Unterwegs mit dem MähdrescherSo läuft die Ernte im Rhein-Erft-Kreis

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Magische Momente gibt es auch bei der Getreideernte, wenn die Sonne hinter Erp am Horizont verschwindet.

Rhein-Erft-Kreis/Erftstadt – Hell leuchten die Scheinwerfer des Mähdreschers. Nachts ähneln sie den funkelnden Augen eines Dinosauriers, der sich eingehüllt in eine kleine Staubwolke schnaubend durch den mannshohen Raps frisst. Langsam. Meter für Meter.

Die schönsten Sonnenuntergänge seines Lebens hat Landwirt Martin Richrath bei der Ernte seines Getreides in und um Erftstadt gesehen. Er genießt die Stunden auf seinem Koloss aus Stahl, insbesondere wenn um ihn die Welt langsam herunterfährt, die Dämmerung einsetzt und es dunkel wird. Die Ernte zählt für den 58-Jährigen zu der schönsten Zeit im Jahr. „Jetzt bekomme ich doch den Lohn für meine Arbeit“, sagt er.

Maschine fährt wie von Geisterhand

Sein Mähdrescher ist klimatisiert. Seine Bahnen zieht er GPS-gesteuert. Schnurgerade. Der Mähdrescher fährt dabei wie von Geisterhand gesteuert ganz alleine. Lenken muss Richrath nur beim Wenden, oder wenn er die Anhänger ansteuert, um seinen Getreidetank zu leeren.

Ein Bildschirm in seinem gläsernen Logenplatz zeigt ihm den Blick nach hinten – seine Augen jedoch sind nach vorne gerichtet. Die Scheinwerfer erhellen dort sein Sichtfeld, wo die stählernen Zähne des Giganten den Raps aus dem Feld greifen und an sich ziehen. Mit Getöse zerkleinern sie dann die staubtrockenen Pflanzen. Nur die feinen Früchte aus den Rapshülsen bunkert der Mähdrescher in seinem Getreidetank. Den Rest spuckt er geschreddert einfach hinter sich.

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Landwirt Martin Richrath auf seinem Mähdrescher.

Als Humus will Richrath das zerkleinerte Stroh später in den Boden einarbeiten. Lediglich ein Teil davon werde gepresst und gehe nach Holland, wo es als Tierfutter für Kühe und Rinder weiterverarbeitet wird.

Raps, das ist für Richrath das „schwarze Gold“

„Das Getreide ist einfach ein Multigenie“, sagt er. Insekten und Bienen biete die nektarreiche Rapsblüte schon früh im Jahr reichlich Nahrung. „Imker suchen die blühenden Rapsfelder regelrecht für ihre Bienenvölker“, weiß der Landwirt. Sein Raps werde zum Großteil gepresst und als Speiseöl weiterverarbeitet. Rapsöl werde sogar eine cholesterinsenkende Wirkung nachgesagt.

Als nachwachsender Rohstoff komme ein Teil aber auch der Kraftstoffindustrie zugute, wo das „schwarze Gold“ als Zugabe im E10-Kraftstoff und im Diesel beste Verwendung finde.

Bis zu 14 Stunden Ernte und es geht von vorne los

Tausende Gedanken von Gott und der Welt gehen Richrath durch den Kopf, wenn er seine Bahnen auf dem Feld zieht. Dabei sitzt er in der Erntezeit mitunter 12 bis 14 Stunden täglich auf seinem Mähdrescher. Feierabend ist erst angesagt, wenn Mitternacht ist.

Inzwischen ist es 23.30 Uhr – das Tagesziel ist fast geschafft. Am nächsten Morgen beginnt für Richrath das Spiel von vorne. Um 6 Uhr den Mähdrescher durchgecheckt, die Maschinen kontrolliert und getankt – dann geht es für den Landwirt auch wieder hinaus auf seine Felder. „Dann wird der Weizen eingeholt“, sagt er. Wieder wird er von morgens bis in die Nacht hinein dann auf seinem Mähdrescher sitzen und denken und dreschen. Nur beim Sonnenuntergang gegen 21.30 Uhr über Erp vergisst auch Richrath für einige Augenblicke alle Krisen der Welt. „Eigentlich habe ich doch den schönsten Beruf der Welt“, geht ihm in solchen Momenten dann durch den Kopf.  

„Die Erntemengen sind gut bis sehr gut“

Mit den Erträgen sind die Landwirte des Rhein-Erft-Kreises zufrieden. Bei der Qualität ist jedoch noch Luft nach oben. „Die Erntemengen sind gut bis sehr gut“, sagt Kreislandwirt Willy Winkelhag.

Das Wintergetreide habe gute Startbedingungen gehabt, im Frühjahr jedoch unter einer ersten Trockenperiode gelitten. Auf guten Böden können rund elf Tonnen je Hektar in die Scheuer gefahren werden. Auf schlechten Böden und wo es weniger geregnet hat, seien es lediglich acht. „Damit kann man im Durchschnitt zufrieden sein“, so Winkelhag.

Eiweißgehalt in Weizenkörnern zu niedrig

Sorgen bereitet ihm und seinen Kollegen der Eiweißgehalt der Weizenkörner. Er erreicht oft nicht die elf Prozent, die für die Qualifizierung zum Brotweizen erforderlich sind. „Die Lieferverträge, die wir abgeschlossen haben, können die meisten zurzeit nicht bedienen“, weiß Winkelhag. Grund ist, wie er sagt, die vorgeschriebene restriktive Düngung mit Stickstoff, die besonders bei der letzten Düngung Auswirkungen gehabt habe.

Ob auch Weizen mit geringerem Eiweißgehalt von den Mühlen zu Brotmehl verarbeitet wird, entscheiden die Mühlen. Das steht jedoch noch aus. „Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Kompromiss gibt, dass auch Weizen mit zehn Prozent Eiweiß als Brotweizen durchgeht“, hofft Winkelhag. In jedem Fall drohen Abschläge. Die können etwa zwei Euro pro Doppelzentner betragen, wenn die Körner nur zum Futterweizen taugen.

Von einem „vernünftigen Durchschnitt“ spricht auch der Elsdorfer Ortslandwirt Karl-Josef Conzen. Er bleibt noch gelassen. „Zuerst werden die schlechteren Qualitäten reif. Die Durchschnittsqualität wird noch steigen.“ Schlechtere, sandige Böden, die kein Wasser halten, und geringe Niederschlagsmengen hätten aber schon Einfluss auf Menge und Güte.

Weniger Stickstoff durch Gülle

Ersetzt wird die Stickstoffdüngung oft schon durch Gülle. Moderne Methoden der Ausbringung verhindern, dass es in weitem Umkreis tagelang stinkt. Durch direkte Einarbeitung in die Krume gelangt zudem weniger Stickstoff in die Atmosphäre, als wenn sie mit sattem Strahl ausgebracht wird.

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Gefallen ist, wie ein Sprecher der Landwirtschaftskammer mitteilt, der Börsenpreis für Weizen. „Im Mai lag er bei 440 Euro, jetzt bei 320 Euro.“ Das habe aber keine direkten Auswirkungen auf die Einnahmen der Landwirte, da diese das Getreide bereits vor Monaten zum dann gültigen Preis verkauft hätten.

Bundesweit geht der Bauernverband von einer Erntemenge von 41,2 Millionen Tonnen Getreide aus. Das wären drei Millionen Tonnen weniger als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre und drei Prozent weniger als im Vorjahr, als 42,3 Millionen Tonnen geerntet wurden. Die mit Getreide bebaute Ackerfläche ist demnach nahezu unverändert.

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