„In den Bus oder in den Krieg“U-17-Fußballteam aus Kiew flieht nach Hennef

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Ukrainische Jugendliche trainieren mit dem Nachwuchs des FC Hennef auf der Platzanlage des FC Hennef. 

Hennef – Ein bisschen mehr Trainingssachen als sonst sollten sie einpacken, teilte der ukrainische Trainer seiner U-17-Mannschaft am Telefon mit. Sonst nichts. Das Training ließ er auf dem Sportplatz in Kiew wie immer stattfinden an diesem 8. März, knapp zwei Wochen nach dem das russische Militär den kriegerischen Überfall auf das Land begonnen hatte.

Danach holte er seine Jungs zu sich und sagte: „Entweder ihr steigt jetzt in den Bus, der dort vorne wartet, und fahrt nach Deutschland, oder ihr müsst in den Krieg ziehen.“ So berichtet es Clemens Wirtz, Präsident des FC Hennef 05. Ohne sich von ihren Familien verabschieden zu können, seien die Jungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren abgefahren. Vier Tage später kamen sie im Rhein-Sieg-Kreis an.

Direktor der junge Fußballer ins Ausland

Stefan Rönz vom Fußballverein Mittelrhein übernahm die Betreuung. Mit Direktor Zharkov von der Jugendakademie von Dynamo Kiew, der die Flucht der Spieler organisiert hatte, steht er schon lange in Kontakt. Zu Kriegsbeginn hatte er geholfen, dessen Familie in Sicherheit zu bringen. Er kümmert sich hier in Deutschland um die jungen Fußballer, die Zharkov seitdem außer Landes schleust.

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Zum spontanen Training fanden sich die geflüchteten Jugendlichen und die Hennefer Nachwuchsspieler auf dem Rasen zusammen.

Für die 27 U-17-Spieler aus dem befreundeten Umfeld von Dynamo Kiew fand er zunächst Gastfamilien. Weitere 30 junge Spieler, die Zharkov außer Landes brachte, konnte er im rheinland-pfälzischen Asbach unterbringen. „Wenn er die nicht rausgeholt hätte, hätten die jetzt ein Gewehr in der Hand“, ist Rönz überzeugt.

In der Sportschule Hennef fanden die 27 Jungen am Montag eine gemeinsame Bleibe, in enger Betreuung durch Jugendamt und Sozialamt, das den Aufenthalt für die kommenden Wochen bezahlt. Rönz hofft, dass die jungen Spieler länger dort bleiben können und auch einen Platz zum Trainieren zur Verfügung gestellt bekommen, den sie an der Sportschule noch nicht haben. Das Training sei wichtig, „damit sie auf andere Gedanken kommen.“ Die Sorge um die Mütter daheim, um Väter und Brüder im Krieg belaste die Jugendlichen sehr.

Verein sucht Wohnraum für Familien

Verein sucht Wohnraum für Fußballer

Der FC Hennef 05 sucht für einige Familien der jungen ukrainischen Fußballer Unterkünfte, Zimmer oder auch Wohnungen. Gesucht wird für eine Mutter mit zwei Töchtern im Alter von elf und drei Jahren , eine Mutter mit einem weiteren Sohn (13) sowie für eine Mutter ohne weitere Kinder. (seb) 

Möglicherweise kommen in den nächsten zwei bis drei Tagen weitere Verwandte der U-17-Mannschaft in Hennef an. Eine weitere Mutter mit einem Kind und ihrer eigenen Mutter werden erwartet. Der Junge ist 2011 geboren und ist Stürmer in einer Jugendmannschaft von Dynamo Kiew.

Wer entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten oder sogar eine Wohnung für die Angehörigen zur Verfügung stellen kann, kann sich direkt beim Präsidenten des FC Hennef 05, Clemens Wirtz melden, entweder per E-Mail oder auch telefonisch unter 02242/91 42 32.   

Am vergangenen Wochenende konnten sie in Geistingen beim FC Hennef 05 ein Spiel machen und durften auch das Meisterschaftsspiel der U17-Mannschaft gegen Fortuna Düsseldorf sehen, bekamen Getränke und Verpflegung gratis. Von der Begeisterung der Jungen über das Spiel war Hennef 05-Präsident Wirtz auch Tage später noch berührt: Zu sehen, wie die Jugendlichen nach einer solchen Flucht mit Begeisterung Fußball gespielt hätten, das sei schon besonders gewesen, berichtet er im Gespräch mit dieser Zeitung.

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„Das sind echt noch Kinder. Wenn man selber Kinder hat, mag man sich das gar nicht vorstellen. Die sind jetzt hier in Hennef in der Fremde und ohne zu wissen, ob sie ihre Heimat, ihre Eltern und Geschwister oder ihre Freunde einmal wiedersehen werden. Ich war selten so betroffen.“

Am Samstag, 26. März, ist ein Freundschaftsspiel der U17 Bundesliga-Juniorenmannschaft von Hennef 05 gegen die ukrainischen Kicker auf dem Gelände der Sportschule geplant. „Da werde ich persönlich mit dem Hut rumgehen“, kündigt Wirtz an.

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