräfte in enger Kooperation mit dem bergbaubetreibendem Unternehmen“ habe „überzeugen können“. Und weiter: „Die wenigen kriminellen Besetzer werden nach und nach aus dem Betriebsgelände entfernt. Und das ist auch gut so!“

Jörn  Tüffers

Jörn Tüffers

Redaktionsleiter der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft in Brühl, der gemeinsamen Lokalredaktion von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnischer Rundschau“. Jahrgang 1965, verheiratet, zwei Söhne. Verantw...

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Selten hat der 55-jährige Hürther in seiner Amtszeit seit 2020 so klar Position bezogen, schon gar nicht zu strittigen politischen Themen. Schließlich war Rock angetreten, Landrat aller Bürgerinnen und Bürger zu sein; er versteht sich eher als Repräsentant und Gesicht der Kreisverwaltung denn als politisches Sprachrohr – was angesichts seiner langen politischen Laufbahn nicht zwingend zu erwarten war. Vor seiner Wahl zum Landrat war der CDU-Mann Landtagsabgeordneter. Nun aber entschied sich Rock für eine Aussage, worin er „wenige Besetzer“ als „kriminell“ bezeichnete. Wir alle wissen, dass Begrifflichkeiten vieldeutig sein können. So bewerten wir im Gespräch mit Freunden vielleicht den Umstand als „kriminell“, dass uns jemand auf der Autobahn bei Tempo 130 rechts überholt und dann vor uns einschert.

Im Falle von Rocks Äußerung geht es nicht zwingend um eine juristische Einordnung, wann jemand als kriminell gilt: erst dann, wenn jemand verurteilt ist, oder bereits schon, wenn er eine strafbare Handlung begeht? Vielmehr muss sich der Landrat an seinen eigenen Worten messen lassen. Bei der Vereidigung der Kreistagsmitglieder in der Vorwoche appellierte er an die Politikerinnen und Politiker, „einen respektvollen Umgang, sachorientierte Diskussionen und den Willen, tragfähige Lösungen zu finden“. Und weiter: „Wir haben alle eine Vorbildfunktion gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern: Demokratie lebt von Haltung, Maß und gegenseitigem Respekt.

Wenn wir diese Tugenden hier nicht leben, dann können wir nicht erwarten, dass andere das tun.“ Sowohl in seinem Amt als Landrat als auch in seiner Position als Behördenleiter der Kreispolizei muss Rock diesem Anspruch und diesen Werten selbstgerecht werden – und diese vorleben. Moral, Anstand und Respekt enden nicht außerhalb des Sitzungssaals des Kreistags.