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Herzlicher Rhein-Sieg-KreisWie mit Singles und Bedürftigen Weihnachten gefeiert wurde

Lesezeit 4 Minuten
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Hilla Schlimbach (r.) koordinierte das Fest in der „Schublade“. Von Jahr zu Jahr finden sich dort immer mehr Gäste ein. 

Siegburg/Much/Sankt Augustin – Sylvia Fritz spielt leise auf der Gitarre und singt „Süßer die Glocken nie klingen“. Im Weihnachtscafé beim Deutschen Roten Kreuz summen die Besucher mit. Hier ist die Stimmung besinnlich, und das schon zur Mittagszeit an Heiligabend.„Die Menschen, die hierher kommen, hätten gern ein bisschen von dem Trubel und Stress, über den andere so gern klagen. Wer was kocht oder ob der Baum gerade steht, spielt für sie keine Rolle, weil niemand auf sie wartet“, sagt Beate Wallrafen vom DRK-Familienbildungswerk, die mit fünf freiwilligen Helfern Eintöpfe und Kuchen, Kaffee und Tee serviert.

Die Angst vor dem Unbekannten genommen

Wer eintritt, wird schon im Flur herzlich begrüßt. Gemüse- oder Gulaschsuppe, lautet dann gleich die Frage. Das Team will den Gästen die Schwellenangst nehmen. „Die ist besonders bei Obdachlosen sehr ausgeprägt. Es gibt eine große Scham, sie machen sich auch Sorgen wegen mangelnder Hygiene“, weiß Klaus-Martin Heinz.

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Beate Wallrafen und Klaus-Martin Heinz standen im Eingang des DRK-Cafés bereit, um den Gästen Suppe zu servieren.

Einige DRK-Mitarbeiter kehren gerade von ihrer Runde durch den Bahnhof zurück, wo sie die Berber persönlich zur Weihnachtsfeier an der Zeughausstraße eingeladen haben. Doch auch Besucherinnen wie die alte Dame aus Hennef, die ihre Angehörigen in der Eifel hat – „das ist mir mit Bus und Bahn einfach zu weit“ – , freuen sich auf einige Stunden Geselligkeit.

Alles zum Thema Bläck Fööss

Die genießen auch die Gäste in der „Schublade“, wo es gemütlich und rappelvoll ist. Die Weihnachtsfeier, vor ein paar Jahren von Hilla Schlimbach und ihrer Initiative „Minsche wie Du & Ich“ ins Leben gerufen, hat sich zum Selbstläufer entwickelt.

Immer neue Helfer

„Es werden immer mehr, und es kommen immer neue Helfer dazu“, sagt Schlimbach. Durch ihren Hospizdienst lernt sie viele Menschen kennen, die mit den Schattenseiten des Lebens vertraut sind und sich über eine Einladung freuen.

Schlimbach liest die „Kunst der kleinen Schritte“ von Antoine de Saint-Exupéry, Musikschulleiter Paul Radau an der Gitarre und Walter Kempen am Akkordeon lassen die Schneeflöckchen rieseln, und ein junges Talent wie Yannick Plaickner (14) verbreitet mit „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Fööss kölsche Stimmung.

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Weihnachtslieder sangen die Gäste bei den Steyler Missionaren. Ehrenamtliche Helfer hatten ein Programm vorbereitet.

Zwischendurch schaut Pastor Josef Gerards vorbei, dem Gudrun Brönstrup einen Kaffee serviert. Vor drei Jahren ist sie mit ihrem Mann von Bonn nach Much gezogen und war gleich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Dörfler. „Ich möchte gern etwas zurückgeben.“

Atmosphäre der Großzügigkeit

Wirt Stefan Höller hat die Getränke gestiftet, die Bäckereien spendeten den Kuchen. In dieser Atmosphäre der Großzügigkeit fällt das Spenden leicht, zu dem ein Sparschwein auffordert. Die Außenwohngruppe des Kinderheims Overath wird diesen Zuschuss zum Sommerurlaub begrüßen.

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Ein Kommen und Gehen herrscht derweil bei den Steyler Missionaren, die ein Rundum-Programm bis in den Abend bieten. Die Empore der Aula hat Platz für 80 Besucher. Es schimmert und glitzert, denn Initiatorin Anne Schwabedal und ihr ehrenamtliches Team haben die Tische mit goldenen Rettungsdecken und Lichterketten geschmückt. Nach der Kaffeetafel brechen einige Gäste auf, um die Krippenausstellung im Museum nebenan zu besichtigen. 

Schon lange vor Beginn ist ein alter Herr eingetroffen; mit dem Taxi hat er sich aus dem Krankenhaus Siegburg nach Sankt Augustin chauffieren lassen. Er war zu Hause gestürzt, doch bei der Weihnachtsfeier will er wie seit Jahren dabei sein. „Ich sitze immer auf demselben Platz.“ Es gehe etwas zäh los, „aber irgendwann möchte jeder gern etwas von sich erzählen“, umschreibt Schwabedal, die auf dem Klosterareal den Kräutergarten betreut, die Stimmung.

Angeregt plaudert man miteinander, bevor der ökumenische Gottesdienst beginnt. Wer gerade herumsteht, bekommt eine Aufgabe zugewiesen, wie jener junge Mann, dem Moderatorin Uschi Stenz den Text mit den Fürbitten in die Hand drückt.„Ich habe Weihnachten schon mit Freunden gefeiert, fand das aber krampfig“, berichtet er. „Wenn man nicht in eine Familie eingebunden ist, kann man das Fest aber anders erleben – so wie hier, wo ich inneren Frieden erlebe.“