Corona in Rhein-SiegVeranstaltungsfirmen suchen nach neuen Ideen

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Gerald Albrich baute eine Veranstaltungshalle im Gewerbegebiet Bitzen.

Gerald Albrich baute eine Veranstaltungshalle im Gewerbegebiet Bitzen.

Karneval, Maifeste, Konzerte: ausgefallen. Die Auftragsbücher der Veranstaltungsbranche sind seit fast einem Jahr leer. Drei Beispiele von Unternehmen, die die Flaute für ein neues Standbein nutzen.

Eigene Veranstaltungshalle

Was ihm zu 2020 einfällt? „Katastrophe“, antwortet der Mucher Gerald Albrich ohne Zögern. „Von 100 auf null“ sei nach Karneval das Geschäft von Audio Music abgestürzt, die bis dahin vollen Auftragsbücher für Veranstaltungen im In- und Ausland, für Messen, Konzerte oder Firmen- und Privatfeiern, leerten sich mit jeder Stornierung.

Dennoch haben der 39-Jährige und seine 15 festen Mitarbeiter die Hände nicht in den Schoß gelegt. Stattdessen verwirklichten sie das Projekt einer Veranstaltungshalle am Firmensitz im Gewerbegebiet Bitzen, „mit viel Eigenleistung“ und der Zeit, die sie im Vorjahr nicht hatten. „Keine Disco“ werde es dort geben, betont Veranstaltungstechniker Albrich; Vereine, Firmen und Privatleute sollen auch dieses neue Standbein der 2005 gegründeten Firma nutzen können. Üppig dimensioniert ist die Lüftungsanlage der Halle, bis zu 9000 Kubikmeter Frischluft liefert die Technik in der Stunde.

Unternehmen haben sich an Lage angepasst

„Wir überstehen das gemeinsam“, lobt der Geschäftsführer sein Team, das derzeit den eigenen Bestand an Technik jährlichen Prüfungen und Wartungsarbeiten unterzieht. Mit Leitsystemen, wie man sie vom Flughafen kennt, und Spendern für kontaktlose Desinfektion hat sich das Unternehmen zudem auf die neue Lage eingestellt. Dazu gehört auch ein weiterer neuer Geschäftszweig: „Wir machen verstärkt Online-Konferenzen für Firmen und Kommunalpolitik.“ (dk)

Digitales Studio

Im Grunde war das Geschäftsjahr von Hendrik Brock und seiner Troisdorfer Firma Rheinland Akustik Anfang März 2020 beendet. „Unheimlich viel Karneval“ haben der 33-Jährige und seine derzeit gut zwei Dutzend Beschäftigten als Veranstaltungstechniker begleitet. Danach aber gab es nur noch „Storno, Storno, Storno“ in den Büros der 2010 gegründeten Firma.

Auf 90 oder 95 Prozent beziffert der Unternehmer den Umsatzverlust – und das in einem Jahr, in dem Brock und Mit-Geschäftsführer Philipp Suckrau umgezogen sind und an der Godesberger Straße die Betriebsfläche auf 800 Quadratmeter erweitert haben. „Hin und wieder haben wir mal eine Lampe getauscht, ein bisschen Hygiene gemacht“, mehr war 2020 nicht mehr drin.

Schulungen für Auszubildende

Nun ist die große Halle geschlossen, den sieben Azubis in allen drei Lehrjahren bietet der Chef regelmäßige Schulungen an, lässt Beschallungsanlagen aufbauen, die sonst in der Lanxess-Arena für den guten Ton sorgen. Aber obwohl er bereits 45 000 Euro an Ersparnissen investiert hat und zugibt, dass das „auf die Psyche schlägt“, betont er: „Das Glas ist halbvoll.“ Er habe ein „tolles Team, wir gehen da zusammen durch“.

Im Stich gelassen fühlt sich der Unternehmer nicht, Überbrückungshilfen und auch die Abschläge der Hilfen für November und Dezember seien stets angekommen. Kurzarbeitergeld freilich sei für den November noch nicht ausgezahlt worden. Und dennoch: Im Vergleich zu Kollegen im Ausland „geht es uns in Deutschland richtig gut“.

Weitere Standbeine aufgebaut

Es werde wieder Veranstaltungen geben, sagt Brock. „Aber vor Mitte 2022 wird man uns nicht brauchen.“ Bis dahin baut er ein weiteres Standbein auf: Zum 1. März wird er „Rheinland Studios“ an den Start bringen, mit zunächst einem Studio für digitale Veranstaltungen. Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage, „solange ich noch einen Euro auf dem Konto habe“. Das seien die Geschäftsführer den Mitarbeitern und der „Liebe zum Unternehmen“ schuldig. (dk)

Spezialisiert auf Licht

„Das Material steht hier im Lager und verdient kein Geld“, sagt Mario Scholz und zeigt in seine Halle. „Music 4  Everybody“ heißt sein Unternehmen, mit einem Angestellten bietet er Licht-, Ton- und Medientechnik an. Als Hauptdienstleister betreut er nahezu sämtliche Veranstaltungen der Siegburger Funken Blau-Weiß, von den Sitzungen in der Rhein-Sieg-Halle über „Viva la Wiever“ zu Regimentsappellen oder Senatorenabenden. Im S-Carrée beschallt und illuminiert er die bunt kostümierten Massen.

„Das ist alles weggebrochen“, sagt der 33-Jährige, der mit seiner Firma ins elfte Jahr geht. Nicht nur die fünfte Jahreszeit ist wichtig fürs Geschäft. Maifest in Mülldorf, Feuerwehrfest in Wolsdorf, Weinfest in der Siegburger City, Stadtfest in Olpe – alles abgesagt.

Neuorganisation und Materialpflege

In einem der Regale steht eine professionelle Nebelmaschine, die ein einziges Mal gelaufen ist. 12 000 Euro kostet allein dieses Effektgerät. Zwei seiner vier imposanten Subwoofer haben seit Karneval keinen einzigen Ton mehr von sich gegeben, Traversen stauben ein. Seinen Bühnenanhänger hat er schon verkauft.

Doch Scholz ist kein Jammerer, nutzt die Zeit zur Neuorganisation und Materialpflege. „Ich habe verdammt großes Glück, als Subunternehmer für große TV-Produktionen gebucht zu werden.“ Sportschau und Dschungelcamp, „Let’s dance“ – da ist er dabei. Vor Weihnachten hat er 6000 Euro in neue Scheinwerfer investiert und sich damit ein neues Feld eröffnet.

Organisation der Weihnachtsbeleuchtung

Für ein Siegburger Baustoffzentrum hat er mit seinen LED-Lampen die Weihnachtsbeleuchtung organisiert. „Wir spezialisieren uns auf LED“, berichtet er. Und auf Streaming, da hat er schon Kunden und führt erfolgversprechende Gespräche. „Wer die Krise überlebt, wird Gewinner sein“, ist sich der kreative Jungunternehmer sicher.

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Er scheut auch nicht davor zurück, als Lastwagenfahrer zu arbeiten oder Weihnachtsbäume zu verkaufen. Für seinen Mitarbeiter hat er Kurzarbeit angemeldet, kann ihn aber immer wieder beschäftigen und dann selbst entlohnen. Das ist ihm wichtig. „Ob es bald wieder große Open-Air-Konzerte gibt, das weiß keiner.“ Und doch ist er optimistisch: „Ich werde Spaß ohne Ende haben an der ersten Mädchensitzung, die wieder läuft.“ (rvg)

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