Die Landesregierung will in Nordrhein-Westfalen mehr Wälder als Wildnisgebiete ausweisen. Einschränkungen für Waldbesucher soll es ausdrücklich nicht geben.
NaturschutzIn Königswinter fällt der Startschuss zur Ausweisung von Wildnisgebieten in NRW

Auch ein spezielles Waldgebiet: Eine von derzeit 73 Naturwaldzellen in NRW ist am Nonnenstromberg im Siebengebirge ausgewiesen. Hier geht es um den Erhalt von Altwäldern und deren Erforschung. Jetzt sollen weitere Wildnisgebiete auch in der Region ausgewiesen werden.
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Von einem „guten und wichtigen Tag für den Naturschutz“ sprach NRW-Umweltminister Oliver Krischer am Dienstag, als in Königswinter sozusagen der Startschuss fiel für die Ausweisung weiterer Wildnisgebiete in Nordrhein-Westfalen. Auf rund 5000 Hektar Fläche im landeseigenen Wald soll bis Mitte nächsten Jahres die Holzbewirtschaftung eingestellt werden, um die Natur mehr sich selbst zu überlassen.
Dass Oliver Krischer und seine Kabinettskollegin und Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen das Siebengebirge ausgewählt haben, ist kein Zufall. Dort sind bereits fast 1000 Hektar Wald besonders geschützt. So sind schon seit 2010 mehr als 520 Hektar Wald, der dem Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) gehört, als Wildnisgebiet ausgewiesen.
Umweltminister Krischer hebt Bedeutung der Wildnis für Artenschutz hervor
„Zwei Drittel unseres Waldes hat seitdem keine Axt mehr gesehen“, sagte VVS-Vorsitzender Hans Peter Lindlar. In unbewirtschafteten Wäldern „haben sich Arten entwickelt, die vorher gar nicht da waren“, hob Oliver Krischer die Bedeutung der Wildnisgebiete für den Naturschutz hervor.
Nach Angaben seines Ministeriums sind beispielsweise Schwarzspechte, Fledermäuse und Käuze oder Wildkatzen in solchen Wäldern heimisch. Wälder mit natürlicher Entwicklung unterstützten aber auch den Klimaschutz. Bisher gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 1000 Wildnisentwicklungsgebiete mit einer Gesamtfläche von etwa 8000 Hektar. Noch einmal etwa 5000 Hektar sollen bis Mitte 2026 hinzukommen.
Im Siebengebirge ist davon die Ausweisung von rund 200 Hektar geplant. Darunter sind wiederum auch Flächen auf dem Gebiet der Stadt Bad Honnef, die in ihrem Stadtwald in den vergangenen Jahren Tausende Fichten gefällt hat, die vom Borkenkäfer befallen waren.
Bei der Ausweisung von Wildnisgebieten gehe es, betonte Silke Gorißen, immer nur um den landeseigenen Wald. Dort soll der Anteil von Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung auf mehr als 15 Prozent gesteigert werden.

Den Drachenfels im Hintergrund: Vertreter der Region und des Forstbetriebs mit Umweltminister Oliver Krischer (3.v.l.) und Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen.
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Bereits im Blick haben die Behörden im Rhein-Sieg-Kreis rund 100 Hektar Wald auf dem Höhenzug Leuscheid. Aber auch Flächen in den Kreisen Coesfeld und Unna würden zurzeit geprüft sowie eine Fläche nördlich des Nationalparks Eifel.
Ausdrücklich traten Oliver Kirscher und Silke Gorißen der Befürchtung entgegen, die Ausweisung weiterer Wildnisgebiete sei mit Einschränkungen für die Menschen verbunden. Es werde keine Betretungsverbote geben, die Nutzung der Wälder und Wege für Erholungsuchende und Spaziergänger blieben „im vollen Umfang“ erhalten, so Krischer.
Auch Silke Gorißen sagte, es entstünden keine Gebiete, in denen der Zugang nicht mehr möglich sei. „Im Gegenteil“, die Menschen könnten beobachten, was passiere, wenn Wälder nicht mehr bewirtschaftet würden. Es gehe darum, „den Artenschutz im Wald voranzutreiben“.
Das Ganze werde begleitet durch die Förster und den Landesbetrieb Wald und Holz. Dessen Leiter Thomas Kämmerling betonte, die Förster kümmerten sich auch in Wildnisgebieten weiterhin um die Verkehrssicherheit, ergriffen Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen oder seien auch in der Saatgutgewinnung tätig. Großgeschrieben werde zudem das Thema Umweltbildung.
Siebengebirge beim Naturschutz in einer Vorreiterrolle
Der Forstbetriebsleiter schloss jedoch auch nicht aus, dass im Zuge der Besucherlenkung Wege schon mal zurückgebaut werden könnten. Rhein-Sieg-Landrat Sebastian Schuster sprach von der „Herausforderung“, einen Ausgleich zu finden zwischen den Wünschen der Menschen nach Aufenthalt in der freien Natur und zugleich deren Schutz.
Nach Einschätzung von VVS-Chef Hans Peter Lindlar hätte sich die Landesregierung für ihren Startschuss zur Ausweisung weiterer Wildnisgebiete keinen besseren Platz als das Siebengebirge aussuchen können. Am Drachenfels sei 1921 eines der ersten Naturschutzgebiete Deutschlands ausgewiesen worden, und das Siebengebirge sei 1958 der erste Naturpark in Nordrhein-Westfalen gewesen.
Und schließlich sei der VVS „mit gutem Beispiel vorangegangen“, als er 2010 den Wildnisvertrag mit dem Land NRW unterzeichnete. Die Vereinbarung, die eine Ausgleichszahlung des Landes an den Verein vorsieht, läuft aber nur bis 2030. Er habe, so der VVS-Vorsitzende, vom Vorstand und von den Mitgliedern des Vereins die Genehmigung, die Zusammenarbeit um bis zu 50 Jahre fortzusetzen. Eine Einigung darüber hänge, so vermutete Lindlar, zum Schluss wohl am Geld.