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KriegsvertriebeneAuf der Suche nach einer Bleibe in Rhein-Berg

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau hält einer älteren Frau eine Katze entgegen. Sie sind in einer Notunterkunft.

Diese Familie kam mit Großmutter, Kindern und einer Katze nach Bergisch Gladbach.

Hilfsorganisation Habitat for Humanity hilft ukrainischen Familien bei der Suche nach Privatwohnungen. Die Übergangslösung, dass die Geflüchteten bei Familien aus Rhein-Berg wohnen, ist zur Dauerlösung geworden. Das will die Organisation ändern.

Zwei Monate nach Beginn ihres Wohnungs-Projekts in Bergisch Gladbach kann die Hilfsorganisation Habitat for Humanity Deutschland erste Erfolge vermelden: „Wir haben in so kurzer Zeit 32 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine eigene Wohnung vermittelt“, berichtet Teamleiterin Annette Klaas. Die Arme weit offen, so präsentieren sich die Gladbacher, wenn es darum geht, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen.

Zwei Drittel von den mehr als 1200 Kriegsvertriebenen, die inzwischen in der Stadt angekommen sind, sind in privaten Haushalten untergebracht. Doch die Herausforderungen für die Gastgeber sind groß. Die Übergangslösung ist zur Dauerlösung geworden. Und der Wohnungsmarkt ist leer gefegt.

„Ein großes Problem ist, dass alle Formulare auf Deutsch sind“
Bibi Opiela, Ehrenamtliche Helferin

„Viele Gastfamilien sind am Ende ihrer Kräfte“, weiß Bibi Opiela, die sich in Refrath ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Umso mehr schätzt Opiela den Einsatz der Hilfsorganisation. Auch viele Geflüchtete wünschten sich nach über acht Monaten, auf eigenen Beinen zu stehen. Doch sie scheiterten bei ihren eigenen Bemühungen meist an der Sprachbarriere. „Ein großes Problem ist, dass alle Formulare auf Deutsch sind“, sagt Opiela.

Die Ukrainer bräuchten immer jemanden, der ihnen die Schreiben vom Jobcenter oder Sozialamt übersetzt. Die Stadt Bergisch Gladbach ist ebenfalls froh, mit Habitat for Humanity Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung gefunden zu haben. „So können wir uns wieder stärker auf unsere Kernaufgabe der Sozialarbeit für die Geflüchteten konzentrieren“, sagt Sabine Hellwig, Fachbereichsleiterin Jugend und Soziales. „Unser Leitsatz ist, jeder braucht ein Zuhause“, sagt Klaas.

Familie mit Hund in Rhein-Berg untergebracht

Aufgrund des Krieges in der Ukraine startete die weltweite Organisation im April dieses Jahres in Overath ihr Pilotprojekt in Deutschland zur Wohnungsvermittlung von Kriegsflüchtlingen. „Dort haben wir bereits 160 Geflüchteten in 49 Wohnungen ein neues Zuhause vermittelt“, berichtet Klaas. Ganz aktuell erzählt sie von einer vierköpfigen ukrainischen Familie, die ein drittes Kind erwartet. Ein Hund gehört noch dazu, eine besondere Herausforderung bei der Wohnungssuche.

Das Erfolgskonzept von Habitat: „Wir füllen die Lücke zwischen Vermieter und Mieter und arbeiten dabei Hand in Hand mit den Flüchtlingsinitiativen vor Ort“, sagt Klaas. Die größte Hürde sei die Bürokratie. Der Stadt fehle das Personal, sich mit Vermietern hinzusetzen, um Mietverträge und Übergabeprotokolle aufzusetzen, mit den Ukrainern Formulare auszufüllen und Besichtigungen zu organisieren. Darum kümmert sich das Habitat-Team des Rheinisch-Bergischen Kreises.

Neue Immobilien kommen auf den Markt

Annette Klaas und ihre Kollegin Michaela Schulte profitieren dabei von ihrer langjährigen Erfahrungen und Kontakten als Immobilienmaklerinnen. „Die meisten Vermieter, die sich bei uns melden, haben noch nie etwas offiziell vermietet“, erläutert Klaas. Sie besitzen zum Beispiel Einliegerwohnungen, die eigentlich zur Eigennutzung oder für eine Renovierung vorgesehen sind.

Häufig handelt es sich auch um Ferienwohnungen oder Häuser, wo die Erben noch nicht wissen, was sie damit machen wollen, nennt Klaas Beispiele für Wohnraum, der sich für eine Zwischennutzung eignet. Wichtig sei, dass dieser Wohnraum dem offiziellen Wohnungsmarkt nicht verloren gehe. Er würde dort gar nicht erst auftauchen. Für Gladbacher mit schmalem Geldbeutel, die bezahlbare Wohnungen suchen, kämen diese Angebote auch deshalb nicht infrage, weil sie in der Regel zeitlich begrenzt seien.

Habitat for Humanity versucht Vermieter zu überzeugen

Aber wie kann man Neuvermietern die Angst nehmen? „Mit einem ausführlichen Beratungsgespräch“, erklärt Klaas. Viele glaubten, sie müssen sich um die neuen Mieter kümmern. „Das ist nicht so. Sie sind ganz normale Vermieter und nicht dazu verpflichtet, Möbel zu besorgen, zu den Ämtern zu laufen, den Umzug zu machen.“ Diese Aufgaben übernehmen die ehrenamtlichen Netzwerke, oft stehen aber auch die Gastfamilien ihren bisherigen Mitbewohnern zur Seite. Wichtiger Punkt bei den Beratungen sei natürlich auch die Frage der Mietkosten. „Es gibt feste Hartz IV-Sätze, die für jeden Asylbewerber gleich sind“, erklärt Klaas.

Manchen Vermietern reiche das nicht: „Da können wir dann nichts tun.“ Aber bei den meisten stehe doch der soziale Gedanke im Vordergrund. Besorgt blicken jetzt alle auf den kommenden Winter. „Wir rechnen mit einer wachsenden Zahl an Geflüchteten in den nächsten Wochen. Der Bedarf an Wohnraum wird weiter steigen“, sagt Klaas. Deshalb hofft die Hilfsorganisation auf die Unterstützung weiterer Hauseigentümer und Vermieter. Der Appell: „Haben Sie freien, verfügbaren Wohnraum? Melden Sie sich bei uns.“

Klaas versichert, das Habitat-Team stehe Eigentümern zur Seite. Ansprechpartnerin ist - per Mail oder Telefon - Annette Klaas 0157/30022507.


In 70 Ländern im Einsatz

Habitat for Humanity ist eine internationale Hilfsorganisation mit Projekten in mehr als 70 Ländern. Der Verein verbessert die Lebensbedingungen von Menschen, indem sie ihnen ein sicheres Dach über dem Kopf verschafft. In Deutschland wurde die Organisation erstmals aktiv nach der Flut im Ahrtal.

Sitz des Büros in Deutschland ist Köln. Die Finanzierung läuft über Spenden aus dem Bündnis Aktion Deutschland Hilft. „Weitere Spenden sind wichtig“, sagt Annette Klaas, Leiterin des Habitat-Teams im Rheinisch-Bergischen Kreis, „wir würden die Projekte gerne längerfristig fortsetzen.“ Ukrainer, die Wohnungen suchen, finden auf der Homepage Formulare, die an Habitat weitergeleitet werden können.