Die Kinderbuchhandlung Knirps & Riese hatte eine Lesung zusammen mit einer umstrittenen, propalästinensischen Gruppe geplant.
Kölner Kinderbuchladen in der Kritik„Ideologischer Missbrauch von Kindern“

Der Kinderbuchladen Knirps & Riese in der Gutenbergstraße
Copyright: Alexander Schwaiger
Im Januar 2025 hat Ina Raki den beliebten Kinderbuchladen Knirps & Riese in Ehrenfeld übernommen, zehneinhalb Monate später hat sie ein Problem: Eine Kölner Grundschule hat die Zusammenarbeit mit dem Laden beendet, Vertreter der Zivilgesellschaft kritisieren „ideologischen Missbrauch von Kindern“, auch die Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW wendet sich gegen die geplante Veranstaltung. Was ist geschehen?
In der Buchhandlung in der Gutenbergstraße sollte am 22. November eine interaktive Lesung mit dem Titel „Storytime for Palestine“ („Geschichten-Zeit für Palästina“) stattfinden. Eingeladen waren Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren. Gelesen werden sollte aus dem Buch „A Map for Falasteen: A Palestinian Child’s Search for Home“ („Eine Landkarte für Falasteen: die Suche eines palästinensischen Kindes nach Heimat“). Die Einladung war in panarabischen Farben gehalten. Stutzig machte der Verweis auf die Veranstalterin: „Mothers against genocide Köln“.
Veranstalterin der Kinder-Lesung im Umfeld einer extremistischen Gruppe
Die Gruppe bewegt sich im Umfeld der „Palästinasolidarität Köln“, die mit dem BDS Bonn kooperiert. Der BDS Bonn, der zum Boykott Israels aufruft, gilt seit 2024 als gesichert extremistisch. „Mothers against genocide Köln“ verwendet in ihrem Logo zwei blutige Handflächenabdrücke, die als Symbol eines brutalen Lynchmordes an zwei israelischen Soldaten vor 25 Jahren durch Palästinenser gelten. Im Netz fällt die Gruppe durch Slogans wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ („Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“) auf, einem Dauerbrenner auf propalästinensischen und antiisraelischen Demonstrationen: Mit dem Fluss ist der Jordan gemeint, mit dem Meer das Mittelmeer, auf dem Territorium befindet sich auch der Staat Israel. Seit dem 7. Oktober 2023, als die Hamas rund 1200 Israelis ermordete und 250 entführte, gilt der Slogan als antisemitischer Schlachtruf. Viele sehen in dem Spruch einen Aufruf zur Vernichtung Israels. Vor deutschen Amtsgerichten gab es Verurteilungen wegen des Spruchs, höchstrichterlich entschieden ist über die Rechtmäßigkeit aber noch nicht.
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Die Gruppe „Mothers against genocide Köln“ bewegt sich im Umfeld von Organisationen, deren Inhalte und Einstellungen wir nicht teilen und von denen wir uns distanzieren möchten
Die Michael-Ende-Grundschule in Ehrenfeld hat ihre Zusammenarbeit mit dem Buchladen wegen der geplanten Vorleseveranstaltung beendet. Die Gruppe „Mothers against genocide Köln“ bewege sich „im Umfeld von Organisationen, deren Inhalte und Einstellungen wir nicht teilen und von denen wir uns distanzieren möchten“, sagte Schulleiter Mario Jakobs dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eigentlich sollte kommende Woche die jährliche Buchausstellung in der Grundschule stattfinden, die wie in den vergangenen Jahren in Kooperation mit „Knirps & Riese“ geplant war.
In der Woche werden nicht nur viele Kinderbücher gelesen, die Schülerinnen und Schüler haben auch die Möglichkeit, sich ihre Lieblingsbücher zu bestellen. „Die Ausstellung haben wir aufgrund der angekündigten Veranstaltung in dem Buchladen in der ursprünglichen geplanten Form abgesagt, eine andere Buchhandlung konnte jedoch zum Glück kurzfristig einspringen“, so Jakobs. Die Buchhändlerin habe er über die Gründe für das Ende der Zusammenarbeit informiert.

Ina Raki (r.) hat die Buchhandlung Knirps & Riese im Januar von Sabine Klare-Baltzer übernommen.
Copyright: Hans-Willi Hermans
„Bewusste Indoktrination von Kindern mit Juden- und Israelhass“ werfen das Junge Forum der Deutsch-Israelische Gesellschaft in Köln und das Jüdische Forum der CDU NRW dem Buchladen in einem Brief an Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (CDU) vor. Die Veranstaltung sollte „verboten werden, weil sie das geistige Kinderwohl gefährdet“. Roman Salyutov, Vorsitzender des Jüdischen Forums der CDU NRW sowie Fabian Kluth und Arthur Sliwa von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Köln, fordern in dem Schreiben, dem Buchladen die staatlichen Fördermittel zu entziehen. Die Buchhändlerin weise „eine klare Sympathie zu klar antiisraelisch ausgerichteten“ Gruppen auf. Weimers Pressestelle antwortet auf einer Anfrage dieser Zeitung, sie habe die geplante Leseveranstaltung zur Kenntnis genommen. Gefördert werde die Buchhandlung aktuell nicht mehr. „Deshalb haben wir die Buchhandlung aufgefordert, das BKM-Logo nicht mehr in der Kommunikation zu verwenden.“
Eine Sprecherin von Sylvia Löhrmann, der Antisemitismus-Beauftragten des Landes NRW, sagt: „Es ist befremdlich, wenn ausgerechnet eine Kinderbuchhandlung gemeinsam mit einer Organisation, die in ihrem Logo die 'blutigen Hände' (die auf den brutalen Lynchmord an zwei Israelis anspielen) verwendet, eine Veranstaltung organisiert – noch dazu für Kinder im Alter von 5-10 Jahren. Es ist zu begrüßen, dass jetzt der Druck der Öffentlichkeit gewirkt hat und die Veranstaltung abgesagt wurde.“
Ich dachte, wir wären uns auch in Deutschland inzwischen einig darüber, dass Israel im Gazastreifen einen Genozid verübt
Buchhändlerin Ina Raki sagt am Telefon, sie sei „überrascht und bestürzt“ darüber, welche Reaktionen die angekündigte Veranstaltung hervorgerufen habe. „Vor unserem Laden ist ein Plakat zur Veranstaltung abgerissen worden, per Mail gab es ernsthafte Bedrohungen“, sagt sie. „Ich dachte, wir wären uns auch in Deutschland inzwischen einig darüber, dass Israel im Gazastreifen einen Genozid verübt, bei dem Tausende unschuldige Kinder sterben.“ Über den Slogan „From the river to the sea“ gebe es geteilte Meinungen – „in Deutschland wird darüber gestritten, in anderen Ländern wird der Satz selbstverständlich verwendet“. Für sie äußere sich darin „lediglich der Wunsch nach Freiheit und einem eigenen Staat für die Palästinenser“. Sie habe selbst an propalästinensischen Demonstrationen teilgenommen, weil sie finde, „dass das Leid der Palästinenser in Deutschland viel zu wenig gesehen wird“, so Raki.
Die Veranstaltung sei „auch für palästinensische Kinder und ihre Mütter gedacht gewesen, um ihnen einen sicheren Ort zu bieten. Es sollte eine kleine, eher halböffentliche Veranstaltung sein“. Die sie öffentlich beworben hatte. Schon im Juni habe sie einen Schreibworkshop veranstaltet, zu dem vor allem Palästinenserinnen und Palästinenser gekommen seien, so Raki.
Ob eine Veranstalterin, die den Namen „Genozid“ schon im Titel trägt und öffentlich durch einseitige und ideologische Positionen auffällt, nicht problematisch sei für eine Leseveranstaltung mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter? Ina Raki findet das nicht. „Die palästinensische Perspektive kommt öffentlich viel zu selten vor.“ Deutschland habe „eine besondere Verantwortung, sich an keinem Genozid zu beteiligen. Durch die Waffenlieferungen an Israel geschieht das aus meiner Sicht aber“.
Ihr Antisemitismus zu unterstellen, hält die Buchhändlerin für absurd: „Wer in Deutschland etwas gegen den Antisemitismus tun möchte, sollte mit der Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte anfangen und nicht bei den Palästinensern. Die haben mit dem Holocaust nichts zu tun“, findet sie. Der Gruppe „Mothers against genocide Köln“ habe sie nicht wegen der Kritik an der Lesung abgesagt. „Abgesagt haben wir die Veranstaltung allein wegen Sicherheitsbedenken.“

