Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

So spart die Deutsche Bahn StromVollgas auf den Schienen bringt kaum Zeitvorteile

Lesezeit 4 Minuten

Lokführer Hakan Tasdan (39) ist ein Experte beim energiesparenden Fahren.

Köln/Leverkusen – Diese Fahrt könnte Hakan Tasdan (39) auf der internen Bahn-Rangliste der Stromsparfüchse nach vorn bringen. Soeben ist der Regional-Express 5 von Koblenz im Kölner Hauptbahnhof angekommen, der Lokführer hat den tonnenschweren Zug mit den sechs Doppelstockwagen ausrollen lassen. Zufrieden zeigt Tasdan auf das Display im Führerstand der E-Lok. „1236 Kilowattstunden verbraucht, 349 zurückgespeist. Besser geht es kaum.“

Für alle elektrifizierten Strecken im Regionalverkehr von NRW hat die Bahn Richtwerte für den Stromverbrauch festgelegt und ihrem Zugpersonal Empfehlungen für energiesparendes Fahren an die Hand gegeben. „Diese Empfehlungen gibt es für jede Linie“, sagt Teamleiter Carsten Heß (39). „Sie sind vor allem für jüngere Kollegen wichtig, denen die Erfahrung fehlt. Sie kennen die Topographie einer Strecke noch nicht genau. Dazu muss man sie sehr oft gefahren sein.“ Assistenzsysteme unterstützen die Lokführer bei ihrer Arbeit. Sie erfassen Position und Geschwindigkeit des Zuges, gleichen die Informationen mit dem Fahrplan ab und geben Abschalt-Empfehlungen.

Verbrauch eines Ein-Personen-Haushalts

Zwischen Koblenz und Wesel verbraucht der RE 5 mit sechs Doppelstockwagen im Schnitt 2200 Kilowattstunden, so viel wie ein Einpersonen-Haushalt im Jahr. Zu den internen Strompreisen macht die DB keine Angaben, Lokführer Tasdan weiß aber, dass allein seine schonende Fahrweise im Monat dem Unternehmen bis zu 250 Euro sparen kann. „Ich hatte aber auch schon Monate, da war ich mit 50 Euro im Minus.“

Alles zum Thema Deutsche Bahn

Alle 450 Lokführer, die in Köln stationiert sind, werden anonymisiert in Ranglisten geführt. „Wir haben Auswertungen, welcher Lokführer auf welcher Strecke wie viel Strom verbraucht, ob er über oder unter dem Durchschnitt liegt“, sagt Teamleiter Heß. „In Einzelgesprächen versuchen wir, die Kollegen zu sensibilisieren.“ Die Bahn habe lange über ein Prämiensystem diskutiert, sich letztlich dagegen entschieden. „Das kann auch nach hinten losgehen“, sagt Heß. „Weil die Fahrbedingungen sehr verschieden sind.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Hakan Tasdan kann das nur bestätigen. „Im Berufsverkehr sind die Türen länger geöffnet. Da muss die Klimaanlage mehr arbeiten. Bei Verspätungen müssen wir in der Regel Volllast fahren, weil die Pünktlichkeit Vorrang hat.“ Zudem seien die Fahrzeuge technisch nicht auf dem gleichen Stand. Längst nicht alle verfügen über dynamische Bremsen, mit denen bis zu 30 Prozent der bezogenen Energie in die Oberleitung zurückgespeist werden. „Pünktlich fahren und trotzdem sparsam sein. Das ist die eigentliche Kunst.“

Das Signal zeigt Grün. Tasdan setzt den Zug Richtung Leverkusen in Bewegung. Vorausschauendes Fahren auf der Schiene bedeutet vor allem eins – rollen lassen. Und zu erkennen, dass man zwischen Köln-Mülheim und Leverkusen-Mitte zwar ein paar Kilometer mit Tempo 160 fahren könnte, die paar Sekunden, die dadurch gespart werden, aber in keinem Verhältnis zum Energieverbrauch stehen. „Zurzeit fahren wir wegen der Großbaustelle ja nur nach Leverkusen und von dort zurück“, erklärt der Lokführer, während der RE 5 durch Stammheim rauscht. „Reisende nach Düsseldorf müssen eh 15 Minuten auf den RE 1 warten. Da spielt es keine Rolle, ob ich zwei Minuten zu spät bin.“

Die Pünktlichkeit geht vor

Im Berufsverkehr zwischen Köln und Düsseldorf sei das anders, die Strecke derart überlastet, „dass ich nachfolgende Züge behindern würde, wenn ich bewusst langsam fahre“. Dass eine schonende Fahrweise weniger Verschleiß bedeutet und der Konzern bei den Wartungs- und Materialkosten spare, sei ein positiver Nebeneffekt.

Vieles ließe sich noch verbessern, wenn man die Abläufe genau analysiert, glaubt Teamleiter Heß. So habe man die Zugbegleiter angewiesen, die Klimaanlagen runterzufahren, bevor ein Zug vom Endbahnhof leer in die Abstellanlage fährt. „Dadurch haben wir 2,7 Millionen Kilowattstunden eingespart.“ Für die Umwelt seien das 550 Tonnen Kohlendioxid, die nicht in die Luft geblasen werden.

Telematik-System für Dieselzüge

Die Züge des Regionalverkehrs der Deutschen Bahn in Nordrhein-Westfalen haben 2017 rund 25 Millionen Kilowattstunden weniger Strom durch energiesparendes Fahren verbraucht. Das entspricht ungefährt der Menge, die 5000 Vier-Personen-Haushalte im Jahr verbrauchen. Der Ausstoß an Kohlendioxid konnte um 13 000 Tonnen gesenkt werden. Um diese Menge aus der Luft zu filtern, wäre ein Wald von fast einer Million Buchen nötig gewesen. Seit 2006 hat die DB Regio NRW im bevölkerungsreichsten Bundesland die CO2 -Emissionen um ein Viertel verringert. Bis 2020 soll der Stromverbrauch auch durch den Einsatz moderner Fahrzeuge um weitere sieben Prozent sinken.

Bei dieselbetriebenen Zügen soll im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen künftig auch Energie durch den Einbau von Telematik-Systemen gespart werden. Sie werden dem Lokführer den aktuellen Kraftstoffverbrauch anzeigen und sollen auch Fahrempfehlungen abgeben. (pb)