Nahezu überall im Kreis dominierte die CDU, einzig in Bedburg war die SPD stark. Wer konnte die Übermacht der Großen brechen?
KommunalwahlNur wenige kamen in Rhein-Erft gegen die Übermacht der Großen an

Halil Odabasi ist 46 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und den Kindern in seinem Stimmbezirk. Als einziger SPD-Politiker holte er ein Direktmandat in Wesseling.
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Wie „gallische Dörfer“ haben sich der Wesselinger Süden und der Wesselinger Norden bei der Kommunalwahl am 14. September gegen eine wahre Übermacht der Christdemokraten behaupten können. 17 der 19 Stimmbezirke gingen an die CDU. Nur im Wesselinger Norden, im Stimmbezirk 3 hat sich der AfD-Kandidat Jonas Beissel ein Direktmandat geholt. Genau am anderen Ende der Stadt – im Wesselinger Süden, im Stimmbezirk sechs, konnte der SPD-Kandidat Halil Odabasi bereits zum zweiten Mal in Folge das Direktmandat holen.
Im Wahlbezirk 3 lag die Wahlbeteiligung bei 33,57 Prozent – im Wahlbezirk 6 haben immerhin 37,68 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. „Natürlich ist das viel zu wenig“, sagt Odabasi. Für die Demokratie hätte er sich gewünscht, wenn am 14. September alle Wahlberechtigten ihr Kreuzchen gemacht hätten. Dass er als einziger SPD-Kandidat ein Direktmandat geholt hat, das sei für ihn schon etwas sehr Besonderes.
Wesseling: Wenn die Nachbarn alle ihre Stimme geben
„Die Wähler sind ja alle meine Nachbarn“, erklärt er. Er wohne ja inmitten seines Stimmbezirks. „Und es ist für mich schon eine große Ehre, dass meine Nachbarn mir hier im Süden der Stadt ihr Vertrauen geschenkt haben“, sagt er. Um ihnen die Kommunalpolitik, aber auch seine Person und seine Intensionen näherzubringen, sei er eigentlich rund ums Jahr in seinem Viertel aktiv.
Ganz wichtig seien ihm zum Beispiel die Sauberkeit im Viertel und der Zusammenhalt. Öfter sei er auch schon selber mit der Dreckzange losgezogen. „Und ich höre den Menschen hier zu und nehme ihre Anliegen auch mit in den Rat der Stadt“, erklärt er. Vielleicht stehe aber auch einfach seine Person für viele Wesselinger Bürger. „Ich habe einen Migrationshintergrund“, sagt er. Sein Vater sei 1973 als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen.
Speziell vor der Wahl hat er zudem mit einigen originellen Aktion auf sich aufmerksam gemacht. Zum „roten Grill“ in seinem Viertel hat er zum Beispiel unter dem Motto eingeladen: „Ich gebe die Bratwurst und ihr den Senf dazu.“ Ein anderes Mal lud er die Bürger zu Fruchtspießen und Eistee ein – diesmal lautete das Motto: „Vitamin D trifft Demokratie.“ „Eigentlich bin ich jeden Tag in meinem Veedel unterwegs – oft mit dem Kinderwagen“, berichtet er. Und daran möchte er auch in Zukunft nichts ändern. Wesseling und speziell der Süden sei für ihn Heimat. Dort fühle er sich dazugehörig, geborgen und zu Hause.
Für Sauberkeit und Sicherheit will sich auch Beissel einsetzen. Mit vielen Bürgern sei er an den Infoständen ins Gespräch gekommen sei. Speziell zu seinem Stimmbezirk im Norden Wesselings hätten sich die Wähler auch eine Verkehrsentlastung auf der Brühler Straße gewünscht. „Und auch dafür werden wir uns sicherlich einsetzen“, sagt Beissel.

Als Parteiloser holte Winfried Kösters das Direktmandat in Bergheim-Ahe.
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In Bergheim gingen 22 der 23 Wahlkreise an Kandidaten der CDU – lediglich der Wahlkreis in Ahe entschied sich gegen den CDU-Kandidaten. Wie in der Ratswahl im Jahr 2020 gaben eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dort dem parteilosen Dr. Winfried Kösters ihre Stimme, der in der FDP-Fraktion tätig ist.
Den Grund dafür erklärt Kösters auf Anfrage: „Es ist gelungen, zwischen mir und den Menschen eine Beziehung aufzubauen.“ Diese sei auch mit der Zeit gewachsen. Er lebe seit über 30 Jahren im Ortsteil. Ein weiterer Punkt sei die Kommunikation. Er habe von Anfang an ein Informationsportal eröffnet, mit dem er regelmäßig über alles rund um seinen Ortsteil berichtet, etwa zu aktuellen Entscheidungen.

Der Sozialdemokrat Ralf Schnitzler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, entschied den Wahlkreis 18 Lechenich/Herrig für sich.
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Heute gebe es mehr Möglichkeiten, jemanden kurzfristig zu erreichen und mit einem Problem zu konfrontieren, ob über einen Anruf, per E-Mail oder mit Messengerdiensten. Da komme es dann darauf an, wie man damit umgeht. Es sei wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, mit ihren Problemen nicht alleine zu sein, selbst wenn man sie nicht schnell lösen kann. „Aus meiner Sicht haben ganz viele Menschen in der Politik diesen unmittelbaren vertraulichen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern verloren.“
Außer der CDU haben in Erftstadt lediglich die Sozialdemokraten ein weiteres Direktmandat geholt, im Wahlkreis 18 Lechenich/Herrig. Dort entschied SPD-Mann Ralf Schnitzler (SPD) die Wahl für dich. Am Ende trennten Schnitzler und den Christdemokraten Jonas Schwingeler lediglich nur 19 Stimmen. Schnitzler verteidigte sein Direktmandat, denn auch bei der Kommunalwahl 2020 konnte sich der Lechenicher in seinem Wahlkreis durchsetzen. Damals lag er mit 33,5 Prozent vor CDU-Mann Heinz Mörs, der 30,9 Prozent der Stimmen erhielt.
Schnitzler: „Ich bin seit vielen Jahren in dem Wahlkreis wirklich aktiv als Bürger.“ So kümmere er sich um Grünpflege, er besuche alle Vereine vor Ort bei ihren Veranstaltungen und „ich versuche, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen. Das macht, glaube ich, einen großen Unterschied aus.“

Christoph Hamacher (FWG) hat in Bedburg-Kirch-/Kleintroisdorf ein Direktmandat gewonnen.
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In seinem Gebiet informiert der SPD-Mann außerdem regelmäßig über Flyer, von der SPD Lechenich gebe es mindestens einmal jährlich einen Flyer, wie er mitteilt. Vor der Wahl habe er selbst noch eine Flyer herausgegeben, in dem er über „die kleinen Themen“ vor Ort in Lechenich und Herrig informierte. In Herrig habe Schnitzler zudem Unterstützung durch Ortsbürgermeister Michael Vieth, beide würden außerdem von der Bürgerschaft unterstützt.
Als Vertreter einer kleinen Gruppierung ist es in Bedburg einzig Christoph Hamacher von der Freien Wählergemeinschaft (FWG) gelungen, ein Direktmandat im Rat zu gewinnen – er holte 45 Prozent der Stimmen im Doppelort Kirch-/Kleintroisdorf. Ein riesiger Vorsprung vor dem CDU-Kandidaten, der auf 21,5 Prozent kam.
Der 51-jährige Hamacher kann auf zwei riesige Pluspunkte verweisen: Zum einen ist Hamacher fest im Ort verwurzelt und nicht zugezogen. Er ist hier aufgewachsen, spielt seit seinem fünften Lebensjahr im Tambourkorps, dessen Vorsitzender er heute ist, und ist auch Unterbrandmeister bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Die Bürgerinnen und Bürger hier haben jemanden gewählt, der aus ihrer Mitte ist“, sagt Hamacher. „Ich lebe den Ort mit jeder Faser.“
Zweitens: „Man darf nicht vergessen, dass Kirch-/Kleintroisdorf die Wiege der Freien Wählergemeinschaft Bedburg ist“, sagt Hamacher. Gegründet worden sei sie von Leonhard Köhlen, der auch Ortsbürgermeister im Ort war. Und später wurde mit Peter Verse einen weiteren Ortsbürgermeister aus den Reihen der FWG.