Familie sammelt Spenden18-Jähriger aus Much mit Asperger-Syndrom kann nicht mehr alleine aus dem Haus

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Mutter und Sohn sitzen am Tisch und gucken Unterlagen durch.

Der Asperger-Autist Sebastian und seine Mutter Ingeborg wollen mit Unterstützung von Spenden einen Assistenzhund anschaffen.

Zu einem geregelten Leben zurückfinden möchte Sebastian aus Much. Ein Assistenzhund soll ihm dabei helfen.

„Ich bin in solchen Momenten völlig hilflos“, sagt Sebastian. Der 18-Jährige aus Much leidet unter heftigen Panikattacken, mitunter krampfend liegt er dabei am Boden. Seit vier Jahren kann der Asperger-Autist das Haus nicht mehr alleine verlassen, zu viele Reize, die auf ihn einwirken. Seine Mutter Ingeborg hat nun eine Spendenkampagne gestartet, mit der sie einen Assistenzhund für ihren Sohn anschaffen möchte.

Die Schulzeit des nun jungen Erwachsenen sei geprägt gewesen von Konflikten mit Lehrern und Mitschülern, berichtet Mutter Ingeborg. In jüngeren Jahren litt er unter Aggressionsproblemen, habe sich schnell angegriffen gefühlt. „Seine Zündschnur war sehr kurz. Das stachelte die Mitschüler dann umso mehr an.“ Die Gruppen, die ihn mobbten, seien immer größer geworden, berichtet seine Mutter. Manche seiner Freunde hätten sich zu der Zeit von ihm gelöst.

Einen Schulabschluss hat der 18-Jährige nicht. In der neunten Klasse sei er wegen zu vieler Fehlstunden mündlich nicht bewertet worden. Seine Schulnoten seien aber immer auf einem hohen Niveau gewesen, sagt die Mutter.

Asperger-Syndrom erst spät diagnostiziert – Sebastian hat atypische Symptome

Mittlerweile bestreitet Sebastian seinen Alltag fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden. Eine der wenigen Bezugspersonen ist seine alleinerziehende Mutter. Die Isolation führte zunehmend auch zu Depressionen bei dem 18-jährigen.

Die Diagnose des Asperger-Syndroms bei Sebastian wurde erst vor zwei Jahren gestellt, da nicht alle typischen Symptome bei ihm auftreten. Seit der Diagnose geht Ingeborg mit ihrem Sohn anders um. „Ich habe vorher Dinge von ihm verlangt, die er einfach gar nicht leisten konnte“, so die 56-jährige.

Sohn und Mutter sitzen sich am Tisch gegenüber.

Ingeborg unterstützt ihren Sohn, um den Weg in ein geregeltes Leben zu finden.

Sebastian kann bei fremden Personen keinen Augenkontakt herstellen, ihm mangelt es an Einfühlungsvermögen und er versteht keinen Sarkasmus. „Das, was er sagt, kann man wörtlich nehmen“, stellt Ingeborg klar. Wenn man mit ihrem Sohn kommuniziere, müsse man die Dinge auf den Punkt bringen, nicht umschreiben. Emotionen anderer könne er nur schwer erkennen und deuten. Er spreche Probleme direkt an, ohne sie freundlich zu verpacken. Aktuell könne man seine Kontakte auf eine Handvoll Menschen begrenzen. 

Assistenzhund soll Sicherheit bringen und Panikattacken frühzeitig erkennen

So treffe er sich hin und wieder mit einem alten Freund aus dem Kindergarten, meistens bei Sebastian zu Hause. Sein Alltag: „Aufstehen, irgendwas machen, schlafen gehen.“ Wenn jemand an der Tür klingelt oder das Telefon geht, geht er meistens nicht ran. In Online-Multiplayer-Spielen hat er durch Voicechat aber weiterhin Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen. „Das ist sehr angenehm, da es in den Gesprächen meistens nur um das Spiel geht und um nichts Persönliches. Außerdem spielt die Mimik gar keine Rolle“, betont der 18-jährige.

Das Tier gibt einfach Sicherheit und zeigt meinem Sohn: Er ist nicht alleine.
Ingeborg, Mutter von Sebastian

Die Idee, sich einen Hund zuzulegen, kam von Sebastian selbst. Das Gassigehen sei für ihn ein Grund, wieder rauszukommen. Nachdem sich Mutter Ingeborg mit dem Thema auseinandergesetzt hat, kam die Idee des Assistenzhundes auf.

Zum einen soll der Hund in brenzligen Situationen eine räumliche Distanz zwischen dem Autisten und anderen Menschen schaffen. Bei einem Anfall soll sich der Hund an Sebastian schmiegen und körperliche Nähe herstellen, um ihn zu beruhigen. Auch wenn sich eine Panikattacke anbahnt, soll der Vierbeiner das erkennen können. „Das Tier gibt einfach Sicherheit und zeigt meinem Sohn: Er ist nicht alleine!“, so die 56-jährige. 

Krankenkasse übernimmt nicht die Kosten: Spendenkampagne gestartet

Ingeborg ist mit einer Hundetrainerin im Austausch, die für die Familie einen Welpen organisieren würde. Der Hund soll nämlich von Anfang an auf Sebastian geprägt werden, um ihn so perfekt im Alltag begleiten zu können. Auch die Ausbildung ist aufwändig und teuer.

Aber: Ihre Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab. „Die Leute fragen sich: Warum braucht der einen Assistenzhund? Psychische Probleme sind eben nicht sichtbar“, erklärt der Asperger-Autist. Deshalb sammelt seine Mutter seit Dezember Spenden auf dem Portal GoFundMe.

Die Familie hofft, durch die tierische Hilfe zu einem geregelten Leben zurückzufinden. Sebastian möchte gerne sein Abitur nachholen und seinen Traumberuf des Fachmathematikers angehen, um Firmen und Unternehmen bei geregelten Abläufen zu beraten.

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