MedikamenteFast alle Apotheken dicht – Wie Kunden in Rhein-Sieg auf den Streik reagieren

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Eine verschlossene Apotheke am Streiktag.

Hinter dem Schutzgitter hat die Ursula-Apotheke in Troisdorf einen Zettel zum aktuellen Notdienst ausgehängt.

Die meisten Apotheken in Rhein-Sieg sind am 14. Juni geschlossen geblieben – bei Notdiensten gab es Schlangen. Wie Kunden zum Streik stehen.

Wer am Mittwoch spontan auf der Suche nach einer geöffneten Apotheke war, hatte es nicht leicht: Verschlossene Türen und abgedunkelte Räume erwarteten diejenigen, die nicht gezielt eine der Notdienst-Apotheken im Kreis aufgesucht hatten. So drückte sich trotz zahlreicher Ankündigungen doch manch einer die Nase am Schaufenster platt und las die Hinweise zum bundesweiten Protesttag der Apotheken.

Mehr als 85 Prozent, so schätzt die Apothekenkammer, blieben geschlossen. Umso mehr frequentiert wurden am Mittwochmorgen die fünf geöffneten Notdienst-Apotheken im rechtsrheinischen Kreisgebiet.

Schon gegen 9 Uhr bildete sich vor der Engel-Apotheke an der Troisdorfer Poststraße eine kleine Schlange. Unter den Wartenden ist Kamyab Jalilian. Der 24-Jährige war schon frühmorgens zu einem Gesundheitscheck von Wahn nach Bonn gefahren. Auf dem Rückweg nutzte er den Bahnhalt in Troisdorf und legte einen Zwischenstopp in der Apotheke ein.

Viel Verständnis für den Streik vor Notdienst-Apotheken in Siegburg

„Ich habe im Internet geschaut, welche Apotheken geöffnet haben“, sagte der 24-Jährige. Genervt wegen des Umwegs sei er nicht: „Für mich ist das gar kein Problem. Der Streik war lang genug angekündigt und die Apothekerinnen und Apotheker gehen ja auch für unsere Versorgung auf die Straße.“

So wie Kamyab Jalilian reagierten am Mittwoch viele. Wilhelm Becker aus Troisdorf fuhr mit dem Fahrrad vor. „Ich habe im Fernsehen gehört, dass die Apotheken schon seit zehn Jahren auf eine Erhöhung des Honorars warten“, sagte der 87-Jährige. Deshalb sei es nur nachvollziehbar, auf die Straße zu gehen: „Wenn sich niemand lautstark zu Wort meldet, passiert auch nichts.“

Vor der St.-Rochus-Apotheke in Siegburg-Kaldauen zeigte sich ein ähnliches Bild. Die Apotheke war gut besucht, aber auch nicht überfüllt. „Echt bitter, dass es nur so geht“, fasste Vera Heinen ihre Gefühlslage zusammen. Sie habe drei   Apotheken abgefahren und sei schließlich in Kaldauen gelandet. Eigentlich sei es nicht in Ordnung, dass der Konflikt auf den Schultern der Kunden ausgetragen werden. Anders – so Heinen – verändere sich aber nichts. „Hoffen wir, dass es was bringt.“

Apothekenstreit ist in dieser Größe einmalig für den Rhein-Sieg-Kreis

Der Wunsch, gehört zu werden, hatte am Mittwoch Tausende zur zentralen Kundgebung nach Düsseldorf getrieben. Unter ihnen war auch Florian Wehrenpfennig mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Rathausapotheke im Huma-Einkaufszentrum.

„So einen großen Protest hat es in meinen 30 Jahren als Apotheker noch nie gegeben“, stellte Wehrenpfennig fest. Anders gehe es aber auch nicht: „Manche sagen, dass wir die Wand sehen. Andere meinen, wir stehen schon drin.“ Der Medikamentenmangel, die zunehmende Bürokratisierung und die fehlende Anpassung der Honorare – all das sei so nicht mehr hinzunehmen. „Es geht um die Zukunft der Apotheke, aber natürlich auch um die Versorgung der Menschen.“

Umso schöner sei es, dass die absolute Mehrheit seiner Kunden positiv auf die Ankündigung zum Streik reagiert habe. „Für uns war ziemlich unvorhersehbar, wie die Leute reagieren. Letztlich war die Botschaft vor allem: „Endlich macht ihr mal was“ – das gibt Rückenwind.“

Kunden in Rhein-Sieg spüren Medikamentenmangel immer wieder

Von einer „Geschlossenheit, wie ich sie bislang noch nie erlebt habe“, spricht Ulrike Jüngel-Sandner, Sprecherin der Apothekenkammer Nordrhein im rechtsrheinischen Kreisgebiet. Damit seien durchaus die Kunden eingeschlossen. „Viele haben Verständnis gezeigt und uns ermutigt“, sagt die Apothekerin.

Klar sei aber auch, dass alle Kunden die Probleme der vergangenen Jahre immer wieder am eigenen Leib gespürt hätten. „Die junge Mutter, die gerade in der zehnten Apotheke steht, um Fiebersaft für ihr Kind zu bekommen, muss niemand mehr davon überzeugen, dass sich etwas ändern muss.

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