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Trotz starker GefährdungFamilie mit schwerbehindertem Sohn droht Abschiebung aus Lohmar

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Merab Sharia mit seinem mehrfach behinderten Sohn Bagrat: Der Familie droht die Abschiebung, obwohl das Kind in Georgien nicht medizinisch angemessen versorgt werden kann.

Merab Sharia mit seinem mehrfach behinderten Sohn Bagrat: Der Familie droht die Abschiebung, obwohl das Kind in Georgien nicht medizinisch angemessen versorgt werden kann. 

In Georgien könne der Zwölfjährige nicht medizinisch versorgt werden, klagen Eltern und Ehrenamtler.

Der zwölfjährige Bagrat ist blind und hat eine weitere körperliche Behinderung. Dennoch droht ihm und seiner Familie, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, jetzt die Abschiebung nach Georgien, das als sicheres Herkunftsland definiert wird. In Georgien gebe es jedoch keine Schulen oder Therapiemöglichkeiten, die der schwerstmehrfachbehinderte Junge benötigt. Das teilt Marie Seelbach von der Organisation Seebrücke mit, an die Bagrats Eltern sich Hilfe suchend wandten.

Bagrat und seine Eltern stammen aus einem heute von Russland besetzten Teil Georgiens. Vor zwei Jahren flüchtete die Familie nach Deutschland, sie sind aktuell in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Lohmar untergebracht. In Lohmar konnte Bagrat eine Förderschule für körperliche Entwicklung besuchen.

Bagrat konnte in Lohmarer Förderschule aufblühen

Emotional und gesundheitlich konnte der heute Zwölfjährige dort aufblühen. „Er lacht wieder, kommuniziert mit seinen neu gewonnenen Freunden immer mehr auch auf Deutsch, tanzt mit Hilfe gerne zu Musik und singt fröhlich mit“, sagt die Ehrenamtliche Marie Seelbach.

„Vergleicht man Bagrat mit dem Kind, das er vor zwei Jahren war, würde man ihn nicht wiedererkennen“, berichtet auch eine Lehrerin von Bagrat. „Hat er am Anfang noch viel geweint, so ist er mittlerweile ein fröhlicher, herzlicher Junge, den alle an unserer Schule ins Herz geschlossen haben.“ Als vor etwa drei Wochen der Abschiebebescheid kam, seien auch seine Mitschüler stark betroffen gewesen.

Bei Behördenterminen wird uns angedroht, dass wir jederzeit abgeschoben werden können, auch nachts.
Mutter von Bagrat

Wie stark Bagrat sich entwickeln konnte, habe sich vor allem beim Schulfest seiner Förderschule Ende September gezeigt. Mit Unterstützung seiner Schulbegleitung habe Bagrat dort in der Kinderdisco tanzen, bei einer Mitmachgeschichte zuhören und mit allen Sinnen den Herbst erfahren können. Solche Erlebnisse seien ihm in Georgien aufgrund der fehlenden Förderschulen nicht möglich gewesen, teilt die Organisation Seebrücke mit.

In dieser Flüchtlingsunterkunft in Lohmar-Birk ist die Familie derzeit untergebracht.

In dieser Flüchtlingsunterkunft in Lohmar-Birk ist die Familie derzeit untergebracht.

„Den motorischen Stand, den er jetzt bereits in zwei Jahren geschafft hat, hätte er in Georgien nie erreichen können“, sagte die Mutter des Jungen, die aufgrund ihrer Situation anonym bleiben möchte. In Georgien hatte sie als Physik- und Chemielehrerin gearbeitet. In den zwei Jahren ihres Aufenthalts konnte sie bereits Deutsch auf B2-Niveau lernen und bewirbt sich aktuell um eine Ausbildung zur Altenpflegerin.

In Deutschland gibt es das Recht auf individuelles Asyl. Gerade bei den Benachteiligungen, die Bagrat aufgrund seiner Behinderung in Georgien erfährt, ist dies absolut gegeben.
Marie Seelbach, Seebrücke Köln

Auch Bagrats Vater habe eine körperliche Behinderung und sei in seiner Bewegung stark eingeschränkt, was die Perspektive einer Rückkehr nach Georgien zusätzlich belaste, sagt Marie Seelbach. Sollte es zu weiteren militärischen Übergriffen Russlands kommen, wäre eine Flucht für die Familie schwer möglich.

Auch Bagrats medizinische Situation sei aktuell kritisch, teilt die Ehrenamtliche Marie Seelbach mit. So sei dem Zwölfjährigen erst vor Kurzem ein Katheter gesetzt worden, er habe starke Probleme mit seiner Blase, die in Georgien ebenfalls nicht behandelt werden konnten. In der Förderschule gebe es Mitarbeitende, die sich hiermit auskennen und dem Jungen Medikamente verabreichen können, außerdem werde die Familie eng von einer Krankenschwester begleitet.

Laufender Härtefallantrag beim Siegburger Ausländeramt: laut Seebrücke nicht vielversprechend

Da Bagrat in Georgien keinen Zugang zu solchen Möglichkeiten hätte, müsste sich seine Mutter selbst medizinisch einarbeiten und alle zwei bis drei Stunden in seine Schule kommen, um ihm medizinisch zu versorgen. Durch seine Körperbehinderung seien immer wieder Operationen notwendig, sagt Seelbach, „darauf wird er zeit seines Lebens angewiesen sein.“

Dennoch habe das Siegburger Ausländeramt den Asylantrag der Familie abgelehnt, sagt Seelbach. Aktuell laufe ein Härtefallantrag, „wir haben allerdings große Sorge, dass der nicht durchgehen wird.“ Das Siegburger Ausländeramt sei bekannt für härteres Vorgehen und schnellere Abschiebungen, insbesondere was „sichere Herkunftsländer“ angeht. 

Aktuell hoffe sie, dass Bagrats Familie zumindest bis Januar eine Duldung erhalte, da hier noch mehrere wichtige Arzttermine anstehen. Sollte der Härtefallantrag nicht durchgehen, bestünde noch die Möglichkeit einer Petition, sagt Seelbach.

„Bei Behördenterminen wird uns angedroht, dass wir jederzeit abgeschoben werden können, auch nachts“, berichtet die Mutter von Bagrat. „Dass eine so belastete Familie, die aktuell mit so vielen gesundheitlichen Baustellen zu kämpfen hat, auf eine solche Art und Weise bedroht wird, ist unmenschlich“, sagt Marie Seelbach. „In Deutschland gibt es das Recht auf individuelles Asyl. Gerade bei den Benachteiligungen, die Bagrat aufgrund seiner Behinderung in Georgien erfährt, ist dies absolut gegeben.“