Nach 20 Jahren in SiegburgPastoren-Paar wandert mit Familie nach Sierra Leone aus

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Eine neue Aufgabe wartet auf Familie Döhring.

Siegburg – Fast 20 Jahre lang prägten Christina und Ralf Döhring das Geschehen in der evangelisch-freikirchlichen Christusgemeinde Siegburg und der Stadt – nun wandert das Pastoren-Ehepaar mit Sohn Nathanael nach Sierra Leone aus.

Ralf Döhring war zudem treibende Kraft hinter dem Baseballcamp Siegburg, das die Gemeinde seit 2011 jährlich mit einer Partnergemeinde aus Texas ausrichtete. Der Wegzug der Familie bedeutet das vorläufige Ende der Ferienaktion auf dem Gelände der Brückberg-Kaserne.

Für Christina Döhring ist es eine Berufung

Anfang August verlassen die Döhrings ihr Zuhause in Sankt Augustin-Mülldorf für mindestens vier Jahre. Von Frankfurt geht es über Paris nach Freetown, Hauptstadt des westafrikanischen Staates. In Jui, einem Städtchen in der Nähe, tritt Christina Döhring eine Stelle als Dozentin am theologischen College an, lehrt dort das Alte und Neue Testament.

Eine Berufung, wie sie sagt: „Als ich die Stellenausschreibung im Mai 2021 entdeckt habe, wusste ich sofort: Das ist mein Platz“, erinnert sich die 47-jährige. Sie arbeitet künftig für die Europäische Baptistische Mission International (EBM International), die Bibelschule in Jui wiederum wird von mehreren Kirchen getragen.

Beide waren schon jung im Ausland

„Wir beide haben früh interkulturelle Erfahrungen gemacht, waren als junge Menschen im Ausland und haben uns immer für andere Kulturen interessiert“, erzählt Christina Döhring. Als 2010 die freien christlichen Schulen in Siegburg gegründet wurden, arbeitete sie zunächst als Religionslehrerin.

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An dem College in Jui in der Nähe der Hauptstadt Freetown wird Christina Döhring unterrichten.

"Ich unterrichte sehr gerne und mag es, Menschen den christlichen Glauben nahe zu bringen. Ich hatte aber ein Problem mit der Autorität, denn in der Schule sitzen Kinder nicht freiwillig. Lieber arbeite ich mit Menschen, die von sich aus kommen.“

Nachts wird es kaum abkühlen

In Sierra Leone seien sie noch nie zuvor gewesen. „Das war nicht unbedingt das Land, das mir als erstes eingefallen wäre“, sagt ihr Ehemann Ralf Döhring. „Die Luftfeuchtigkeit liegt bei über 80 Prozent, und nachts kühlt es sich nicht groß ab, das ist nicht meins“, gesteht er.

Dennoch unterstützte er das Vorhaben seiner Frau. „Erstens ist das Christinas Berufung und nicht meine. Zweitens ging es bisher immer um mich und meine Schwerpunkte. Drittens war ich in den letzten 30 bis 40 Jahren immer bei 100 Prozent, es tut mir mal gut, herunterzufahren.“

Anfangs wollte der Sohn nicht mit

Seine Aufgabe wird es sein, sich um Sohn Nathanael zu kümmern, unter anderem muss der 13-Jährige täglich zur Schule gefahren werden. „Am Anfang hat Nathanael natürlich gesagt: Da will ich nicht mit. Das ist auch verständlich, er ist hier verwurzelt und kennt keine andere Gegend“, sagt seine Mutter. „Nach und nach hat er sich aber mehr darauf eingelassen. Er hat an Coachings teilgenommen, die mehr ihn in den Fokus nehmen, er nähert sich dem Gedanken an und ist offener dafür.“

Aus für das Baseballcamp Siegburg auf der Brückberg-Kaserne

Nicht mehr fortgeführt werden wird das Baseballcamp Siegburg, das die Gemeinde von 2011 bis zum Beginn der Pandemie auf dem Gelände der Brückberg-Kaserne veranstaltete. Über 100 Kinder und Jugendliche lernten hier jeden Sommer durch ein Team der Partnergemeinde aus Bryan in Texas die Grundlagen des Baseballs und des christlichen Glaubens kennen. Doch in diesem Jahr prangt die Information auf der Website, dass das Camp eingestellt sei – ein Verlust auch für die Region.

„Da steckte viel ehrenamtliches Engagement drin, aber ohne eine hauptamtliche Stelle, wie ich sie ausgefüllt habe, war all die Arbeit nicht zu stemmen“, sagt Ralf Döhring. „Das Camp war ein Werkzeug, aber ein Werkzeug kann zu Ende gehen. Die Gemeinde wird Wege finden, weiter in die Stadt einzuwirken – wir bleiben ihr freundschaftlich verbunden.“

Sierra Leone zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. „Uns ist bewusst, dass wir da eine Sonderrolle innehaben, insbesondere als weiße Menschen. Aber dieses Bild der europäischen Missionare ist überholt und zu hinterfragen. Uns interessiert, wie sich jeder Mensch mit seinen Gaben und seiner Geschichte einbringen kann“, sagt Ralf Döhring.

Mit Tiefphasen rechnen sie auch 

In Jui wird die Familie in einem Haus auf dem Campus leben, die Sprache – Krio – lernen müssen. Die offizielle Amtssprache sei zwar Englisch, aber außerhalb von Behörden komme man damit nicht weit, sagen sie. „Und wir werden uns an die Kultur gewöhnen müssen. Am Anfang werden wir noch euphorisch sein, weil alles neu ist, aber es wird auch einige Tiefphasen geben“, ist sich Ralf Döhring sicher.

In der Christusgemeinde an der Frankfurter Straße in Siegburg wird das Pastoren-Ehepaar nach fast 20 Jahren eine große Lücke hinterlassen. „Nach dem ersten Schock unterstützten aber alle unser Vorhaben, und die Gemeindeleitung ist auf aktiver Suche nach einem neuen Pastor oder einer Pastorin“, bekräftigt Ralf Döhring.

Das Haus in Sankt Augustin behalten sie

Leicht falle es der Familie nicht, loszulassen. „Da sind in 20 Jahren natürlich enge Bindungen entstanden. Ich war noch nie so lange an einem Ort“, sagt Ralf Döhring. Vier Jahre lang gilt der Vertrag mit EBM International mit der Option, vier weitere Jahre dran zu hängen.

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Ihr Haus in Mülldorf behält die Familie, sie will eine Ferienwohnung daraus machen, auch deshalb, weil einmal im Jahr ein Heimaturlaub anstehen soll. „Da sind viele Türen geöffnet worden, damit das funktioniert“, sagt Ralf Döhring. Auf die Frage, was sie in Sierra Leone am meisten vermissen werden, antwortet seine Frau sofort: „Meine Katze.“ Mila werde bei ihrer Schwester leben.

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