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PilotprojektNRW-Ministerien schicken Polizisten auf Kerpener und Wesselinger Schulhöfe

6 min
Das Foto zeigt die Container an der Wilhelm-Busch-Hauptschule in Wesseling.

Derzeit werden die Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Busch-Hauptschule in Wesseling in Containern unterrichtet.

Ein neues Pilotprojekt sieht vor, auch im Rhein-Erft-Kreis Polizisten auf ausgewählten Schulhöfen einzusetzen und unterrichten zu lassen.

Mit einem neuen Pilotprojekt wollen das NRW-Schul- sowie das Innenministerium die Gewaltprävention an Schulen verbessern. An dem jüngst auf den Weg gebrachten Projekt beteiligen sich auch zwei Schulen aus dem Rhein-Erft-Kreis: die Gemeinschaftshauptschule am Mühlengraben in Kerpen-Horrem und die Wilhelm-Busch-Hauptschule in Wesseling.

Kerpen: Training soll beim Entschärfen von Konflikten helfen

Das Projekt mit dem Namen „Miteinander.stark.sicher – gemeinsam für eine gewaltfreie Schule“ startet Ende 2025 an 20 Schulen in NRW. Es sieht ein ausführliches Programm vor, das auf drei Säulen aufbaut. Die erste Säule basiert auf einem Deeskalationstraining für Lehrkräfte. Hier sollen sie Techniken lernen, um Konflikte zu entschärfen. Entwickelt hat die Einführung für das Training das Präventionsnetzwerk „Sicher im Dienst“, welches sich laut Angaben des Innenministeriums landesweit für mehr Sicherheit im öffentlichen Dienst einsetzt. 

„Das Training hilft dabei, verschiedene Gewaltformen zu erkennen, unter Einfluss von Stress ruhig zu kommunizieren und Techniken zur Konfliktvermeidung und Konfliktentschärfung anwenden zu können. Zur Einführung wird eine digitale Auftaktveranstaltung für Lehrkräfte zum Umgang mit Gewalt stattfinden“, heißt es vom Schulministerium. Zudem erhalten die Lehrkräfte Info-Taschenkarten mit Sicherheitsempfehlungen für kritische Situationen im Alltag.

Das Foto zeigt die Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) bei einem Besuch in Kerpen.

Hauke Weigand, Sprecher der Polizei Rhein-Erft, erläutert auf Anfrage zudem: „Die Einheiten im Deeskalationstraining werden an den Schulen durch das Schulministerium geplant und angeboten. In der Zusammenarbeit von Schulministerium, dem Landeskriminalamt und weiteren Stellen der Polizei ist ein Taschenkalender erstellt worden, der den Lehrenden ausgehändigt wird.“

Die zweite Säule sieht Unterrichtseinheiten in der Schule vor, die ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander vermitteln sollen. Sowohl uniformierte als auch zivile Polizeibeamte vermitteln unter Anleitung einer Lehrkraft die Inhalte. Die Einheiten werden in den siebten Klassen unterrichtet. Die Jahrgangsstufe wurde gewählt, weil dem Schulministerium zufolge ein Anstieg von Gewalt erst ab diesem Alter zu verzeichnen ist.

Polizei will Formen von Gewalt und rechtliche Konsequenzen besprechen

Weigand kann zudem etwas über die Inhalte der Lehreinheiten erzählen: „Inhaltlich werden unter anderem die unterschiedlichen Formen von Gewalt und die rechtlichen Konsequenzen für Täter thematisiert. Es wird über Zivilcourage gesprochen und die Erreichbarkeiten von Polizei und weiteren Hilfsorganisation vermittelt. Begleitet werden die Maßnahmen durch einen Kurzfilm und pädagogische Einheiten der Lehrkräfte.“

Der dritte Eckpfeiler des Programms umfasst Pausengespräche mit der Polizei. Uniformierte Polizeibeamte zeigen dabei Präsenz auf den Schulhöfen und sind für die Schüler ansprechbar. Die jungen Menschen können alles fragen, was sie interessiert oder ihnen auf dem Herzen liegt. „Die Gespräche dienen keiner Kontrolle, sondern dem Aufbau und der Stärkung von Vertrauen der Schülerinnen und Schüler in die Polizei. Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen“, stellt das Schulministerium klar.

„Die Schulhofgespräche sind eine Einladung an die Schülerinnen und Schüler zu einem offenen Austausch. Die Polizei zeigt: Wir sind da, wir sind ansprechbar, wir hören zu. Die Gespräche schaffen Vertrauen und das ist genau das, was wir wollen“, sagt Innenminister Herbert Reul zur dritten Säule.

Das Foto zeigt NRW-Innenminister Herbert Reul.

Innenminister Herbert Reul (CDU) bei einem Besuch in der Kerpener Jahnhalle zur Sicherheitspolitik des Landes.

„Mit den drei Maßnahmen, die ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken, legen wir die Grundlage für eine erfolgreiche Gewaltprävention und senden ein deutliches Signal, dass Gewalt an Schulen nichts zu suchen hat. Schule muss ein Ort sein, an dem sich alle am Schulleben Beteiligten sicher fühlen können – und genau das wollen wir mit unserer neuen ministeriumsübergreifenden Zusammenarbeit erreichen“, betont Ministerin Dorothee Feller.

Die Leitung der Horremer Gemeinschaftshauptschule (GHS) zeigt sich erfreut über die Aufnahme in das Programm: „Ich finde das Projekt sehr gut und freue mich, dass es an unsere Schule kommt. Es ist toll, dass die Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei gestärkt wird“, sagt Schulleiter Ingo Bartels. Ihm zufolge sind die Lehrkräfte bereits informiert, die Schüler erfahren die Details noch. Derzeit seien eben diese Details aber noch in der Ausarbeitung.

Wesseling: Hauptschule begrüßt die Zusammenarbeit

Auch in Wesseling stößt das Projekt auf ein positives Echo. „Die Förderung von Respekt und Toleranz ist auch ein wichtiges Thema an unserer Schule“, sagt Peter Klein von der Wilhelm-Busch-Hauptschule,  „denn wir möchten unseren Schülerinnen und Schülern nicht nur Wissen vermitteln, sondern sie auch in ihrer sozialen Entwicklung stärken“. Insofern begrüße die Schule, dass sie für das Pilotprojekt „Miteinander Stark“ des Landes NRW ausgewählt wurde, erklärt der Pädagoge weiter.

Aus seiner Sicht bietet die enge Zusammenarbeit mit der Polizei eine Chance für die Jugendlichen, in einem geschützten Rahmen Fragen zu stellen, Vorurteile abzubauen und neue Perspektiven zu gewinnen. „Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam – Lehrkräfte, Polizei, Schülerinnen und Schüler – einen positiven Wandel anstoßen können“, betont er. „Wir sehen in diesem Projekt eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung unserer Arbeit.“

Um Fälle von Gewalt zu reduzieren, gehören zu den konkreten Maßnahmen an der Schule bisher eine „bewegte Pause“, regelmäßige Anti-Gewalt-Trainings, Streitschlichtungen nach einem etablierten sowie klaren Regel- und Wertekatalog. Ein Team aus Sozialarbeitern und Beratungslehrern unterstützt die Arbeit der Lehrkräfte und „sind verlässliche Ansprechpartnern für die Schüler“, so Klein.

Rhein-Erft: Auswahl nach Vorerfahrung und Schulsozialindex

Derzeit stehen zwei Pädagogen der siebenten Klassen mit der Polizei in Kontakt, um Termine und Inhalte des Programms noch konkret abzustimmen. Eine Besonderheit in Wesseling ist derzeit, dass der Unterricht an der Hauptschule schon länger in Containern stattfindet, denn das Gelände des Schulzentrums ist gleichzeitig eine große Baustelle. Es entsteht in den nächsten Jahren hier ein neuer Schulcampus mit einem neuen Gymnasium und einer neuen Gesamtschule, die dann zum Schuljahr 2028/29 die Hauptschule ersetzen wird.

Ausgewählt wurden die Schulen laut Jörg Harm, dem Pressesprecher des Schulministeriums NRW, nach zwei Faktoren: zum einen nach dem Schulsozialindex. Dieser erfasst etwa, wie viele Kinder mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache an der Bildungseinrichtung sind, aber auch wie hoch die Kinder- und Jugendarmut ist, wie viele Kinder vorwiegend eine andere Sprache als Deutsch zu Hause sprechen und wie viele Schülerinnen und Schüler aus dem Ausland zugezogen sind.

Ein weiterer Faktor ist die Vorerfahrung der Schule mit Anti-Mobbing oder Gewaltpräventionsprogrammen. „Wir haben uns dazu entschieden, diesen Aspekt einzubeziehen, weil dadurch der Erfolg des Programms wahrscheinlicher ist“, erläutert Harm. 

Innenminister Herbert Reul sagt zusammenfassend: „Wir sehen bei der Kinder- und Jugendkriminalität Entwicklungen, die uns besorgen. Immer mehr junge Menschen neigen zu Gewalt.“ Er erläutert: „Die Polizei auf Schulhöfen und im Unterricht soll mehr Sensibilität für das Thema schaffen. Wir müssen frühzeitig ansetzen, um Schülerinnen und Schülern zu zeigen, wie sie Konflikte gewaltfrei lösen können. Nur so erreichen wir die nötige Wende in der Kinder- und Jugendkriminalität.“

Die Polizei Rhein-Erft macht, angesprochen auf die steigende Gewalt unter jungen Menschen, jedoch auch deutlich: „Die erhobenen Daten der Polizei Rhein-Erft-Kreis zeigen im Vergleich von 2023 und 2024 identische Zahlen für den Rhein-Erft-Kreis und liegen im unteren dreistelligen Bereich. Berücksichtigt sind Delikte der Gewaltkriminalität sowie vorsätzliche einfache Körperverletzungsdelikte.“