ArbeitsmarktIm Rhein-Sieg-Kreis ist die Chance auf einen Ausbildungsplatz groß

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Die meisten Bewerber gibt es für Ausbildungen in Arztpraxen, im Verkauf und in Büros.  

Rhein-Sieg-Kreis – Die Chance für junge Menschen, in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis einen Ausbildungsplatz zu bekommen, ist so groß wie lange nicht mehr. Gleichzeitig müssen sich die Betriebe sehr bemühen, einen Azubi einstellen zu können. Dieser Trend lässt sich aus der Jahresbilanz für den Ausbildungsmarkt 2021/22 der Region herleiten, die gestern von der Agentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Kreishandwerkerschaft vorgestellt wurde.

Danach verzeichnete die Arbeitsagentur mit 4538 Ausbildungsstellen sechs Prozent weniger als im Vorjahr; 2018/19 meldeten die Unternehmen noch 5500 Lehrstellen. Agentur-Geschäftsführer Bernd Lohmüller: „Wir haben die Talsohle erreicht.“

In Handwerksbetrieben unterschrieben 1428 Azubis ihre Lehrverträge

Gleichzeitig sank die Zahl der Bewerber um einen Azubi-Platz geringfügig um 1,7 Prozent auf 4671. Bei Handwerksbetrieben unterschrieben 1428 Frauen und Männer (plus 3 Prozent) einen Lehrstellenvertrag, im Bereich der IHK 2489 (plus 2,9 Prozent). Unterm Strich kommt ein Bewerber auf einen Ausbildungsplatz.

Für Lohmüller ist das kein Grund zur Freude: „Die Lage stabilisiert sich für die Betriebe auf besorgniserregendem Niveau“, da ihnen auf Dauer Fachkräfte fehlten, während sich die Schulabgänger auf ein breites Angebot freuen könnten.

IHK-Geschäftsführer Jürgen Hindenberg sprach gar von „paradiesischen Zuständen“ für die Aspiranten; mittlerweile müssten sich die Firmen bei den jungen Leuten „gut verkaufen“, um überhaupt Nachwuchs rekrutieren zu können. Da die Hälfte der Ausbildungsplätze in diesem Jahr unbesetzt sei, hat sich der Ausbildungsmarkt laut Lohmüller zu einem „Bewerbermarkt“ gewandelt.

Betriebe werden den Bedarf an Fachkräften nicht mehr abdecken können

Auch das Handwerk nennt diese Entwicklung „alarmierend“. Oliver Krämer, der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, berichtete, dass die Betriebe den tatsächlichen Bedarf an Fachkräften in den nächsten Jahren nicht abdecken könnten.

Die beliebtes Lehrstellen

Die beliebtesten Ausbildungsberufe bei den Bewerbern und bei den Stellenangeboten sind diese: Verkauf, Arzt- und Praxishilfe, Büro und Sekretariat. 211 junge Leute reichten Bewerbungen für eine Stelle in einer Verwaltung ein, doch es gab nur 131 Angebote.

Arbeitsagentur-Geschäftsführer Lohmüller sprach von einer „Renaissance“ der Verwaltung, weil sie seit der Zeit der Corona-Pandemie als krisenfest und sicher gelte. Am Ende der Top 10 stehen Klempnerei und Hochbau. (dbr)

Nur zwei Jugendliche wollten in diesem Jahr Fleischer werden, 22 Parkett- und Bodenleger, 63 Bäcker, 123 Stuckateure, 284 kamen im Kfz-Handwerk unter, 231 in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, 215 in Elektrobetrieben.

Das war mal anders. 2017 gab es im Zuständigkeitsbereich der Arbeitsagentur für 6312 Bewerber 5714 Jobangebote, 466 Ausbildungsplätze blieben unbesetzt, 218 Jugendliche gingen leer aus. Die Kammern und die Agentur appellierten damals händeringend an die Arbeitgeber, Lehrstellen anzubieten. Sie machten es, doch mitunter mit wenig Resonanz.

Mit einer Ausbildungsbörse will die Arbeitsagentur offene Lehrstellen besetzen

Hindenberg berichtete, dass die IHK in diesem Jahr 332 Betriebe neu angeworben habe, die Azubis aufnehmen wollten, doch davon konnten nur 83 konnten tatsächlich einen einstellen.

Wie soll der Trend gestoppt werden? Der IHK-Geschäftsführer wünscht sich eine Kampagne für das Duale System, also die Ausbildung in Betrieb und Berufsschule.

Die Politik solle sich gegenüber Geflüchteten „offener“ zeigen und die Sprachförderung an Schulen verbessern. Krämer hofft auf eine Imageverbesserung für das Handwerk, es müsse bei der Berufswahl mehr in den Blickpunkt der Jugendlichen, der Eltern und der Lehrer rücken. Das Handwerk in der Region biete mit seinen 130 Ausbildungsberufen „krisensichere Jobs und tolle berufliche Perspektiven“.

Die Arbeitsagentur geht am 6./7. März 2023 März mit einer Ausbildungsbörse im Brückenforum in die Offensive. IHK-Mann Hindenberg versicherte, dass Jugendliche, die jetzt keine Lehrstelle hätten, noch bis zum Februar in die Ausbildung einsteigen könnten.

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