19 ProzentWirte in Rhein-Sieg fürchten Gastro-Massensterben durch Mehrwertsteuererhöhung

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Die Branche war nach der Corona-Pandemie auf einem guten Weg, nun könnte die Mehrwertsteuer zum Problem werden.

Das Gastgewerbe in Rhein-Sieg steht unter Druck. Langsam erholt sich die Branche, doch es droht Ungemach – in Gestalt der Mehrwertsteuer.

Die Warnungen aus der Gastronomie klingen dramatisch. 12.000 Betrieben droht laut Branchenverband Dehoga deutschlandweit das Aus, Preise im Restaurant könnten um durchschnittlich 18,2 Prozent steigen, zahlreiche „öffentliche Wohnzimmer“ aus dem öffentlichen Raum verschwinden. All das und noch mehr steht laut Dehoga auf dem Spiel, sollte die in der Corona-Pandemie gesenkte Mehrwertsteuer für die Gastronomie Anfang nächsten Jahres wie geplant wieder von sieben auf 19 Prozent steigen.

„Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Bernd Kranz, Dehoga-Chef im Rhein-Sieg-Kreis und Geschäftsführer des Parkhotels Kranz in Siegburg. Dabei sollte die Stimmung nach den Herbstferien eigentlich sehr gut sein. Von der Lebensmittelmesse Anuga habe auch die Region stark profitiert, die Betriebe seien gut gebucht. „Die Kollegen sind zufrieden“, sagt der Hotelier.

Wirte berufen sich auf ein Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz

Der Blick in die Zukunft ist für Kranz und viele seiner Kollegen dennoch von viel Unsicherheit geprägt. „Wirtschaftlich gesehen befinden wir uns ohnehin schon in schwierigen Zeiten – Corona, Krieg und Energiekrise haben die Betriebe stark geschwächt“, schildert der 51-Jährige. Die Mehrwertsteuererhöhung wäre „der nächste schwere Rückschlag“ für die Branche.

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Kranz und seine Kollegen berufen sich auf ein Wahlversprechen von Olaf Scholz (SPD), das dieser 2021 als Kanzlerkandidat gegeben hat („Das schaffen wir nie wieder ab“). „Jetzt hat er sich das offenbar anders überlegt“, sagt der Dehoga-Vorsitzende. Die Unsicherheit, ob die Erhöhung denn nun wirklich kommt, sorge für viele Probleme in den Betrieben.

„Die Kollegen müssen planen, die Banken wollen Informationen“, sagt der 51-Jährige. Das sei bei so viel politischer Unsicherheit aber kaum möglich. Der Blick in die Zukunft sei schwierig, gerade für die kleineren Betriebe. Immer wieder gebe es Kollegen, die keine Lust mehr hätten, so weiterzumachen. „Sieben Tage pro Woche arbeiten, um für sich selbst noch ein bisschen Geld rausziehen zu können – das geht stark an die Substanz.“

Mehrwertsteuererhöhung könnte vielen in Rhein-Sieg das Genick brechen

Weiterhin gelte in der Branche aber das Prinzip Hoffnung. Die sieben Prozent seien für die Betriebe extrem wichtig, da ohnehin schon mit zwei Prozent Kostensteigerungen durch steigenden Personalkosten und Energiepreise zu rechnen sei. „Wenn wir noch mehr auf unsere Gäste umlegen müssen, bleiben sie irgendwann weg“, prognostiziert der Dehoga-Vorsitzende.

Ein Koch arbeitet in der Küche.

Im traditionsreichen Mucher Lindenhof unmittelbar im Zentrum des Hauptortes bereitet Arin Zarabian in der geräumigen Küche die Schnitzel für seine Gäste vor.

„Wir erleben gerade ganz schwierige und harte Zeiten“, sagt Arin Zarabian, der das Traditionsgasthaus Lindenhof in Much leitet. Wenn die Mehrwertsteuererhöhung wirklich komme, werde das viele Genicke in der Branche brechen, fürchtet der Gastwirt. Schon jetzt sei es für kleinere Betriebe schwer genug. „Auf dem Großmarkt kriege ich Schwindelgefühle“, sagt Zarabian.

Die Preisschwankungen seien enorm, die Kalkulation der Preise dadurch extrem schwierig. Zwischenzeitlich habe das Kilo Paprika 19 Euro gekostet. Hinzu kämen die deutlich gestiegenen Energiepreise. „Angestupst werden wir seit einiger Zeit von allen Seiten, die Preise steigen überall – das merkt ja auch jeder Privathaushalt“, sagt der Gastronom.

Allein deshalb müssten die sieben Prozent unbedingt bleiben. „Soll ich das Schnitzel künftig für 30 Euro anbieten? Kann ich machen, kauft dann nur keiner“, sagt Zarabian. Dennoch will er den Kopf nicht in den Sand stecken.

In Mucher Betrieb gab es seit einem Jahr keinen Ruhetag mehr

In seinem Betrieb helfe die ganze Familie mit, seit einem Jahr habe es keinen Ruhetag mehr gegeben. „Das muss man als Gastronom und als Familie körperlich und nervlich schaffen und auch wollen“, sagt Zarabian. Zwar werde es auch für ihn als leidenschaftlichen Gastronom immer schwieriger – „wir glauben aber trotzdem fest daran, dass wir auch diese Situation überstehen werden und sehen das als Herausforderung.“

Sebastian Heitmann, der mit seinem Mann David soeben das Café Zur alten Schule eröffnet hat, nimmt die Situation ebenfalls sportlich: „Ich bin da echt optimistisch“, erklärt er. „Die Menschen sind Genusswesen, die gehe auch weiterhin raus.“ Der schnelle Kaffee für unterwegs werde vielleicht mal weggelassen. „Die Gäste werden gezielter kommen, vielleicht dafür wenig oft.“ Im Geschäftsplan zu ihrer Neueröffnung hätten sie schon damit gerechnet.

Zwei Männer stehen vor einem Fachwerkhaus.

David und Sebastian Heitmann haben das Haus Sonnenschein und das Panorama-Café in Stadt Blankenberg gekauft.

„Wir haben nicht darauf gehofft, dass die Erhöhung nicht kommt“, so Heitmann. Viele Gastronomen hätten die Senkung der Mehrwertsteuer nicht durchgereicht an ihre Kunden. „Die Menschen schauen auf die Preise, das merken wir“, beschreibt der Hotelier. „Wir arbeiten viel mit Demeter-Produkten und sind so etwas teurer.“ Sein Gatte David Heitmann ist gleichwohl durchweg zufrieden mit dem Start. „Gerade Sonntag haben wir so richtig, richtig, richtig Betrieb.“ Das Publikum sei sehr gemischt. „Wir haben Wanderer, Motorradfahrer, Biker, vor allem Tagesgäste und viele Stadt Blankenberger, der gerne wieder kommen.“

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