Schwierige AusbildungssucheIn eine ungewisse Zukunft

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Der 19-Jährige Leroy hat einen Traumberuf: Busfahrer im Kölner Straßenverkehr.

Der 19-Jährige Leroy hat einen Traumberuf: Busfahrer im Kölner Straßenverkehr.

Köln – Leroy will Busfahrer werden. Er hat während der Pflichtpraktika in der Schule viele Berufe ausprobiert, war Praktikant in der Drogerie, beim Paketzusteller, im Fitnessstudio. Aber nach all den Stunden Arbeit steht immer noch fest: Leroy will Busse voller Menschen durch Köln steuern. Ab Sommer, dann ist er mit seinem Hauptschulabschluss fertig.

Doch wie bei allen Plänen, die gerade irgendwo von irgendjemandem für die Zukunft geschmiedet werden, ist die Umsetzung ungewiss. Die Corona-Krise lässt uns „auf Sicht fahren“, was fatal ist, für Menschen, die sich nicht einmal auf einer festen Straße befinden. Seit mehreren Monaten schreibt der 19-Jährige mit Nadine Marx aus dem Caritas-Jugendbüro Bewerbungen, auf die er meistens keine Antwort bekommt. An einem sonnigen, kalten Nachmittag sitzt er im gepflasterten Hof neben dem Ehrenfelder Büro im dunkelblauen Trainingsanzug neben Marx, ein paar Meter entfernt lärmt die Venloer Straße.

Ehemalige Klienten melden sich wieder

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist für alle Seiten schwierig. Viele Unternehmen stellen niemanden ein, Mitarbeiter sind in Kurzarbeit und die Büros verwaist. Auch dort kann man gerade nicht planen. „Im letzten Sommer haben noch überraschend viele unserer Klienten eine Ausbildung angefangen. Viele Firmen waren optimistisch, dass die Corona-Lage sich bessern würde“, sagt Marx. „Jetzt im Frühjahr ist klar: Die unsichere Lage dauert an.“ Die Berufsberaterin merkt das an Fällen wie Leroy: Ein motivierter Bewerber mit klarem Berufswunsch wird nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie merkt es auch daran, dass ehemalige Klienten wieder anrufen, weil ihre Ausbildung oder das lang ersehnte Praktikum abgesagt wurden. Junge Menschen, mit denen sie monatelang Stellenportale durchgeklickt, Bewerbungen formuliert und Vorstellungsgespräche besprochen hat, stehen plötzlich wieder vor der virtuellen Tür.

Arno Moormann (r.) berät auch mal draußen oder im Schulflur.

Arno Moormann (r.) berät auch mal draußen oder im Schulflur.

Bianca Winter von der Kölner Arbeitsagentur kann die Veränderung mit Zahlen belegen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es im Februar fast 20 Prozent weniger Ausbildungsstellen. Die Zahl der Ausbildungssuchenden ist um etwa 10 Prozent auf 3000 Personen geschrumpft, wenn man sie mit Februar 2020 vergleicht. Ein Grund: Die Arbeitsagentur bietet seit Monaten keine Berufsberatung in Schulen an, viele weitere Orientierungsangebote mussten zwangsläufig ins Digitale abwandern. Damit werden viele Jugendliche erreicht, sagt Winter, aber nicht alle. „Mehr als sonst müssen Ausbildungssuchende selbst aktiv werden und auf uns zukommen“, sagt die Pressesprecherin.

„Manche kommen mit unrealistischen Vorstellungen, deshalb sind Praktika essenziell“

Arno Moormann, Leiter der Caritas-Jugendberufsberatung, betrachtet das mit Sorge. Zu ihm in die Beratung kommen oft genau die Jugendlichen, denen es schwerfällt, sich selbst um ihre Zukunft zu kümmern. Weil sie zuhause keine Hilfe bekommen. Oder keinen Computer mit Internet haben, um sich über Ausbildungen zu informieren, und damit anschließend eine Bewerbung zu schreiben. Viele wissen einfach nicht, nach welchem Beruf sie überhaupt suchen sollen.

Das Jugendbüro arbeitet zurzeit nur mit Terminen oder telefonisch.

Das Jugendbüro arbeitet zurzeit nur mit Terminen oder telefonisch.

„Manche kommen mit unrealistischen Vorstellungen, deshalb sind Praktika essenziell“, sagt Moormann. „Unter normalen Umständen können wir die recht unkompliziert vermitteln.“ Das Jugendbüro habe langjährige Partner, die auch für Bewerber mit nicht-makellosem Lebenslauf offen seien. Doch auch diese Unternehmen sind in der aktuellen Situation zurückhaltend. Büropraktika sind kaum möglich, wenn alle Kollegen von Zuhause arbeiten. Und auch wenig hilfreich, wenn es kaum Arbeitsalltag gibt, den ein Praktikant oder eine Praktikantin kennenlernen kann.

Beratungsgespräche zur Not im Gang

Stattdessen würden viele Schüler und Schülerinnen, die nicht wissen, welchen Beruf sie lernen wollen, einfach weiter zur Schule gehen. „Das ist ein klassischer Fehler: Sich am Berufskolleg einschreiben, ohne zu wissen, wo es hingehen soll“, sagt Berufsberaterin Marx.

Deshalb plädieren sie und ihr Kollege Moormann generell für mehr Vorbereitung und Aufklärung in den Schulen. Die bot das Jugendbüro, im Gegensatz zur Arbeitsagentur auch in den letzten Monaten an, wenn die Schulen offen waren. Er habe teilweise mit den Schülern im Gang gesessen, erzählt Moormann, auf Abstand und mit Maske, aber immerhin konnte man sich unterhalten und sich dabei anschauen. „Wir merken, dass viele die Hilfe dringend brauchen“, sagt er. Auch die Arbeitsagentur versuche alles, um den Menschen ein Gespräch zu ermöglichen, sagt Winter. Es gäbe eine digitale Sprechstunde und bei niedriger Inzidenz auch die Möglichkeit, einen Berater draußen zum Spaziergang zu treffen.

Schule mit dem Handy

Leroy hatte diese Woche nun endlich ein digitales Vorstellungsgespräch bei einem Verkehrsunternehmen. Längst hätte zu diesem Termin sein Tablet da sein sollen, das er mit Marx zusammen beantragt und bestellt hat. Seit Monaten macht Leroy den Schulunterricht auf dem Handy mit. Ihm mache das nichts aus, aber einige seiner Mitschülerinnen und Mitschüler seien schon seit Wochen nicht mehr aufgetaucht, erzählt er. „Leroy ist so ein gelassener, ruhiger Charakter“, sagt Moormann anerkennend. „Ideal für den Kölner Straßenverkehr.“

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Außerdem: Der 19-Jährige muss bei seiner Oma ausziehen und sucht dringend eine eigene kleine Wohnung. Auch dabei unterstützen seine Berufsberater ihn, so gut es geht.

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