Halle in SpichTroisdorfer Firma bietet Trainingsparcours für Rollstuhlfahrer an

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Patrick Krause und Sandra Soest üben im Rehacampus der Firma Rahm im Camp Spich.

Troisdorf – „Am Anfang war alles zu groß“, erinnert sich Meike Rahm an die erste Zeit im Camp Spich. 2011 war die Abteilung Rehatechnik der Troisdorfer Firma Rahm Zentrum für Gesundheit GmbH aus dem Stammhaus am Spicher Iltisweg in die ehemalige belgische Kaserne verlegt worden. Statt beengter Verhältnisse hatte sie hier Platz in Hülle und Fülle. Der hat sich inzwischen längst gefüllt. Der jüngste Schritt auf diesem Weg ist der „Rehacampus“, für den die Werkstatt durch den Umzug in neu angemietete Räume Platz machte.

Vor allem Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sollen auf den 540 Quadratmetern Fläche des ersten Bauabschnitts eine verbesserte Unterstützung finden. Kernstück ist ein Trainingsparcours. In einer Turnhalle können Rampen und Stufen aufgebaut werden. Im zweiten Schritt wird auch das Außengelände umgestaltet, noch in diesem Jahr sollen Flächen mit Kies, Schotter oder Rasen zum Testen und Trainieren bereit stehen. Ein Simulator ermöglicht zudem erste Eindrücke vom Autofahren mit Handicap. Für das kommende Jahr schließlich ist die Umgestaltung des bisherigen Ladens für das Thema „Wohnen im Alter“ geplant.

Menschen, die neu im Rollstuhl sind, haben viele Fragen und Unsicherheiten

Wie fahre ich den Rollstuhl richtig? Wie komme ich den Bordstein hoch? Wie komme ich zurück in die Senkrechte, wenn ich gestürzt bin? Antworten auf diese Fragen der Rollstuhlneulinge gibt das Team, zu dem auch Ergotherapeut Patrick Krause gehört, im Mobilitätstraining. Wie schnell die Kunden das lernen, sagt der 31-Jährige, „steht und fällt mit der psychischen Verarbeitung und mit der Anpassung des Rollstuhls“.

Muskelkraft

Rund 2500 sogenannte „aktive“ Nutzer , die ihren Rollstuhl selbst anschieben, betreut die Firma Rahm nach eigenen Angaben. Mindestens 1500 elektrische Rollis kommen hinzu.

Viele Sportler werden von einem der etwa 900 Beschäftigten des Unternehmens betreut. In der Ausstellung sind neben Rollstühlen für grobes Gelände auch solche für das Rollstuhlskaten zu sehen, das ist ein atemberaubender Sport auf Skaterampen. Die Kontaktaufnahme ist möglich unter 02241/908-800. Weitere Informationen finden Sie hier. (dk)

Zwei Trainingseinheiten absolvieren die Teilnehmenden in Kooperation mit dem Reha-Sportclub Rheinland (RSC). Aber: „Das ist wie beim Führerschein“, erklärt Krause. „Man muss im Alltag Erfahrungen sammeln, die Sicherheit kommt erst mit der Zeit.“ Zur Fahrtechnik gehört auch das korrekte Schieben, um zu vermeiden, dass es mit der Zeit Schulterprobleme verursacht. Das tritt bei vielen Rollstuhlnutzern auf.

An einem nachgebauten Buseinstieg, an Treppenstufen und an Rampen übt an diesem Nachmittag auch Sandra Soest. Seit ihr Ende 2019 nach einer Krebsoperation der Unterschenkel amputiert werden musste, ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. „Das ist Kopfsache“, kommentiert sie ihre Einstellung. „Man will halt leben.“ Gleichzeitig hat sie Hoffnung, in Zukunft mit einer passenden Prothese den Rollstuhl wieder in die Ecke schieben zu können.

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Andre Brewing (r.) probiert mit Unterstützung von Campus-Leiter Michael Baron ein Handfahrrad mit Hilfsmotor aus.

Diese Hoffnung hat Andre Brewing nicht. Wegen seiner Muskelerkrankung hatte schon der Aktiv-Rollstuhl, den er seit 2019 nutzt, eine so genannte Restkraftunterstützung, nun steht der Troisdorfer vor der Anschaffung eines Handbikes mit elektrischem Hilfsmotor. „Das gibt Lebensqualität für mich“, sagt der 46-Jährige, während er unter den Augen von Campus-Leiter Michael Baron Testrunden dreht. „Ich will auch wieder mit Geschwindigkeit nach draußen.“

Groß ist die Bandbreite der Produkte, die Rahm am Firmensitz zeigt. Diese Vielfalt kann keine der 43 Filialen vorhalten. Vor allem bei Menschen mit neurologischen Erkrankungen arbeiten Orthopädie- und Rehatechniker mit einer Pflegefachkraft zusammen, um die Hilfen individuell anzupassen. Auch die Einweisung gehöre dazu, betont Meike Rahm: „Es nützt nichts, wenn der Kunde das Hilfsmittel hat, aber nicht richtig nutzen kann“. In kleinen separaten Räumen helfen Pflegeexperten, mit einem künstlichen Darmausgang umgehen zu lernen. Auch die Augensteuerung eines Sprach- und Bewegungscomputers können die Kunden hier ausprobieren und üben.

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Laut Gesetz könnten die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten übernehmen, sagt Patrick Krause, der als Trainer das Nationalteam der Rollstuhlskater betreut. „Sie tun es aber nicht“, fügt er hinzu. Die Patienten bezahlen diese Angebote privat. Dabei könnten so durchaus mögliche Folgekosten vermieden werden, betont Krause. Das richtige Fahren mit dem Rollstuhl schiebe beispielsweise die mehr oder weniger zwangsläufig auftretenden Schulterprobleme der Nutzer hinaus.

Kostenlos ist auf jeden Fall die Beratung bei den Spezialisten, und ebenso wie die Teilnahme an den Trainings steht sie nicht nur den Rahm-Kunden offen.

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