Bis zum Schluss leugnete der Angeklagte, einen älteren Mann ins Gleisbett der Linie 66 geschubst zu haben. Das Opfer erlitt schwerste Verletzungen.
Opfer lebensgefährlich verletztSiegburger stößt Mann auf Gleise – durch Video überführt

Videoüberwacht sind auch die Stadtbahnsteige im Untergeschoss des Siegburger Bahnhofs. Eine Filmsequenz zeigte den tätlichen Angriff und den Sturz des Opfers ins Gleisbett. (Symbolbild).
Copyright: Quentin Bröhl
Die Statur, der Gang, die Gesten: Die Filmsequenz aus einer Überwachungsvideokamera im Siegburger Bahnhof zeigen den Angeklagten. Da waren sich Zeugen, Staatsanwaltschaft und die Vorsitzende Richterin Julia Dibbert einig. Zu sehen ist, wie ein jüngerer Mann auf einen Älteren zugeht, diesen verbal und körperlich bedrängt und schließlich ins etwa einen Meter tiefer gelegene Gleisbett der Linie 66 schubst.
Das Opfer erlitt schwerste Verletzungen, darunter einen potenziell tödlichen Milzriss – das Organ musste entfernt werden -, Nasenbein- und Rippenbrüche sowie schwere Kopfverletzungen.
Bundespolizist erkannte den Täter sofort auf dem Überwachungsvideo
Bis zum Schluss leugnete der Angeklagte seine Beteiligung, der Täter sei doch auf dem Video gar nicht erkennbar: „Ich bin das nicht.“ Er könne sich an diesen Vorfall in der Nacht zum 8. Dezember vergangenen Jahres nicht erinnern. Kurze Zeit später wurde der 25-Jährige von der Polizei im Bahnhofsumfeld gefasst. Seitdem sitzt er in Haft, wurde in Fußfesseln vors Schöffengericht geführt.
„Mein Kollege hat den Täter direkt auf dem Video erkannt, sogar namentlich benannt“, sagte der Bundespolizist aus Köln, der in dieser Nachtschicht in Siegburg aushalf, im Zeugenstand. Durch die Zoomfunktion sei auch dessen Gesicht erkennbar gewesen. Zudem trug der Mann dieselbe auffällige Steppjacke mit Aufschrift und an den Füßen Badeschlappen, wie auf den Bildern.
Weder zu seiner Person noch zum Motiv wollte der vielfach vorbestrafte Angeklagte Auskunft geben. Die Richterin las aus einem alten Urteil vor. Demnach besuchte er die Förderschule, wuchs nach der Trennung der Eltern bei der Mutter und zwischenzeitlich bei der Großmutter auf.
Ich trinke keinen Alkohol
Früh konsumierte er Alkohol und Drogen, landete immer wieder in der Entgiftung, flog daheim raus und auch bei allen kurzzeitigen Jobs, lebt seit 2020 auf der Straße. Eine Therapie lehne er ab, auch eine amtliche Betreuung, so steht es in seinen Akten. Vor Gericht versicherte der ungepflegt wirkende junge Mann: „Ich trinke keinen Alkohol.“
Am Tattag hatte er fast 3,1 Promille im Blut, sei aber noch orientiert gewesen, was laut Bericht des medizinischen Gutachters für eine gewisse Gewöhnung spreche. Auf dem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie er nach der Gewalttat zielstrebig auf die Rolltreppe zusteuert, ohne sich umzuschauen und ohne zu schwanken.
Das Nachtat-Verhalten seines Mandanten lasse ihn an dessen Schuldfähigkeit zweifeln, sagte Pflichtverteidiger Bernd Arnold. Er plädierte auf eine Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, da davon auszugehen sei, dass der von der U-Haft beeindruckte Angeklagte keine weiteren Straftaten begehe.
Dem wollten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die zweieinhalb Jahre forderte, und das Gericht nicht folgen. Der Angeklagte habe unter laufender Bewährung gestanden und nicht das erste Gewaltdelikt begangen. Lediglich seine Alkoholisierung mindere das Strafmaß, man müsse von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgehen.
Als er nach etlichen Jugendstrafen und Geldstrafen 2024 als Erwachsener seine erste Freiheitsstrafe kassierte, war er noch von der Haft verschont geblieben; trotz Wohnungs- und Arbeitslosigkeit hatte das Gericht damals eine „positive Sozialprognose“ gesehen.
Nur wenige Monate später folgte die Gewalttat im Siegburger Bahnhof. Das Schöffengericht schickte den 25-Jährigen für zwei Jahre und zehn Monate hinter Gitter und ging damit sogar über die Forderungen des Anklägers hinaus. Voraussichtlich müsse er noch länger sitzen, da die Bewährung der letzten Strafe widerrufen werde, sagte die Vorsitzende Richterin Dibbert.
Der Haftbefehl bleibe „natürlich in Kraft“. Der Angeklagte wurde von den Wachtmeistern in Fußfesseln in die Zelle im Untergeschoss geführt und von dort wieder in die JVA gebracht.